Religiosität von unten? Lucian Hölschers Begriffsgeschichte der protestantischen Frömmigkeit

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit dieser an Quellen und Analysen sehr reichen Studie gibt der an der Ruhr-Universität Bochum Neuere Geschichte lehrende Lucian Hölscher einen Überblick über die protestantische Frömmigkeit zwischen Reformation und Anfang des 20. Jahrhunderts. Ziel des Autors ist es, „der vorherrschenden Kirchengeschichtsschreibung einen Gegenentwurf an die Seite zu stellen“, der durch den Grundbegriff der Frömmigkeit gekennzeichnet ist. Als Frömmigkeit bezeichnet der Autor nämlich „ein Ensemble von religiösen Vorstellungen und Handlungsformen, die ein Individuum, eine Gruppe oder eine Institution dauerhaft pflegt“. Auf diese Weise will Hölscher eine Darstellung des liturgischen, ethischen und sozialen Lebens der protestantischen Gemeinden ‚von unten’ erreichen. Dieser Gegenentwurf entlarvt sich aber in seiner Studie als eine zwar breite und sorgfältige Rekonstruktion einer solchen Religiosität, die den Blick ‚von unten‘ jedoch nicht einlöst. Eher ist der Autor darauf konzentriert, das enorme Quellenmaterial zu organisieren, als dessen kulturelle und politische Implikationen zu interpretieren.

Dennoch ist dieses Buch vor allem als eine gut fundierte Wissensbasis über Institutionen, Strukturen und Glaubensvorstellungen der protestantischen Religiosität der Neuzeit und der Moderne sehr ergiebig.

Titelbild

Lucian Hölscher: Geschichte der protestantischen Frömmigkeit in Deutschland.
Verlag C.H.Beck, München 2005.
466 Seiten, 39,90 EUR.
ISBN-10: 3406535267
ISBN-13: 9783406535260

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