Keine treuen Kämpfer

Askari und Fitafita als Söldner unter deutscher Fahne

Von Klaus-Jürgen BremmRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus-Jürgen Bremm

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Während das anarchische Zeitalter der Söldner, Landsknechte und Warlords im scheinbar kultivierten Europa der Nationalstaaten zu Beginn des letzten Jahrhunderts schon längst der Vergangenheit angehörte und die Großmächte stattdessen Millionenheere aus Wehrpflichtigen gegeneinander aufstellten, galten in den überseeischen Kolonien andere Prioritäten. Allein das Deutsche Reich warb in den knapp drei Dekaden seiner ‚kolonialen Herrlichkeit‘ bis zu 50.000 Afrikaner, Asiaten und Ozeanier als Söldner an, die als Polizisten, Aufseher oder Arbeiter im Straßenbau eingesetzt wurden, aber auch als Soldaten in zahlreichen Kleinkriegen kämpften. Dass sie mit ihrem gefährlichen Dienst überhaupt erst zur Aufrechterhaltung der weißen Fremdherrschaft beitrugen, dürfte indes den wenigsten Söldnern klar gewesen sein. Waren doch Europäer den klimatischen Bedingungen vor allem in Zentralafrika kaum gewachsen und dem Reichskolonialamt in Berlin zudem auch viel zu teuer.

Über Herkunft, Motive und dienstliches Verhalten der „farbigen“ Söldner in deutschen Diensten gewährt Thomas Morlang in seiner beim Berliner Links-Verlag erschienenen kleinen Monografie wichtige Einblicke, die sich allerdings weitgehend auf die gewöhnlich einseitige Sichtweise der kolonialen Herren stützen muss. Darstellungen aus der Perspektive der Afrikaner oder Ozeanier, wie etwa der Beschwerdebrief des Westafrikaners Bai Tabe, sind dagegen die Ausnahme. Morlang beschreibt auch die Beweggründe und Bedenken der deutschen Kolonialverwaltungen, vor allem die nie ruhende Sorge vor Unruhen und Aufständen unter den Angeworbenen, deren kulturelle Prägungen nachzuvollziehen die meisten Weißen ohnedies als nicht der Mühe Wert erachteten.

In der Tat war es ein kaum zu kalkulierendes Risiko, die eigenen imperialen Ansprüche ausgerechnet mit den Bajonetten von Einheimischen durchzusetzen, selbst wenn diese Kämpfer bewusst in anderen Regionen oder sogar außerhalb der Kolonien angeworben wurden. Zwar machten die Europäer hinsichtlich der militärischen Tauglichkeit der verschiedenen Ethnien gravierende Unterschiede aus – die Deutschen etwa bevorzugten in Kamerun und Ostafrika vor allem die muslimischen Haussa oder die Sudanesen wegen ihrer religiös geprägten kriegerischen Qualitäten – so blieben doch die „farbigen“ Söldner stets nur Soldaten zweiter Klasse, mit denen es eine echte Waffenbrüderschaft nicht geben konnte. Die regelmäßige Anwendung der Prügelstrafe in allen Schutztruppen markierte zusätzlich das vorgebliche kulturelle Gefälle zwischen weißer und schwarzer Rasse. Ein Aufstieg in Offizierränge war nicht vorgesehen, abgesehen von einigen Ausnahmen in der Deutsch-Ostafrikanischen Schutztruppe bildete der Dienstgrad eines Feldwebels die Spitze der Karriereleiter für einen Afrikaner oder Ozeanier im deutschen Kolonialdienst.

In der Regel bewährten sich die oft unter abenteuerlichen Umständen und mit großem Aufwand angeworbenen Söldner unter deutschem Kommando. Dabei wurden selbst versklavte Afrikaner zum Dienst in der Schutztruppe freigekauft und mussten sich anschließend ihren Sold auf die Freikaufsumme anrechnen lassen. Somit aber wurde die Sklaverei von den deutschen Kolonialherren praktisch fortgesetzt. Trotz eines weitgehend funktionierenden Kolonialregimes waren Fahnenflucht und kleinere Meutereien keine Seltenheit, wiesen aber in der Regel keinen politischen Hintergrund auf.

Eine wesentliche Rolle, sich trotz des eintönigen und beschwerlichen Dienstes von der Schutztruppe anwerben zu lassen, spielte die vergleichsweise bessere Bezahlung – sie lag je nach Dienstgrad und Kolonie monatlich zwischen 12 und 30 Reichsmark. Oft lockte auch das mit dem Tragen einer Uniform verbundene neue Sozialprestige. Eine besondere Loyalität gegenüber den weißen Vorgesetzten oder gar zu Deutschland ist jedoch nur in Ausnahmefällen zu erkennen, wurde aber in der Nachkriegszeit zu einem Politikum, als die Alliierten die Wegnahme der Kolonien des Deutschen Reiches mit dessen Unvermögen begründeten, eine geordnete Kolonialherrschaft zu betreiben. Gern wurde in der Weimarer Zeit und auch noch danach das Bild der treuen Askari in die Debatte eingebracht, die angeblich bis zum Ende des Krieges unter den deutschen Fahnen ausharrten und von denen die letzten sich tatsächlich erst zusammen mit ihrem legendären Kommandeur, General Paul von Lettow-Vorbeck, im November 1918 den Alliierten ergaben. Dagegen fällt die wirkliche Bilanz jenseits der revisionistischen Kolonialträume erheblich nüchterner aus. Von den mehr als 15.000 Askari, die während des Ersten Weltkrieges zur deutschen Schutztruppe in Ostafrika gehörten, desertierte laut deutschen Quellen immerhin ein knappes Fünftel, wobei die Dunkelziffer unter den 4. 500 vermissten Afrikanern noch nicht berücksichtigt ist. Dass sich zudem ein Großteil der 4. 200 in Gefangenschaft geratenen Askari ohne weiteres als Söldner für die britische oder belgische Kolonialarmee anwerben ließ, spricht nach Ansicht des Verfassers nicht gerade für eine besondere Anhänglichkeit an ihre alten Kolonialherren. Den zuletzt noch rund 1. 200 übrig gebliebenen Askari unterstellt Morlang daher eher persönliche Motive wie ausreichende Verpflegung oder Aussicht auf Beute für ihr ungewöhnlich langes Ausharren auf deutscher Seite.

Für ein politisches Nachspiel bis in die Zeit der frühen Bundesrepublik sorgte allerdings die Debatte um die Begleichung der noch ausstehenden Soldzahlungen und die Frage der Pensionen. Morlang schildert auch diese postkoloniale Phase in den Beziehungen der afrikanischen Söldner zu ihren ehemaligen weißen Herren, in der noch in den 1960iger-Jahren im Anschluss an eine Dokumentation des WDR zahlreiche Briefe beim damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke eingingen, deren Absender Zweifel an der offiziellen Darstellung äußerten, dass die Bundesrepublik alles getan habe, um die offenkundige Not ehemaliger Askari zu lindern.

Insgesamt ist es Morlang gelungen, einen soliden und fundierten Überblick über die Geschichte der „farbigen“ Kolonialsoldaten in den einzelnen deutschen Kolonialgebieten zu liefern. Besonders hilfreich sind in seiner Darstellung verschiedene Exkurse, die mit Hilfe kurz gefasster Lebensbilder einiger weniger Kolonialsoldaten dem Thema ein individuelles Gesicht verleihen, wo bisher nur stereotype oder idealtypische Askari-Krieger in Propaganda und Werbung vorkamen. Auch die Ausstattung mit Abbildungen und Karten ist angemessen. Statistische Übersichten über Gliederung und Stärke der verschiedenen Schutztruppenverbände in den einzelnen deutschen Kolonien fehlen hingegen ebenso wie eine vergleichende Einordnung der Thematik, wozu auch die militärische Praxis bei den übrigen kolonialen Mächten hätte einbezogen werden müssen.

Titelbild

Thomas Morlang: Askari und Fitafita. "Farbige" Söldner in den deutschen Kolonien.
Ch. Links Verlag, Berlin 2008.
204 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783861534761

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