Kugelhagel statt saurer Gurken

Der Drehbuchautor Angelo Colagrossi erzählt in seinem Buch „Herr Blunagalli hat kein Humor“ aus seinem anekdotenreichen Leben

Von Nina FinkernagelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nina Finkernagel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„In diesem Land schneit es nicht oft, und wenn, dann bin ich auf dem Weg zum Hauptbahnhof.“ Eine Fahrt mit der Deutschen Bahn liefert Angelo Colagrossis autobiografischem Anekdotenschatz die Rahmenhandlung, die jedem noch so geschickt konstruierten Drehbuch die Schau stiehlt. Und in dieses Erlebnis webt der Italiener einen Teil seiner Lebensgeschichte ein, seit er in Deutschland wohnt.

Der Drehbuchautor und Lebensgefährte von Hans-Peter Kerkeling spult die Filmrolle seines Lebens für die Leser zurück und lässt die Szenen in loser Reihenfolge ablaufen. Ein augenzwinkernder Erzählstil zeichnet Colagrossis Buch aus. Selbstironisch und humorvoll schreibt er von seinen Versuchen, die deutsche Sprache zu erlernen, die sich seinem südländisch-temperamentvollen Gestikulieren beim Sprechen zu beugen hat. Denn: „Italiener bleibt man ein Leben lang – auch, ohne eine Pizzeria aufzumachen.“

Dass Colagrossi Drehbuchautor ist, merkt man deutlich. Wenn er seine von Schneewehen vereitelte Bahnfahrt beschreibt, schildert er Mitfahrer und Situationen so bildhaft und einprägsam, dass sie wie Figuren und Szenen eines Filmes erscheinen und vor dem inneren Auge des Lesers lebendig werden.

Seine Vorliebe für das universal einsetzbare Schimpfwort „Altehackfresse“ scheint deutlich durch, und der Unterhaltungswert des gesamten Buches ist köstlich. Sein Untertitel ist demnach nicht Programm – auch wenn Heinz Schenk Colagrossis Humor durchaus infrage stellte, wie der Leser erfährt.

Viele Passagen sind mit Witz überzeichnet und Colagrossi flicht in sein Buch einige Ausschnitte der von ihm geschriebenen Drehbücher ein. Der Charakter der Filme, der in den Dialogausschnitten deutlich wird, lässt einen Rückschluss auf Colagrossis Humor zu, auf seine Art, die Menschen zum Beispiel durch ihre Sprechhaltung zu charakterisieren.

Ansonsten erfüllen die Drehbucheinsprengsel keine Funktion und sind daher etwas zu häufig vertreten. Auch wenn sie durchaus in direktem Bezug zu ihrem Autor stehen, der sich nicht davor scheut, einen seiner ersten Drehbuchversuche in deutscher Sprache – unredigiert – zu drucken. Häufig geht Colagrossi auf die Entstehungsgeschichte eines Drehbuches und Filmes ein.

So schreibt er zum Beispiel über den Film „Kein Pardon“, dass das Drehbuch in einer Villa von Beverly Hills entstanden ist. Der dortige Ausflug mit einer Luxuslimousine, dessen eigentliches Vorhaben es war, Gurken zu kaufen, endete in einer Schießerei. Als „Eierlegendefilmendewollmilchregiesau“ brachte Colagrossi nach eigenen Angaben die Low-Budget-Produktion „Alles wegen Paul“ in Indien über die Bühne.

Colagrossis Bahnfahrt wäre einen eigenen Film wert, dessen Unterhaltungsfaktor das ICE-Daumenkino am unteren Buchrand bei Weitem übertreffen würde.

Titelbild

Angelo Colagrossi: Herr Blunagalli hat kein Humor. Ein sprudelnder Italiener gefangen in Deutschland.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2009.
190 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783499625916

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch