Rainer Maria Rilke über Kunst und Künstler

Zu Rilkes „Schriften zur Literatur und Kunst“

Von Stefanie LeibetsederRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Leibetseder

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das im letzten Jahr bei Reclam im vertrauten gelben Kartoneinband erschienene Bändchen stellt eine Auswahl von Rainer Maria Rilkes Schriften zur Literatur und Kunst aus den Jahren 1897 bis 1919 dar, darunter so bekannte Texte wie Rilkes „Briefe an einen jungen Dichter“ aus den Jahren 1903-1908. Es wird begleitet von knappen Einführungen zu den betreffenden Texten und sachkundigen Kommentaren, die den biografischen und inhaltlichen Kontext zu Rilkes Leben und seiner Poetik erleuchten. Literaturhinweise zu seinen Werken und zur neueren Sekundärliteratur laden zur weitergehenden Beschäftigung mit diesem Autor ein. In den Text eingestreut sind acht Abbildungen von Gemälden von Fritz Overbeck und Otto Modersohn, von Skulpturen von Auguste Rodin und Gemälden von Paul Cézanne, denen Schlüsseltexte des Bandes gewidmet sind. Das Nachwort knüpft an Einführung und Kommentare an und vertieft sie zu einer Gesamtdarstellung der Entwicklung von Rilkes Poetik in den betreffenden Jahren. Besonders deutlich wird hierin herausgearbeitet, wie sehr Rilke sich in seinen Äußerungen über andere Künstler Rechenschaft über seine künstlerische Entwicklung ablegte und diese auch in das Werk ihm nahestehender Künstler hinein projizierte. Der Hinweis des Herausgebers im letzten Satz des Nachwortes, dass Rilke die Lektüre von Gedichten in jedem Fall kunsttheoretischen Äußerungen vorzog, stellt einen gelungenen Kontrapunkt der Hin- und Einführung zu Rilkes Schriften über Kunst und Literatur dar.

Es empfiehlt sich, zunächst das Nachwort zu lesen. So gut gerüstet kann man sich dann dem Vergnügen der Lektüre von Rilkes teils kurzen, teils längeren Essays widmen. Man braucht dieses geistige Gerüst, denn Rilkes Texte sprechen ganz unterschiedliche Aspekte des modernen Kunstschaffens an, sie reichen von Betrachtungen über „Moderne Lyrik“ (1898), den Wert des Monologes (1898), Thomas Manns „Buddenbrooks“ (1902) bis hin zu Rilkes Vortrag über Rodin (1905-1907) und seinen Betrachtungen über Cézanne (1907).

Am stärksten fallen hierbei jene Betrachtungen ins Gewicht, die Rilke ihm persönlich nahestehenden Künstlern gewidmet hat, so etwa den Worpswedern, zu denen seine Frau Clara Westhoff zählte, oder seine Ausführungen zu Rodin, dem er 1905 als Sekretär diente. So arbeitete er in den Werken der Worpsweder Maler, namentlich Otto Modersohn, vielleicht etwas einseitig, aber doch nicht ohne Grund, was deren Kolorit und Sujets anbetrifft, ihre besondere Nähe zu Jean-Baptiste Corot und Jean-Francois Millet und den Malern der Schule von Barbizon heraus.

Die Neuartigkeit von Rodins Meisterwerken betrachtet er hingegen vor dem Hintergrund von dessen Biografie als eine Synthese von „Inspiration“ und „Handwerk“. Er schildert eindringlich die für die Moderne in ihren Außenseitertum paradigmatischen Künstlerschicksale von Rodin und Cézanne. Einsamkeit, die Rilke in seinen „Briefen an einen jungen Dichter“ als für ihn lebensnotwendiges Gefühl zur inneren Sammlung beschreibt, und wiederholte Ablehnung durch das Publikum, können letztendlich weder Rodin noch Cézanne an der Erfüllung ihrer künstlerischen Mission hindern, die sie als eine innere Pflicht empfinden. Dies verbindet Rilke mit einer hellsichtigen Analyse ausgewählter Werke beider Künstler.

Steht bei Rodin die Beziehung zwischen Figur und sie umgebenden Raum im Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung, so bei Cézanne der komplizierte Arbeitsprozess des mehrschichtigen Herausarbeitens der Gegenstände auf der Leinwand aus dem dunkeln Grund, den Rilke einsichtig werden lässt. Seine elegant dahinfließende Prosa tut ein Übriges, um neben den Einsichten in Rilkes-Kunstansichten für gesteigertes Vergnügen nicht nur bei Rilke-Lesern zu sorgen, sondern auch jenen, die sich für die darin genannten Künstler interessieren. Der Band lädt daher nicht nur dazu ein, eine neue Seite am Werk Rilkes zu entdecken, sondern auch am Werk der behandelten Künstler.

Titelbild

Torsten Hoffmann (Hg.) / Rainer Maria Rilke: Schriften zur Literatur und Kunst.
Reclam Verlag, Ditzingen 2009.
254 Seiten, 6,40 EUR.
ISBN-13: 9783150186701

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch