Von den Anfängen der schriftlichen Überlieferung bis zur Zeit um 1620

Horst Brunner hat eine Neufassung der „Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit“ geschrieben

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der vorliegende Band aus Reclams Universal-Bibliothek ist eine Neufassung der „Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick“. Sie wurde durch eine Darstellung der Literaturgeschichte des 16. und frühen 17. Jahrhunderts erweitert und der Buchtitel entsprechend geändert.

Der Würzburger Germanist Horst Brunner begründet sein Vorgehen damit, dass die große Zäsur in der Geschichte der deutschen Literatur nicht in der Zeit um 1500 liegt, wo Historiker üblicherweise das Mittelalter enden lassen. Der Autor sieht dagegen die große Wende in der deutschen Dichtung mit Martin Opitz, dem Begründer der Schlesischen Dichterschule, im frühen 17. Jahrhundert und am Beginn des Barock-Zeitalters. Daher fügte er in dieser erweiterten Neuausgabe seinem Überblick über die Literatur des Mittelalters (von 1997) noch das 16. Jahrhundert hinzu.

Die Absicht des Buches ist es, einen konzentrierten und übersichtlichen Überblick über die Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen der schriftlichen Überlieferung um die Mitte des 8. Jahrhunderts bis zur Zeit um 1620 zu geben. Die reichlich 500 Seiten informieren über die wesentlichen Autoren, die wichtigsten Gattungen und Texte und die entscheidenden Entwicklungen in dieser riesigen Zeitepoche.

Eingeleitet wird Brunners Literaturgeschichte durch eine Darstellung der „Grundbedingungen und Grundprobleme der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit“. Hier macht der Autor vor allem auf das Problem der Textüberlieferung aufmerksam, denn anders als in der Neuzeit wurden mittelalterliche Texte ausschließlich handschriftlich überliefert. Der Buchdruck wurde erst um 1450 durch Johannes Gutenberg in Mainz erfunden.

Diese lückenhafte Überlieferung führte weiterhin zu Schwierigkeiten bei der Datierung und Lokalisierung. Außerdem entstanden in dieser Zeit in großem Umfang auch lateinische Texte, sowie religiöse und wissenschaftliche Abhandlungen, deren Einordnung in die mittelalterliche deutsche Literatur sich als problematisch erweist.

Der Autor unterteilt die fast neun Jahrhunderte umfassende Literaturgeschichte in vier Epochen, die jeweils mit einem kurzen historischen Überblick eingeleitet werden. Dabei setzt Brunner Schwerpunkte, so werden die verschiedenen Typen des Liedes und der Großepik ausführlich dargestellt. Außerdem werden in kleinen Aufsätzen spezielle Themen behandelt.

Die Epoche von etwa 1150 bis etwa 1350, die Glanzzeit der mittelalterlichen deutschen Literatur, bildet den Mittelpunkt dieser Literaturgeschichte. Besonderes Merkmal ist neben dem klaren Sprachausdruck die übersichtliche Darstellung, die durch Schautafeln und einige Abbildungen zusätzlich unterstrichen wird. Einige Notenbeispiele betonen zudem, dass man sich viele mittelalterliche Dichtungen als gesungene Texte vorzustellen hat.

Die „Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit“ ist ein materialreiches und solides Nachschlagewerk, das einen fundierten literarischen Überblick vermittelt und gleichzeitig eine Einführung in Kultur und Geschichte dieser Zeit bietet.

Das Buch eignet sich gut zum Selbststudium und ist daher vorrangig für Schüler und Studenten hervorragend gedacht, denn es ermöglicht eine rasche Orientierung. Aber selbst erfahrene Germanisten werden hier neue literaturhistorische Gesichtspunkte entdecken. Außerdem helfen zahlreiche Literaturhinweise in den einzelnen Kapiteln und eine allgemeine Auswahlbibliografie am Ende des Bandes bei der weiteren Vertiefung in die Materie.

Titelbild

Horst Brunner: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit im Überblick.
Reclam Verlag, Ditzingen 2010.
526 Seiten, 11,80 EUR.
ISBN-13: 9783150176801

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