Ein nicht versöhnter, aber altersmilder Autor

Über Peter O. Chotjewitz’ „Fast letzte Erzählungen 3“

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In „Fast letzte Erzählungen 3“ geht es wie in den beiden Vorgängerbänden um den gewöhnlichen Alltag. Trotzdem durchstreift der Autor mit seinen Texten die ganze Welt. Peter O. Chotjewitz, 1934 in Berlin geboren, studierte nach einer Malerlehre Jura und war in den 1970er-Jahren als Wahlverteidiger von Andreas Baader tätig. Inzwischen lebt Chotjewitz als freier Schriftsteller und Jurist in Stuttgart.

„Fast letzte Erzählungen 3“ versammelt ebenfalls Erinnerungen, Erzählungen, Kolumnen und verschiedene Mischformen davon. Die meisten dieser Texte sind bereits in Zeitungen und Zeitschriften erschienen, einige werden hier aber auch erstmals veröffentlicht.

Den Titeln mancher Prosatexte darf man allerdings wenig Glauben schenken. So geht es in „Die Schönheit des Vollmonds“ nicht um eine romantische Betrachtung des nächtlichen Erdtrabanten, sondern um die Erinnerung an eine gewisse Claire, die früher zwar einmal eine hoffnungsvolle Vollmondschönheit war, aber das ist nun schon fünfundvierzig Jahre her.

Ebenso wenig geht es in „Die Schillerbrezel“ um ein neues Rezept für die schwäbische Laugenbrezel, und in den acht Prosatexten „A la recherche du Rémy Martin I – VIII“ steht keineswegs die bekannte Cognacmarke im Mittelpunkt. Die Skizze „Denken ist Glückssache“ kommt zunächst als eine Lobeshymne auf Stuttgart daher, entpuppt sich dann aber als Gedankenspiel über Glück und Freiheit.

Einige der 35 kurzen Prosaminiaturen befassen sich mit der deutschen Teilung und dem Fall der Berliner Mauer 1989. Dabei kommt es Chotjewitz nicht auf politische Korrektheit an, er will vielmehr provozieren. Immer sind seine Texte jedoch auch von einer gewissen Nachdenklichkeit geprägt.

Für Chotjewitz ist Schreiben so etwas wie eine Art Daseinsbeschreibung. Er hegt vielfältigen Widerwillen, etwa gegen das Elitedenken. („Ich sehe ja ein, dass Leute, die gerne dazugehören würden, gerne Elite wären, aber es wäre ausreichend, ihnen einen entsprechenden Button ans Revers zu heften wie früher das Parteiabzeichen.“)

Peter O. Chotjewitz ist als ironischer Dichter und sarkastischer Querdenker unterwegs, als Anti-Held. Seine Texte sind Grenzgänge, in denen sich der Autor häufig politisch positioniert, gleichzeitig ist seine Prosa jedoch keine reine politische Meinungsäußerung. Sie ist vielmehr eine Mischung aus dialektischer Intelligenz und ernüchternder Poesie, aus Sprachwitz und Sprachverstand. Jenseits des Kulturbetriebes halten die Skizzen und Reflexionen für den Leser so manche Überraschung bereit – und zwar wundersame und lesenswerte Überraschungen.

Titelbild

Peter O. Chotjewitz: Fast letzte Erzählungen 3.
Verbrecher Verlag, Berlin 2010.
381 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783940426499

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