Unbegrenzte Fabulierlust

Über Heinrich Steinfests Kriminalroman „Ein dickes Fell“

Von Saskia SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Saskia Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist ein kurioser Kriminalroman, den Heinrich Steinfest mit „Ein dickes Fell“ vorlegt. Das dritte Buch um den Wiener Detektiv Cheng, der in den ersten beiden Folgen einen Arm, eine Frau, nicht aber seinen inkontinenten Hund verliert, handelt von einer katholischen Mutter, die zur Auftragskillerin wird, um ihrem behinderten Kind ein schönes Zuhause bieten zu können, von einem Archivar, der sich als Gott aufspielt und die Morde vermittelt, von einem Duftwässerchen, das vielleicht einen Golem aus Lehm zum Leben erwecken kann, von einem Schriftsteller mit einer Giftschlange im Hinterzimmer und einem Komponisten, der aus der Zukunft stammt und verzweifelt Zeitlöcher sucht, um aus der ihm steinzeitlich erscheinenden Gegenwart zu entkommen. Aber das war noch nicht alles.

Trotzdem, der Kriminalroman hat eine Handlung, vor allem aber auch Nebenhandlungen. Und am Ende wundert man sich, dass alles noch so irgendwie in Balance gehalten wurde, dass es tatsächlich ein stimmiges – weil schräges – Ende des Buches gibt, wenn auch nicht alle Fragen beantwortet werden und alle Geschichten einen Schluss finden. Dies wird dann im „Epilog für die, die immer alles genau wissen müssen“ auf fünf Seiten abgehandelt – zum Glück. Denn nach nahezu 600 Seiten voller Kapriolen, Nebenschauplätzen und Ausflügen ins Mysteriöse verdient es der Leser, wenigstens ein paar der Handlungsstränge aufgelöst zu wissen, die er – einer Achterbahnfahrt gleich – verfolgt hat. Für den Leser, der Abgründiges mag, der es mag, wenn ein Autor weniger stringent und dafür ausufernd erzählt, den es nicht stört, wenn plötzlich eine Figur ein Mensch aus der Zukunft ist oder Kölnisch Wasser einen Laib Brot dazu bringt, ekstatisch zu zucken – der sollte Heinrich Steinfest lesen. Er wird amüsiert werden, er wird lachen, er wird für Stunden erheitert sein. Wer hingegen „ernsthafte“ Kriminalromane vorzieht, die stark der Realität entlehnt sind (oder zumindest so wirken), dem sei von Heinrich Steinfest eher abgeraten. Aber eines muss man festhalten: Erzählen kann er allemal. Seine Fabulierlust ist unbegrenzt, ungehemmt und sehr, sehr unterhaltsam.

Titelbild

Heinrich Steinfest: Ein dickes Fell. Kriminalroman.
Piper Verlag, München 2006.
601 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-10: 3492271170
ISBN-13: 9783492271172

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