Antikenschmonz

Will Adams’ Thriller „Wächter des Labyrinths“ liest sich genau so, wie sein Titel klingt: kitschig

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Antike Schätze haben den enormen Vorteil, dass sie sehr alt sind und deshalb sehr sehr viel wert sein müssen, bestimmt. Wobei wir gelernt haben, dass Wert eine Frage von Angebot und Nachfrage ist. Wenig Angebot und viel Nachfrage bringt viel Wert. Hinzu kommt, dass antike Schätze mit antiken Erzählungen verbunden sind, und damit eine besondere Wertschätzung erfahren. Womit wir beim Thema Antikenthriller wären.

Die antiken Erzählungen dräuen sehr schön. Den Gegenstand kennt keiner so genau, die Ursprungsgeschichte selbst hat im Verlauf der Zeit zahlreiche Nach- und Umschreiber über sich ergehen lassen müssen, was die Suche nach diesem Schatz wie nach vielen anderen umso schwieriger macht. Das kennt man vom Heiligen Gral (Stein oder Kelch?) und vom Goldenen Vlies (Mottenfiffi in Gold?) oder von anderem mehr.

Dieses Mal gehts um Goldene Vlies, das sagenumwoben ist und das antike Helden wie Jason umgetrieben hat. Verschwunden ist es dennoch, die Suche danach ist zeitaufwendig und lässt Spielraum für Spekulationen, und die wiederum für neue Geschichten. Helden und Schurken treten in ihnen auf, antike und gegenwärtige.

In diesem Fall tritt ein von Will Adams schon über einige Romane gepflegter Archäologe auf, Daniel Knox, der mit seiner Lebensgefährtin und Kollegin Gaille zu einer Konferenz nach Athen gereist ist. Im Hotelzimmer eines Freundes findet er, mit einem Kollegen und dessen Frau vom Flughafen zurückkehrend, einen sterbenden Co-Referenten, der offensichtlich einem lange verborgenen Schatz (ja, das Goldene Vlies) auf der Spur war und auf der Konferenz seine Entdeckung feiern wollte. Der herbeigerufenene Polizist hat nichts Besseres zu tun, als der Gattin des Kollegen zu betatschen und deren Mann, als er eingreifen will, krankenhausreif zu prügeln. Zu allem Überfluss wird der geprügelte Archäologe auch noch bezichtigt, der Mörder zu sein. Womit dann die Handlung beginnt.

Um der Geschichte um die falsche Anschuldigung etwas mehr Substanz zu verschaffen, wird noch eine georgische Kriminellendynastie eingebaut, die sich das Goldene Vlies verschaffen will, um sich seriös, das heißt politisch zu machen. Das Geld aus den grauen Übergangszeiten muss ja irgendwann ehrlich werden. Dazu dient die politische Karriere des Dynasten (der natürlich ein Kinderschänder ist und brutal sowieso), und die soll dadurch befördert werden, dass er eines der mythischen Heiligtümer Georgiens heimholt, vulgo das Goldene Vlies. Wie das bei Gangsterdynastien eben so ist. Also nichts wie los.

Während der Archäologe Knox also versucht, das Geheimnis um den toten Kollegen zu lösen und seinen Freund von allem Verdacht reinzuwaschen, heften sich die georgischen Gangster auf seine Fährten und versuchen ihm abzujagen, was er leider überhaupt nicht hat. Das erinnert an ein Kinderspiel, in dem schönes Mädchen hinter einem Schornsteinfeger und Vater wie Mutter hinter dem schönen Mädchen her sind.

Garniert wird das Ganze mit pseudowissenschaftlichen Diskussionen, Argumentationsketten und Spekulationen über den Ursprung der athenischen Kultur, die Identität der mythischen Insel Atlantis und den Ort, an dem das Goldene Vlies verborgen ist. Da erklären sich die Fachgelehrten gegenseitig die Welt, sagen ,aha‘ und ,warum nicht‘, und am Ende hat einer von ihnen gefunden, was alle gesucht haben. Die Sensation ist da. Wunderbar, was will man mehr.

Damit Spannung und Entsetzen auch noch so groß wie möglich sind, wendet Adams zudem zwei Tricks an, die im Mystery- und Wissenschaftsthriller gang und gäbe sind: Cliffhanger und Extremgewalttäter.

Adams verbindet eine Reihe von Erzählsträngen miteinander, die eigentlich nicht besonders spektakulär vorgetragen sind. Damit sie erzählerisch wirken können, werden sie deshalb in kleine Häppchen geschnitten, und die Schnittstellen werden genau da gesetzt, wo sie besonders wirkungsvoll sein sollen: Held hängt an Klippe – was nun? Fortsetzung folgt.

In diesem Fall ist es etwa eine der Protagonistinnen, die von einer kläffenden Bestie angefallen wird – Schnitt – Fortsetzung einige Seiten später: Der ausgehungerte Hund wird kurz, bevor er die Frau erreicht, von einer Leine gestoppt, Aufatmen.

Dass das nicht selbstverständlich ist, macht Adams spätestens dann klar, als er eine seiner Hauptfiguren opfert: Das kann also jeden treffen, und ein Cliffhanger kann auch schon mal mit dem Sturz enden, und nicht mit der Rettung in letzter Sekunde.

Das Entsetzen wird hingegen von den hemmungslos gewaltbereiten Georgiern garantiert, die missbrauchen, entführen, vergewaltigen, foltern und morden, sich dabei jede Grausamkeit erlauben, die denkbar ist, und sich weit von jedem zivilisatorischen Standard entfernt haben. Wenn sie auf „normale“ Menschen treffen, ist klar, wer danach tot ist und wer überlebt.

Wenn da nicht der Herr Knox wäre, der alles seiner Auflösung und die Bösen ihrer gerechten Strafe zuführen wird. Das kann man sich denken, das ist erwartbar, und kein stilistischer Kunstgriff kann Adams’ Roman vor seiner Vorhersehbarkeit bewahren. Aber wenigstens ist er nicht teuer.

Titelbild

Will Adams: Wächter des Labyrinths. Thriller.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Andree Hesse.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2010.
474 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783499249402

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