Wundersame Höhen und Tiefen

Manu Larcenets grandiosem Comic „An vorderster Front“ folgt eine nur mäßig inspirierte „Legende von Robin Hood“

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit Comics ist das so eine Sache, viele nehmen sie nicht ganz ernst, manche glauben immer noch, diese seien nur für Kinder, Jugendliche oder infantile Erwachsene. Dass dies ein Trugschluss ist, sollte man langsam, aber sicher erkennen. Längst ist der Comic zu einem respektablen Bereich der Literatur geworden, was nicht nur an der künstlerischen und literarischen Qualität der Arbeiten liegt, sondern auch an der Art und Weise, wie man sich auch schwierigen Themen nähert.

Der Franzose Manu Larcenet etwa zeigte mit seinen Reihen „Der alltägliche Kampf“ und „Die Rückkehr aufs Land“, dass eine Verbindung von melancholischem Grundton und einem gehörigen Schuss Humor möglich ist und dabei bestens funktioniert. So ernst die Themen Larcenets auch sind – Depressionen, Angstzustände, Arbeitslosigkeit, Beziehungsunfähigkeit –, immer wieder schafft es der Autor mit einer hintergründigen Komik, diese zu durchbrechen. Weitaus schwieriger ist dies bei einem Thema wie dem Ersten Weltkrieg, dem sich Larcenet im zweiten Band seiner jüngsten Reihe „Die wundersamen Abenteuer“ widmet. „An vorderster Front“, in den Schützengräben, soll der Maler Vincent van Gogh – dessen Selbstmord nur vorgetäuscht war – den Krieg porträtieren, so will es die Armeeführung. Und sie möchte mittels der Bilder erfahren, wieso die Moral der Truppe immer weiter sinkt. Van Gogh wird ein General als Bewacher zur Seite gestellt, dem der Krieg jedoch nur aus Berichten bekannt ist und dessen ebenso idealistischer wie lächerlicher Patriotismus dabei auf eine harte Bewährungsprobe gestellt wird.

Larcenet stellt den bizarren Vorstellungen des Generals von heroischem Kampf düstere Bilder entgegen, die Farben sind dunkel, die Augen der Soldaten oft nur leere Höhlen, die Gesichter sind kaum zu erkennen. Der Himmel ist glutrot, orange oder tief blaugrau, der Kontrast ist hart. Die Bilder nach den Angriffen zeigen schonungslos zerstörte und zerschossene Gesichter, entstellte Fratzen, vom Giftgas Erblindete. Van Goghs Bilder, die er an die Heeresführung schickt, zeigen in kräftigen Farben das Elend und überaus metaphorisch die Aussichtslosigkeit des Mordens. Der Präsident beschließt angesichts der Bilder des Malers, dass dieser offensichtlich „im Wahnsinn versunken ist. Oder im Surrealismus. Was genau dasselbe ist“. Mit dieser Wendung schließt der Band, der einerseits verblüffend überzeugend die Schrecken des Krieges darstellt, dem es aber andererseits auch trefflich gelingt, in der Gegenüberstellung von van Gogh und dem General eine absurde Komik einfließen zu lassen – die aber nie fehl am Platze wirkt, sondern die Diskrepanz zwischen Vorstellung und Realität umso deutlicher werden lässt.

Nach dem absurden und abgedrehten Auftakt der Reihe mit „Hundejahre. Die wundersamen Abenteuer des Sigmund Freud“ ist Larcenet mit seiner eher ernsten Geschichte „An vorderster Front“ ein kleines Meisterwerk gelungen, das seinesgleichen sucht.

Leider kann er dieses Niveau im unlängst erschienenen dritten Band der Serie, „Die Legende von Robin Hood“, nicht annähernd halten. Die Geschichte des gealterten Robin Hood, eine Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit und der Alzheimer-Krankheit, ist geprägt von einem nur wenig subtilen Humor und einer äußerst dünnen Story: Robin Hood lebt nun im Teutoburger Wald und versucht immer noch, die Reichen zu bestehlen und den Armen zu geben – nur gelingt ihm das nicht immer, sein schwindendes Gedächtnis lässt ihn des Öfteren mal im Stich. Nur ein Schlag mit der Keule kann da Abhilfe schaffen. Auch der Sheriff von Nottingham jagt Robin Hood noch immer und heuert schließlich Tarzan an, um den Räuber hinter Schloss und Riegel zu bringen.

Das hört sich nicht nur krude an, sondern ist es auch. Ein paar nette Ideen – etwa dass Bruder Tuck jetzt Papst in Rom ist, eine Episode, die tatsächlich komisch ist – retten das Ganze leider nicht. Ein Gag folgt zäh dem anderen, das alles aber ohne größere Inspiration oder gar Tiefgang. Ernsthaftigkeit wird hier munter dem Klamauk geopfert, man fragt sich nur warum, denn das Thema hätte einiges hergegeben. Immerhin: die Zeichnungen bewegen sich auf dem gewohnten Niveau. Aber das ist nach dem grandiosen van-Gogh-Band einfach zu wenig. So kann man nur hoffen, dass Larcenet bald wieder zu alter Stärke zurückfindet. Dass er es kann, hat er längst bewiesen.

Titelbild

Manu Larcenet: Die wundersamen Abenteuer des Vincent van Gogh. An vorderster Front.
Übersetzt aus dem Französischen von Bea Klünder.
Reprodukt Verlag, Berlin 2008.
48 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783938511947

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Manu Larcenet: Die Legende von Robin Hood.
Übersetzt aus dem Französischen von Kai Wilksen.
Reprodukt Verlag, Berlin 2010.
48 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783941099371

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