Lebenshilfe und Philosophie mit dem Holzhammer

Zu Gerald Hörhans „Investment Punk“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das kleine Büchlein von Gerald Hörhan ist ebenso unterhaltsam wie die Buchpräsentationen des Autors in verschiedenen Talkshows. Er stellt unterhaltsame Thesen auf, die sich über das Verhalten der Mittelschicht lustig machen. Dieser Spott gilt vor allem deren unrationalen Verhalten den eigenen Finanzen gegenüber. Dabei setzt Hörhan axiomatisch die individuelle finanzielle Unabhängigkeit mit individueller Freiheit gleich. Woraus er folgerichtig ableitet, dass die bürgerliche Mittelschicht in einer selbst verschuldeten finanziellen Unmündigkeit – und damit persönlichen Unfreiheit – verharrt. Dieser zutiefst aufklärerische Grundsatz liegt der ganzen Darstellung zugrunde. Den Begriff „Punk“ – vor allem in Bezug auf „Investment“ – nutzt er plakativ für den Vorgang des „unkonventionellen und vorurteilsfreien Denkens“. Bei Hörhans beziehen sich somit die nicht in den Denkbahnen des Mittelstands verlaufenden Denkstrategien auf das Thema „Investment“. Dieses nonkonformistische Denken dient zur Prüfung der Investmentstrategien des Mittelstandes auf ihre ökonomische und wirtschaftliche Tauglichkeit. Diesen „Test“ bestehen die Finanzierungsstrategien nicht – zumindest nicht unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und unter der vorgegebenen Maxime, möglichst viel Geld zu erwerben um damit aus Hörhans Sicht die individuelle Freiheit sicherzustellen. Erfreulich ist dabei, dass Hörhan sein Investmentmodell vorstellt und damit nachvollziehbar macht.

Zunächst sind die Gedankenspiele des Autors bestechend. Man möchte sofort die mit Hilfe des Buches gelernten Strategien umsetzen – und man ist damit natürlich auch zu einem eigenen längeren Gedankenspiel aufgefordert. Dabei beschleicht einen das Gefühl, irgendetwas aus dem Blick verloren zu haben. Und das hat man auch – ebenso wie Hörhan. Persönliche Freiheit, persönliches Glück lässt sich weder im Mittelstand noch bei den Punks wie eine Rechenaufgabe lösen. Zu den finanziellen Rahmenbedingungen gehören eben auch die emotionalen, irrationalen und oft auch autosuggestiven Bestandteile des Lebens und des Individuums. Und oft sind diese Bereiche wesentlich wichtiger für persönliche Freiheit und individuelles Glück. So dass letztendlich die Frage bleibt, ob die Definition von individueller Freiheit mechanistisch an der Verfügbarkeit von ausreichenden finanziellen Ressourcen festgemacht werden kann. Dass die Strategie des Investment-Punks nach Hörhan sich nur für eine kleine gesellschaftliche Gruppe rechnen kann und eben kein umfassendes, alternatives Denk- und Lebensmodell für den bürgerlichen Mittelstand ist, sei nur nebenbei erwähnt. Es ist also eben kein anderes Modell für individuelle Freiheit – und insofern bleibt das Buch letztendlich doch nur ein Spottpamphlet. Zwar ein unterhaltsames, aber keines, das ein zum Weiterdenken geeignetes Denkmodell vorstellt.

Ein seltsamer Beigeschmack, die Adaption des Begriffes „Punk“ für diese Denkfigur betreffend, bleibt. Denn so, wie Hörhan seine Ausflüge in die Welt des Punk beschreibt – eine alte Lederjacke umhängen, das Outfit wechseln und auf ein Punk-Konzert gehen – ist dies lediglich eine touristische Attitüde, um einmal nachzusehen, ob die eigene Vergangenheit noch existiert und nostalgisch goutierbar ist. Trotzdem merkt man ihm an, dass ihm gerade Punk über die Attitüde hinaus auf der emotionalen Ebene etwas bedeutet. Und wenn man seine Vorgabe mit der persönlichen Freiheit richtig versteht, wäre es eine folgerichtige Geste, gerade in seinem Geschäft des „Investment“ in der „Uniform“ aufzutreten, die seine Denkfigur am besten illustrieren würde und gleichzeitig auch seinem Wunsch nach persönlicher Freiheit Ausdruck verleihen könnte: hinter seinem Investment-Schreibtisch mit Irokesenschnitt und einem mit Nieten beschlagenen Halsband und verratzter Lederjacke zu sitzen – das wäre authentisch, das wäre ein Investment-Punk, der sich nicht verstellen muss und der überraschen würde.

Titelbild

Gerald Hörhan: Investment Punk. Warum ihr schuftet, aber wir reich werden.
edition a, Wien 2010.
189 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783990010082

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