Nur eine bessere Art von Werbung

Zu einigen Kinder- und Jugendbuchreihen finden sich eigene Websites im Netz. Was sagen die Marketingexperten der Verlage dazu? Und was die Kinder?

Von Katharina SimonyiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katharina Simonyi und Nora Janine StruppRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nora Janine Strupp

„Was macht ihr denn hier?“ Misstrauisch, aber nicht unfreundlich empfangen uns die Erst- und Zweitklässler der Grundschule Niederstotzingen, als wir ihr Klassenzimmer betreten. Wir sind gekommen, um die sechs bis sieben Jahre alten Kinder nach ihrer Meinung und ihrem Rat zu fragen. Schließlich weiß niemand besser als sie, wie eine Bücherwebsite aussehen muss, um Kinder zu interessieren. Und schließlich werden die Budgets der Marketingabteilungen in Kinder- und Jugendbuchverlagen, um ihr junges Publikum direkt im Internet anzusprechen, immer größer. Schnell wird klar: Dieser Freitagmorgen soll sich zu einer Achterbahn der Gefühle entwickeln – von Begeisterung über Verwirrung bis hin zu unglaublichem Staunen und großer Enttäuschung ist alles dabei.

Schnell sind die 54 Schüler aufgetaut, und bei der Frage nach ihren Lieblingsbüchern sind sie nicht mehr zu bremsen: „Alles über Fußball“, „Hexe Lilli“, „Nur Pferdebücher“ oder „Gute-Nacht-Geschichten“ sind die lautesten Antworten. Schaut man in die Bestsellerlisten des Segments, sind auch Titel wie „Prinzessin Lillifee“, „Meerjungfrau Emily“ und „Warrior Cats“ nicht mehr aus deutschen Kinder- und Jugendzimmern wegzudenken. Genauso wenig wie aus dem Internet, wo diese Bücher mit eigenen Websites beworben werden.

Das Internet nutzen die Jungen und Mädchen aus Niederstotzingen vor allem für Lern- und Unterhaltungsspiele und zum Musikhören. Die Informationsvielfalt des Netzes nutzen sie nicht. Sie kennen sie noch nicht einmal. Dafür kennen sie „Prinzessin Lillifee“ von Monika Finsterbusch. Zumindest alle Mädchen heben bei dem Stichwort spontan die Hände, die Jungen schauen unterdessen etwas verächtlich vor sich hin. Nach dem Hinweis, dass sie das Buch nicht mögen müssen, um es zu kennen, gehen auch ihre Hände nach oben, während ihre Blicke beschämt nach unten wandern. Es ist das einzige Buch, das ausnahmslos jedes der 54 befragten Kinder kennt. Doch ist ihnen wirklich das Buch geläufig oder nur die omnipräsente Marke, die uns ja nicht nur in der Buchhandlung begegnet, sondern auch in Bekleidungsgeschäften, Lebensmittel- und Schreibwarenläden? Bei der Frage nach der Bekanntheit von Liz Kesslers „Meerjungfrau Emily“ bleibt ein ähnlicher Begeisterungssturm aus, was auch daran liegen mag, dass sich dieses Buch eher an etwas ältere Kinder wendet.

Dass es für die beiden Bücherheldinnen eigene Websites gibt, erstaunt nicht nur die Schüler, sondern auch die meisten Lehrer. Können Kinder, die sich noch schwer tun, selbst Bücher zu lesen, die Texte solcher Internetseiten überhaupt schon lesen und verstehen? Gwendolin Snethlage, bei den S. Fischer Verlagen für das Marketing im Bereich Kinder- und Jugendbuch zuständig, sieht das berechtigterweise sehr kritisch.

Kritisch sehen sich auch die Kinder in Niederstotzingen die Website für Prinzessin Lillifee an. „Die bewegt sich ja“, stellt ein Kind fest. „Da kommt was aus ihrem Stab“, meint ein anderes. Das sind auch schon die positivsten Reaktionen. Selbst die Mädchen können dieser Seite nicht viel abgewinnen. Als Tim sich schließlich dazu durchringt zu sagen, dass er die Seite „ein bisschen schön“ findet, wird er auf der Stelle vom genervten Aufstöhnen seiner Freunde unterbrochen, die sofort die männliche Ehre wiederherzustellen versuchen und deutlich machen, dass so eine Seite nichts für Jungen sei.

Nach einem ersten Blick auf die Website für Meerjungfrau Emily hingegen geht ein aufgeregtes Flüstern durch die Reihen, begleitet von anerkennender Gestik und Mimik. Selbst die Jungen aus der Klasse können gänzlich unbefangen ihre Meinung sagen, ohne von den anderen Mitschülern ausgelacht zu werden. Besondere Begeisterung lösen die „Blubberblasen“ und die umherflitzenden Fische am unteren Ende der Website aus. Auch die „vielen schönen Farben“ und die großen Abbildungen begeistern die Kinder. So unterschiedlich wie die Reaktionen der Kinder auf die Seiten sind, so verschieden sind auch die Websites an sich – oder etwa doch nicht?

Auch wenn unsere Grundschüler von der Website für Prinzessin Lillifee nicht übermäßig begeistert waren: Der Online-Auftritt ist zu allererst als „Kontaktpunkt zu den jungen Lesern“ gedacht, wie Steven Hensel erklärt, Online-Redakteur des Coppenrath Verlags. Etwas anders sieht es bei der Website zu Meerjungfrau Emily aus: Gwendolin Snethlage von S. Fischer betont, dass bei ihnen nicht nur der Kontakt der jungen Leser zum Verlag, sondern auch die Kommunikation zwischen den Emily-Fans gefördert werden solle. Die Website der „Warrior Cats“ hat sogar ihren Schwerpunkt auf den Austausch zwischen den Jugendlichen gelegt: Die Verlagsgruppe Beltz habe damit „eine Plattform geschaffen, über die sich die Community austauschen kann“, erklärt Andreas Horn, Marketing- und Vertriebsleiter im Bereich Kinder- und Jugendbücher. Zusätzlich hat der Verlag Umfragen zu verschiedenen Themen online gestellt, wodurch der Verlag die Nutzer und diese sich wiederum gegenseitig kennenlernen können.

Wer genau sind eigentlich die Nutzer solcher Seiten? Die Umfrage auf der Website der „Warrior Cats“ zeigt ein deutliches Ergebnis: Die meisten Nutzer der Plattform sind Jugendliche zwischen elf und fünfzehn Jahren. Meerjungfrau Emily hat als Zielgruppe Mädchen ab 10 Jahren, die auch schon selbstständig das Internet erkunden. Und die Besucher der Prinzessin-Lillifee-Website sind Online-Redakteur Steven Hensel zufolge hauptsächlich „junge Mädchen im Alter von drei bis neun Jahren und ihre Mütter“.

So verschieden, wie sie auf den ersten Blick wirken, sind die Seiten bei genauerem Hinsehen dann doch nicht: Bei allen ist allein die Popularität und der Erfolg der Buchreihe oder der einzelnen Figuren ausschlaggebend für eine Digitalisierung. Notwendig sei das Erstellen von Websites nicht, stellt Andreas Horn vom Beltz-Verlag klar. Allerdings sei es „eine bessere Form der Werbung“, wie Gwendolin Snethlage von S. Fischer ergänzt. Um dieses Werbemittel besonders anziehend zu gestalten, arbeiten die Verlage mit externen Agenturen zusammen, auch was die weitere Pflege und den inhaltlichen Aspekt betrifft. Dabei kann es durchaus zehn bis zwölf Monate dauern, bis eine solche Website entwickelt und gestaltet ist. Ihr vorrangiges Ziel ist es, den Verkauf und den Bekanntheitsgrad der Bücher zu steigern, auch wenn man zurzeit keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Betrieb einer solchen Website und dem Verkaufserfolg des Buches erkennen kann.

Über die Zukunft dieser Werbeform sind sich die Marketing-Experten Andreas Horn und Gwendolin Snethlage uneins: Für Andreas Horn müssen es „relativ starke Themen sein und auch Themen, die auch längere Zeit sozusagen von Interesse sind“, um das Marketing-Instrument Website zu wählen. Gwendolin Snethlage jedoch ist der Ansicht, dass künftig auch schon die Einführung einzelner Titel auf dem Buchmarkt mit eigenen Websites flankiert werden kann, vor allem bei der Zielgruppe der Leser ab 16 Jahren. Dass solche Websites eine Zukunft haben, darin sind sich die beiden einig.

Damit Andreas Horn und Gwendolin Snethlage auch Recht behalten werden, hier ein paar Tipps von den kleinen, zukünftigen Nutzern aus Niederstotzingen: Große Bilder, animierte Figuren, mit denen sich die Kinder identifizieren, Naturbilder und große, gut lesbare Schlagwörter zum Inhalt des Buches dürfen auf Kinderbuch-Websites auf keinen Fall fehlen. Autorenporträts hingegen, da waren sich die Kinder einig, sind entbehrlich.