Mehr als „Zwei Planeten“

Kurd Laßwitz hat ein berühmtes Buch geschrieben, hat aber mehr vorzuweisen als den frühen Science Fiction „Auf zwei Planeten“. Eine illustrierte Bibliografie verschafft den Überblick

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kurd Laßwitz (1848-1910) hat in einem breiten Leserkreis durch den 1897 erschienenen Science Fiction „Auf zwei Planeten“ einen gewissen Bekanntheitsgrad behalten. Verlage wie Heyne, der lange Zeit ein erfolgreiches Science Fiction-Programm gepflegt hat, oder Zweitausendeins, der Laßwitz Roman in hoher Auflage verbreitete, haben das Ihre dazu beigetragen. Als einer der Väter der deutschen Science Fiction, als deutscher Jules Verne wird er in der Szene immer wieder gepriesen. Und „Auf zwei Planeten“, der den Besuch der Marsianer auf der Erde und den Gegenbesuch der Erdbewohner und die Begegnung zweier sich völlig fremder Zivilisationen schildert, hat das Lob, das damit verbunden ist, in der Tat verdient.

Im Unterschied zum zweiten bekannten frühen deutschen Science Fiction-Autor, Hans Dominik, weist Laßwitz’ Roman keine chauvinistischen, rassistischen oder antisemitischen Züge auf, Laßwitz hat sich nicht mit einem Regime eingelassen, das derart inhumane Züge aufweist wie der deutsche Nationalsozialismus, und auch sonst zeichnet er sich eher durch Problematisierungen aus, die uns äußerst modern vorkommen, als dass er den Untergang des Abendlandes oder den Sieg deutschen Wesens propagieren würde.

Stattdessen nimmt er die Sorgen der Ökobewegung des späten 20. Jahrhunderts vorweg, und auch den Zusammenprall zweier Zivilisationen ist ihm einiges an Problematisierung wert. So kommt es den Marsbewohnern einigermaßen merkwürdig vor, dass die Erdenbewohner ihre Kohlevorräte rückhaltlos verbrauchen, statt auf erneuerbare Energien zu setzen.

Freilich ist das einzuordnen in eine Denkhaltung, die mit der Moderne einerseits und den Erkenntnissen der modernen Soziologie und Ethnologie andererseits eng verbunden ist: Die eigene Gesellschaft ist ihr nicht selbstverständlich und vor allem nicht per se überlegen, sondern bedarf der historisierenden Befragung. Sie ist nicht ewig und unberührbar, sondern aus ihren besonderen Bedingungen entstanden, die zu einigen mindestens merkwürdigen Eigenheiten geführt haben. Aus der Distanz des Fremden ist jede Gesellschaft eine spaßige Erscheinung.

Aus Anlass des 100. Todestags des Autors hat der Verlag Dieter von Reeken eine illustrierte Bibliografie des Werks Kurd Laßwitz’ publiziert, die von Rudi Schweikert zusammengestellt wurde, der bereits an früheren Laßwitz-Ausgaben beteiligt war. Der Verlag hat sich eine Gesamtausgabe der Werke von Laßwitz aufs Panier geschrieben, die als „Kollektion Laßwitz“ firmiert, in der auch die hier anzuzeigende Bibliografie publiziert wird.

Die Bibliografie umfasst einen chronologischen und einen systematischen Teil. Hinzu kommt ein umfangreicher Abbildungsteil, in dem die Umschläge und Einbände der Laßwitz-Publikationen und einige Dokumente und Druckvarianten präsentiert werden. Titel wie „Auf zwei Planeten“ (1897), „Wirklichkeiten“ (1900), „Aspira“ (1905), „Homchen“ (1902), „Traumkristalle“ (1902) und „Sternentau“ (1902) dominieren den Abbildungsteil, wobei die Umschläge sich auffallend in die gängigen Muster der Buchgestaltung ihrer Zeit einreihen.

Lediglich die Gestaltung einer Teilauflage aus dem Jahr 1897 ragt ein wenig hervor und verweist auf die Gestaltungskonzepte, die sich in den 1950er-Jahren durchsetzen. Hier fliegen die Raumschiffe kustig zwischen den Planeten umher, und die Fantasie kann sich ein bisschen Bildfutter geben.

Ansonsten hat Laßwitz das Pech, dass sein Erfolg dann eben doch nicht an den von Karl May heranreicht, was eben auch die Aufmerksamkeit der Buchgestalter auf sich gezogen hätte. Dass Laßwitz – bei allem Respekt – nun bei einem Lüneburger Kleinverlag gelandet ist, der sich der Pflege des Autors verschrieben hat, zeigt nur ein weiteres Mal, wie sehr Erfolg und Pflege voneinander abhängen.

Das aber nun soll beiden – Laßwitz und seinem heutigen Verleger – nicht zum Nachteil gereichen, und so sei auf das Verzeichnis der „Kollektion Laßwitz“, mit der der Band abschließt, mit Nachdruck verwiesen.

Dass ihn der Verleger weniger als Vater der deutschen Science Fiction sieht und auch den Vergleich mit Jules Verne abweist, ist freilich weniger dem Versuch geschuldet, den Gymnasialprofessor Laßwitz aus der Science Fiction-Ecke zu befreien, als auf die Breite seines Werks zu verweisen. Nicht Jules Verne, sondern Hans Christian Andersen sei die geeignete Referenz, meint Dirk von Reeken, und Laßwitz sei weniger der Autor von Zukunftsromanen als von Märchen. Und er lädt zur Wiederentdeckung des Naturwissenschaftlers, Philosophen und Schriftstellers Laßwitz ein. Der Einladung kann immerhin gefolgt werden, liegen große Teile des Werks doch in der neuen Edition vor.

Titelbild

Rudi Schweikert: Kurd Laßwitz. Eine illustrierte Bibliografie seiner Werke.
Verlag Dieter von Reeken, Lüneburg 2010.
279 Seiten, 35,00 EUR.
ISBN-13: 9783940679390

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