Anregungen zur Berliner Republik

Denkanstöße zur Lage der Nation

Von Julia SchöllRSS-Newsfeed neuer Artikel von Julia Schöll

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Deutschland bewegt sich, es "ruckt" sogar, wie die Autoren des vorliegenden Bandes in Anlehnung an Herzogs Rede aus dem Jahr 1997 behaupten. Doch wohin geht der Ruck? Wohin bewegt sich die neue Berliner Republik?

Daniel Dettling hat 35 junge Wissenschaftler, Journalisten und Politiker im Projekt "BerlinPolis" um sich versammelt, um die Entwicklungen der Berliner Republik zu analysieren, zu prognostizieren und zu kritisieren. Die Autoren wollen Denkanstöße geben und Alternativen zur herrschenden (Macht-) Politik aufzeigen. Drei Themenkreise werden in den Aufsätzen dieses Bandes gezogen: Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Von den Versäumnissen der Bonner Republik bis BSE, von der DDR-Vergangenheit bis zur Bildung für das 21. Jahrhundert reicht die Themenpalette. Was kommt nach dem Rheinischen Kapitalismus? Was kommt nach der Krise des Sozialsystems und der Vollbeschäftigung? Was kommt nach den europäischen Nationalstaaten und der Globalisierung? - Das sind die Fragen für morgen, die sich die jungen politischen Denker heute vornehmen. Und ihre Antworten sind durchaus vielfältig.

Peter Häusler zum Beispiel plädiert für mehr Plebiszite und den Einsatz neuer Medien, um die Bürger der Berliner Republik aus ihrer Politikverdrossenheit zu locken. Jan Schmidt untersucht in seinem Beitrag die ökonomischen, ökologischen und kulturellen Veränderungen in den "Global Cities", die nur noch nach den Prinzipien der Profitabilität und Funktionalität zu funktionieren scheinen. Er warnt besonders vor den sozialen Rand- und Nebenwirkungen der städtischen Globalisierung, die nicht mehr allein auf kommunaler Ebene lösbar sind. Lars Castellucci macht sich Gedanken über die Zukunft des Sozialstaates, der nur mit einer flexibleren und dezentralen Sozialpolitik weiter seine Aufgaben erfüllen kann. In seinen Augen müssen lokale Antworten auf die gesamtgesellschaftlichen Probleme gefunden werden, ohne dabei den Bund aus der Verantwortung zu entlassen. Und Jörg Tremmel stellt in seinem Aufsatz Deutschlands wachsenden Einwanderungsbedarf seiner mangelnden Integrationsfähigkeit gegenüber. Er fordert ein modernes Einwanderungsgesetz, das dem Staate nützliche Ausländer gezielt ins Land holt, und auf der anderen Seite den Wegfall der individuellen Einklagbarkeit des Asylrechts, die in dieser Form nur in Deutschland existiere. Asyl wieder als Gnadengesuch?

Durchaus brisante und strittige Fragen werden hier diskutiert und dies in vielfältiger, gelegentlich kontroverser Weise. Die Autoren propagieren weder Patentrezepte noch legen sie ausgereifte Konzepte vor. Vielmehr bieten die erfrischend kurzen Aufsätze dieser Sammlung kreative Denkanstöße und innovative Blicke über den Tellerrand der Republik. Eine kritische und wenig ideologische Ideenwerkstatt tut sich hier auf, der so mancher Herrschende - völlig unverbindlich - einige gute Tipps entnehmen könnte.

Titelbild

Daniel Dettling (Hg.): Deutschland ruckt! ! Die junge Republik zwischen Brüssel, Berlin und Budapest.
Edition Berliner Republik A.Sellner P.O.D.Print, Frankfurt 2000.
210 Seiten, 12,70 EUR.
ISBN-10: 3934429165

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch