Kunst der Fotografie

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden bekennen sich zu ihrer Fotografiesammlung

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Debatte um den Kunstcharakter der Fotografie hält nun bereits seit mehr als 100 Jahren an und scheint immer noch nicht abgeschlossen zu sein. Anders ist jedenfalls nicht zu erklären, dass Freddy Langer in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 21. März des Jahres eine Lanze für das Genre glaubte brechen zu müssen. Anlass: Das Frankfurter Städel kauft die Fotografiesammlung von Uta und Wilfried Wiegand (einem ehemaligen Kollegen Langers) an und gliedert sie – ausdrücklich gleichberechtigt – in seine Sammlung ein. Auch im Auktionsgewerbe ist die Fotografie noch eine junge Kunstform, widmen doch längst nicht alle Häuser der Fotografie eigene Auktionen. In den Museen ein ähnliches Bild, auch wenn eine Reihe von Häuser mittlerweile ihren Bestand in ansehnlichen Katalogen präsentiert haben und sich – in welchem Bereich auch immer – durch eine intensive Sammeltätigkeit auszeichnen.

Der nun mit einer Ausstellung vorgelegte Bestandskatalog der Fotografiesammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zeugt freilich gleichfalls von der immer noch minoritären Rolle der Fotografie und von dem Glauben, sie immer noch durchsetzen zu müssen. Zwar haben die Katalogverantwortlichen vor allem eine historische Wende in der Fotografie vor Augen gehabt, als sie als Titel das Kompositum „KunstFotografie“ wählten. Nämlich die Durchsetzung der Kunstform Fotografie um 1900 durch die künstlerische Fotografie von enthusiasmierten Laien und Dilettanten gegen die professionelle Atelierfotografie. Das ist lang her und weit entfernt von den heutigen Diskussionen, zumal der Katalog die Sammlungsbestände aus den Jahren 1839 bis 1945 präsentiert. Und dennoch, die aktuellen Bezüge sind offensichtlich. Fotografie = Kunst?

Nach der Adaption der Bewegungsstudien Eadweard Muybridges aus den 1880er-Jahren durch Marcel Duchamps „Akt, eine Treppe hinabsteigend“ (1912) sollte diese Frage längst hinfällig sein. Und die Fotografie selbst hat darauf schon lange passende Antworten gegeben. Aber das nur beiseite gesprochen, denn die Sammlung, die das Dresdner Haus jetzt präsentiert, spricht vor allem für sich selbst.

Frühestes Dokument der Sammlung ist eine fotogenische Zeichnung aus dem Jahr 1839. Die Sammlung wurde zwar im späten 19. Jahrhundert in den Staatlichen Kunstsammlungen, also in einem Kunstmuseum begründet, bis um 1900 hatte die Fotografie jedoch vor allem dienende Funktion, wie Agnes Matthias in ihrem Beitrag über die Geschichte der Sammlung betont. Max Lehrs, seit 1896 Leiter des Dresdner Kupferstichkabinetts, ließ sich allerdings von der aufkommenden Kunstfotografiebewegung, eine Bewegung von Dilettanten und Amateuren, und deren Erfolg dazu motivieren, eine eigene Sammlung künstlerischer Fotografien anzulegen. Er orientierte sich dabei am Vorbild der Hamburger Kunsthalle, die sich bereits früh mit Ausstellungen der neuen Fotografiekunst an die Öffentlichkeit gewagt hatte. Bis in die 1920er-Jahre reicht die Sammlungstätigkeit Max Lehrs, der 1923 seine Position an Kurt Zoege von Manteuffel weitergab, der sich allerdings vorwiegend auf die lokalen Dresdner Protagonisten konzentrierte. Die neue Fotografie der 1920er-Jahre ist entsprechend dünn in der Sammlung repräsentiert. Schlimmer aber noch, wie die Herausgeber berichten, stellte das Museum 1940 seine Sammeltätigkeit für mehr als anderthalb Jahrzehnte ein. Die Fotografie fand in dieser Zeit für Dresden als Gegenstand der Kunstsammlung keinen Platz. Erst in den 1970er-Jahren begann das Museum erneut, Fotografie zu sammeln und baute auf dem alten Sammlungsstock auf.

Nun kann man bedauern, dass die frühen Anfänge in Dresden in keine durchgängige Kontinuität mündeten. Vielleicht ist gerade das ein Hinweis auf die umstrittene Position der Fotografie. Aber diese vermeintliche Schwäche (die Schwäche nur dann ist, wenn man von einer Sammlung erwartet, dass sie alle Repräsentanten des jeweiligen historischen Standards vorzuweisen hat) erweist sich bei näherem Hinsehen eben dann doch als Ausdruck eines eigenen Profils, das der Austauschbarkeit der Sammlung entgegensteht.

Dass Lehr im Vergleich zu seinem Nachfolger deutlich besser dasteht, hat eben auch mit seiner Vorreiterrolle zu tun. Unter seiner Leitung kamen zahlreiche Konvolute an das Museum nach Dresden, die noch heute die Sammlung prägen. Die Sammlung aus den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, ja selbst aus der Frühgeschichte der Fotografie erscheint geschlossener als das, was aus den späteren Jahren vorhanden ist.

Aber es gibt sie dennoch, die Großen aus der Zeit der Weimarer Republik: August Sander, Man Ray, László Moholy-Nagy, Albert Renger-Patzsch, Alexander Rodtschenko oder El Lissitzky. Und auch die weniger bekannten Namen sind in der Sammlung präsent: Hajo Rose, Marianne Brandt oder Anton Stankowski (dessen Stern erst nach dem Krieg aufgehen würde).

Aber sie sind seltener und manchmal scheint es, als ob ihre Präsenz Alibi-Funktion hätte. Dennoch: Sie sind da und machen dadurch klar, dass man natürlich alles hätte sammeln können – aber das hat man eben nicht getan.

Der Band selber nun weist sich nicht nur mit seine knappen Katalogtexten aus, die sich mit gebotener Zurückhaltung auf die Beschreibung der Sammlungsgeschichte und ihrer Abschnitte konzentriert. Die herausgestellten Exempel aus der Sammlung werden wohltuend unspektakulär präsentiert, ein Band, in dem es sich angenehm blättern lässt. Wer sich darüber hinaus über den Gesamtbestand bis 1945 informieren will, den erwartet im zweiten Teil der Katalog, der jedes einzelne Blatt – im Alphabet der Fotografen – aufführt, mit Titel versieht, beschreibt, die Provenienz benennt und auf Ausstellungen und Publikationen verweist. Kurz gesagt: Der Katalog erst zeigt das Profil in seiner ganzen Schärfe.

Titelbild

Agnes Matthias: KunstFotografie. Katalog der Fotografien von 1839 bis 1945 aus der Sammlung des Dresdner Kupferstich-Kabinetts.
Deutscher Kunstverlag, München 2010.
352 Seiten, 48,00 EUR.
ISBN-13: 9783422070523

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch