Die Unbehaustheit der ortlosen Autorin

Simone Frieling stellt in „Im Zimmer meines Lebens“ biografische Essays zu zehn Literatinnen vor

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Drei Dinge braucht der Mann“, warb vor Zeiten die Tabak-Industrie: Feuer, Pfeife – und eben den Tabak einer bestimmten Marke. Frauen benötigen hingegen vor allem eines: „Ein Zimmer für sich allein“, wie in aufgeklärten Kreisen seit dem gleichnamigen Essay von Virginia Woolf wohlbekannt ist. Und zwar benötigen sie es insbesondere dann, wenn sie, wie Woolf selbst, schreiben. Die Überschrift des Essays regte vermutlich eine andere Autorin zum Titel eines Gedichtes an: „Das Zimmer meines Lebens“. Und der wiederum gab der Essaysammlung den Namen, von der im Folgenden die Rede sein soll. Unter dem Aspekt der Räumlichkeiten, in denen sie schrieben, stellt Simone Frieling zehn Autorinnen und ihre Arbeiten vor. „Im Mittelpunkt steht dabei die Bemühung, die allem erst den Boden bereitet: der Kampf ums eigene Zimmer, die Suche nach dem Platz zum Schreiben, dem Raum der Kreativität.“

Sollte – wie zu vermuten – die Absicht des Bandes darin liegen, das Interesse der Lesenden an Werken ihnen bislang unbekannter Schriftstellerinnen zu wecken, so dürfte es diesen Zweck ohne weiteres erfüllen. Wer sich jedoch mit den Literatinnen schon etwas näher befasst hat, wird wohl wenig Neues erfahren.

Von den zehn Autorinnen – und das sticht als erstes ins Auge – sind mit Silvia Plath, Anne Sexton, Virginia Woolf und Marina Zwetajewa fast die Hälfte Suizidantinnen. Letztere trat mit Hilfe eines von Boris Pasternak geschenkten Koffergürtels aus einem Leben, durch das sich die „in einem weitläufigen Holzhaus mit Seitenflügeln aufgewachsene“ Autorin geradezu von Tag zu Tag hungern musste.

Neben den bereits genannten Autorinnen stellt Frieling Elisabeth Langgässer, Gertrude Stein und Kate Millet vor, die einst als feministische Literaturwissenschaftlerin Furore machte und seit längerem zurückgezogen auf dem Land lebt. Die ortlose Autorin Katherine Mansfield, die sich auch vom „Elend ihrer Unbehaustheit“ nicht ihr „ungestümes Temperament“ nehmen ließ, ist ebenfalls vertreten, und auch Natalia Ginzburg, die versichert, ihre „Erfahrung als Mutter“ habe ihre Sicht auf ihre Autorschaft verändert. „Ich wünschte mir nicht mehr so sehr, wie ein Mann zu schreiben, weil ich Kinder geboren hatte“, zitiert Frieling die Literatin und äußert ganz allgemein die Ansicht, die Wünsche, „durch eine frühe Heirat Unabhängigkeit von den Eltern zu erlangen, als Hausfrau tüchtig und angesehen zu sein, in der Mutterschaft größtes Glück und Selbstverwirklichung zu erreichen“ seien „uralte und legitime Träume vieler Frauen“. Vielleicht – vor allem aber sind es ziemlich dumme Träume. Frieling aber hat nicht nur keinerlei Bedenken gegen solche Hoffnungen, sondern feiert die Mutterschaft als „wesentliches Merkmal weiblicher Vitalität“. Manche werden vielleicht bereits darum vom Kauf und der Lektüre des Buches absehen.

Titelbild

Simone Frieling: Im Zimmer meines Lebens. Biografische Essays über Sylvia Plath, Gertrude Stein, Virginia Woolf, Marina Zwetajewa u.a.
ebersbach & simon, Berlin 2010.
141 Seiten, 15,80 EUR.
ISBN-13: 9783869150277

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