Norwegischer Männerroman

Magne Hovden nimmt den Leser mit auf einen skurrilen Ausflug ins „Samenland“

Von Jutta LadwigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jutta Ladwig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Skandinavier sind für ihre packenden und spannenden Krimis bekannt. Doch neben Henning Mankell, Håkan Nesser oder Anne Holt finden sich auch immer wieder Autoren, deren Romane eher der humoristischen Literatur zugeordnet werden. Arto Paasilinna, Mikael Niemi oder Hallgrímur Helgason sind nur wenige Beispiele von Vertretern dieses Genres. Auch das Debüt des Norwegers Magne Hovden mit dem Titel „Scheißrentiere“ gehört zweifellos in diese Sparte.

Zwei Chaoten suchen das Schlaraffenland

Die Hauptfiguren des Romans sind Leif und Roy. Beide wohnen im nordnorwegischen Kirkenes nahe der finnischen Grenze, arbeiten bei der Post und sind von ihrem Leben ziemlich angeödet. Deshalb suchen sie nach Möglichkeiten, möglichst schnell und ohne viel Arbeit an das große Geld zu kommen. Da haben die beiden die Idee des Jahrhunderts: ein Erlebnispark, in dem Touristen die Kultur der Samen hautnah erleben können, frei nach dem Motto: „Finde dein inneres Rentier!“

Überzeugt von ihrer Idee, leiten Leif und Roy alle nötigen Maßnahmen in die Wege: vom Kauf des Grundstücks und dem Mieten zweier Rentiere bis hin zu authentischer Kleidung und einem echten samischen Schamanen. Doch da die beiden weder von Buchführung oder Unternehmensplanung noch anderen Dingen Ahnung haben, die ihr „Samenland betreffen“, reiht sich ein Fettnäpfchen an das nächste. So ruft der Diebstahl von Samenzelten den größten Raufbold Finnlands auf den Plan, ein bekennender Samenhasser sieht seine Zeit für Rache endlich gekommen. Und mittendrin Leif und Roy, die billigen geschmuggelten Vodka mit Lebensmittelfarbe einfärben und eine Multebeere hineinmixen, um ihn einer begeisterten Gruppe japanischer Touristen als samisches Geistergebräu unterzujubeln.

Ein Männer-Abenteuerroman

Zugegeben, dies klingt nach Klamauk und banalen Kalauern, die einen beim Lesen schnell ermüden lassen. Doch erfreulicherweise ist dies bei „Scheißrentiere“ nicht der Fall. Hovden erzählt mit wunderbarem Sarkasmus und viel schwarzem Humor eine Geschichte über zwei Freunde, die ihrem langweiligen Alltag entfliehen und das Abenteuer suchen. Leif und Roy scheitern so grandios an ihrem Vorhaben, das große Geld zu machen, dass sie einem fast schon leid tun – und das trotz ihres offensichtlichen Unvermögens, was übrigens auch auf ihre Frauengeschichten zutrifft. Im betrunkenen Zustand kann man(n) seine Traumfrau nicht ‚klar machen‘, wie Leif und Roy erkennen müssen. Hovdens Einblicke in die Psyche der Männer sowie deren Versuche, die Situation im Nachhinein zu analysieren und daraus zu lernen, sind herrlich schräg und bieten auch dem weiblichen Lesepublikum wertvolle Erkenntnisse.

Der perfekte Geldraub

Neben der Geschichte des Erlebnisparks „Samenland“ erzählt Hovden ein weiteres Schicksal: Geir Hilmar, ebenfalls bei der Post in Kirkenes beschäftigt, träumt auch vom großen Geld. Doch er geht den drastischen Weg und überfällt einen Geldtransport. Akribisch vernichtet er seine Spuren und ist sich sicher, dass die Polizei ihm nicht auf die Spur kommen wird. Schließlich hat er sämtliche Krimiserien bei ihren Ermittlungen genau studiert und analysiert, so dass er alle möglichen Fehler, die Verbrecher machen, vermeiden wird. Allerdings übersieht er dabei ganz elementare Dinge, was ihm die Gesetzeshüter immer näher auf den Pelz rücken lässt. Zum Ende des Buches verbindet Hovden beide Erzählstränge und der gescheiterte Bankräuber und die beiden Erlebnisparkbetreiber finden zu einem überraschenden und unvorhersehbaren Ende zusammen.

Unterhaltung in Robbie Williams-Manier

Hovden ist ein unterhaltsamer Debütroman gelungen. Die norwegische Presse urteilte, Hovden schriebe in „guter Robbie Williams-Manier, dass man von der ersten Seite an johlen möchte: Let me entertain you.“ Unterhaltend ist „Scheißrentiere“ alle Mal. Es ist ein Männerabenteuer, an dem aber auch weibliche Leser ihre Freude haben werden. Hovden schafft es in seiner Geschichte gezielt Pointen und Humor einzusetzen ohne zotig zu werden oder aufgesetzt zu wirken. Auch die Darstellung der Samen und ihrer Kultur bietet einen bunten Hintergrund für den Roman. Man erfährt gelegentlich etwas über die samische Kultur, wie zum Beispiel den Schamanismus und den Joiken, den gutturalen Gesang der Samen, der oft mit Jodeln verglichen wird. Ein weiteres Thema ist die Rentierzucht, welche für viele samische Bewohner der Finnmark noch immer eine Lebensgrundlage darstellt.

„Scheißrentiere“ ist ein zeitloser Roman, denn ganz egal, ob in Deutschland oder Norwegen, jeder von uns kennt einen Leif oder einen Roy, die ihrem Alltag entfliehen wollen – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Genau diese Authentizität macht den Roman so unterhaltsam. So bleibt dem Leser nur eins übrig: es sich gemütlich zu machen und sich mit Roy und Leif auf die Suche nach dem inneren Rentier zu begeben. Auf nach „Samenland“!

Titelbild

Magne Hovden: Scheiß-Rentiere. Ein Abenteuer in Nordnorwegens östlicher Finnmark.
Übersetzt aus dem Norwegischen von Frank Zuber.
Malik Verlag, München 2011.
220 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783890293882

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