Role Models From Olympia

Katja Peglow und Jonas Engelmann haben einen recht enthusiastischen Sammelband über Geschichte und Gegenwart der „Riot Grrrls“ herausgebracht

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Olympia, die Hauptstadt des US-amerikanischen Bundesstaates Washington, beherbergt zwar gerade mal 40.000 EinwohnerInnen, aber auch das liberale „Evergreen State College“. Eine Generation vor unserer Zeit, nämlich Anfang der 1990er-Jahre, hob sich dort eine rebellische Bewegung junger Frauen selbst aus der Taufe. Die „Riot Grrrls“ waren aus dem Geiste des Punks, der Revolte und des Feminismus geboren.

Katja Peglow und Jonas Engelmann, zwei Nachgeborene, huldigen ihnen nun mit der Herausgabe eines Sammelbands, der nicht nur etliche informative Texte inklusive einiger Loblieder enthält, sondern auch das eine oder andere Zeitdokument, wie etwa das berühmte „Riot-Grrrl-Manifest“, das den Stein überhaupt erst ins Rolle brachte. Vielleicht darum wird ihm die nicht ganz unverdiente Ehre zuteil, gleich zweimal abgedruckt zu werden: einmal in deutscher Übersetzung und einmal als Faksimile im englischen Original.

Als echte Fans bedauern die fast noch jugendlichen HerausgeberInnen in der Einleitung, dass sie „während der Hochphase von Riot Grrrl noch zu jung waren, um diese Revolution der amerikanischen Subkultur selbst miterleben zu können“. Dennoch seien sie von der „Gesellschaftskritik“ der Bewegung „tief geprägt“ worden. Wegen ihrer „persönlichen Verbundenheit“ mit dem Gegenstand ihres Interesses beabsichtigten sie nicht etwa, mit dem Band eine „objektive Geschichtsschreibung“ der „Riot Grrrl“-Bewegung vorzulegen. Andererseits möchten sie mit ihrer Publikation aber auch „keine verklärte Nineties-Nostalgie heraufbeschwören“. Doch laufen die Beiträge immer wieder Gefahr, genau dies zu tun.

Dabei geht es Peglow und Engelmann um etwas ganz anderes, um die Frage nämlich: „Was ist von der Revolution übrig geblieben?“ Deren Beantwortung unternehmen jedoch erst die letzten Beiträge. Zuvor informieren einige AutorInnen über Geschichte und Geschichten der Bewegung sowie über deren feministische Ideale, gesellschaftskritische Vorstellungen und subversive Intentionen. Als besonders kenntnisreich erweist sich dabei der Beitrag von Julia Downs. Einen bestimmten Aspekt der Bewegungshistorie nimmt Daniela Berner in den Blick, wenn sie über „Riot Grrrl auf der Leinwand und hinter der Kamera“ informiert. Martin Büsser trägt einen „Love Letter“ an die wohl berühmteste FeindIn der „Riot Grrrls“ Courtney Love heran, die mit ihrer Band „Hole“ die Hasstirade „Olympia“ einspielte. Ein Stück, das ihr nicht gerade zur Ehre gereicht.

Gudrun Ankele möchte wiederum zeigen, „aus welchen Gründen das „Riot-Grrrl“-Manifest weit über den Kontext Musik hinaus als Beitrag zur feministischen und queeren Geschichte verstanden werden muss“, wie sie mit apodiktischem Impetus formuliert.

Auch Mary Celeste Kearney widmet sich dem Zusammenspiel von Riot Grrrl-Bewegung und lesbischer Kultur. Da darf die Band mit dem sprechenden Namen „Tribe 8“ natürlich nicht fehlen, deren Musikerinnen sich selbst als „komplett lesbischer, hemmungsloser, in-die-Fresse-schlagender, Messer-wetzender, Gangs-kastrierender, Dildo-schwingender, Klang-pornographsicher, Neandertaler-perverser Haufen von Patriarchat zerschlagenden Muschileckerinnen“, also kurz als „Role Models for America“ charakterisieren. Ihre Sängerin Linn Breedlove mag zwar wohl kaum über eine ausgebildete Stimme verfügen, dafür kann sie aber umso besser schreiben, wie sie vor einigen Jahren mit dem Roman „Götterspeed“ unter Beweis gestellt hat.

Julia Gudzent konstatiert ebenso bedauernd wie zutreffend, die „Girl Revolution“ sei vorbei. Doch habe sie ein Vermächtnis hinterlassen, das in „einer Art Aufruf“ bestehe, „sich selbst zu verwirklichen“. Eine solche Feststellung scheint denn allerdings doch allzu unspezifisch, denn so lassen sich Ziele und Leben der „Riot Grrrls“ – und somit ihr Vermächtnis – kaum angemessen und schon gar nicht erschöpfend charakterisieren.

In einem der letzten Beiträge begibt sich Maren Volkmann unter dem beschwörenden Titel „Riot Grrrl is not dead“ auf die Suche nach Spuren die das ominöse Wesen – womöglich eine Art Wiedergängerin? – in den „Nullerjahren“ hinterlassen haben könnte. Die „Bands der ‚Zweiten Welle‘ bezeichnen sich zwar nicht mehr als Riot Grrrl“, räumt Volkmann ein, doch führten sie „im Geiste die Ideen der Bewegung fort“.

Mit all diesen Beiträgen ist das Buch vor allem eines: Eine Femmeage, an der nicht nur Unruhe stiftende Mädchen ihre Freude haben werden.

Titelbild

Martin Büsser / Jonas Engelmann (Hg.): Riot Grrrl! Die Geschichte einer Bewegung.
Ventil Verlag, Mainz am Rhein 2011.
197 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783931555474

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