Camus-Comic

Eine intelligent komponierte Kurzbiographie des Schriftstellers

Von Oliver PfohlmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Pfohlmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wir wissen nichts, solange wir nicht wissen, ob wir das Recht haben, den anderen vor uns zu töten oder zuzustimmen, dass er getötet werde. Da jede Handlung heute direkt oder indirekt in den Mord einmündet, können wir nicht handeln, bevor wir nicht wissen, ob und warum wir töten sollen."

Gedanken eines Mannes, der sein Leben lang gegen alle Arten von Todesstrafe kämpfte. Albert Camus schreibt sie zu Beginn seines großen Essays "Der Mensch in der Revolte". In vielen seiner Romane und Dramen gibt es Morde und Hinrichtungsszenen. Man denke nur an Meursault, den "Fremden", der zum Tod durch die Guillotine verurteilt wird, weil er einen Araber erschoss. "Wegen der Sonne", wie er sagt.

Camus' Nein gegen alle Arten von Todesstrafe ist eng mit einer der wenigen Erinnerungen an seinen Vater verknüpft. In Algerien, wo Camus aufwuchs, hatte ein Landarbeiter eine Bauernfamilie samt Kindern umgebracht. Man verurteilte ihn zum Tod durch Enthaupten, was Camus' Vater für eine noch zu "milde" Strafe hielt. Er beschloss, zum ersten Mal in seinem Leben einer Hinrichtung beizuwohnen. "Was er an jenem Morgen sah, erzählte er keinem Menschen. Meine Mutter berichtet nur, dass er verstört, ohne ein Wort der Erklärung nach Hause kam... und sich plötzlich erbrach." Camus vermutete, sein Vater habe nicht mehr an die ermordeten Kinder denken können, sondern nur noch an den aufs Brett geschnallten Körper des Verurteilten.

Die Thematik von Mord, Selbstmord und Todesstrafe durchzieht wie ein roter Faden das Werk des großen französischen Philosophen und Schriftstellers. Sie durchzieht auch ein jüngst erschienenes Buch, das eine etwas andere Einführung in Camus' Leben und seine Philosophie vom Absurden und der Revolte gibt: "Camus kurz & knapp". Aber: Ist das nicht eine ähnliche Scheußlichkeit wie "Hegel in 90 Minuten"? Kann eine Comicversion dieses in der Auseinandersetzung mit Nihilismus, Weltkrieg und Holocaust entstandenen Denkens mehr sein als philosophisches Fastfood, als Smalltalk-Munition für Partygefechte?

Es kann. "Camus kurz & knapp" ist bereits der dritte Band einer empfehlenswerten Reihe von "Sachcomics", die mit Biografien über Franz Kafka und Wilhelm Reich begonnen wurden. Während die Zeichner wechseln (diesmal führte Alain Korkos die Feder), bleibt der Texter stets gleich: David Zane Mairowitz wählte auch diesmal klug aus, übt vorsichtige Kritik. Bei diesen Comics handelt es sich um intelligent komponierte Kurzbiografien und übersichtliche Werkeinführungen. Das Besondere an ihnen sind freilich die durchweg gelungenen, atmosphärisch dichten Schwarz-Weiß-Cartoons, die entscheidende Szenen aus Camus' Leben und Werken ästhetisch illustrieren und eine Eindringlichkeit besonderer Art bewirken.

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David Zane Mairowitz / Alain Korkos: Camus kurz & knapp.
Zweitausendeins, Frankfurt a. M. 2000.
176 Seiten, 10,20 EUR.

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