Die Rechte an den Hochschulen

Die Universitäten als zentraler Faktor nationaler Ideologieproduktion

Von Gerd WiegelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gerd Wiegel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der vorliegende und von Christoph Butterwegge und Gudrun Hentges herausgegebene Band zur alten und neuen Rechten an den Hochschulen vereint Vorträge und Aufsätze, die sich mit verschiedenen Ausprägungen rechten und konservativen Denkens an den deutschen Hochschulen befassen. In den Blick genommen wird damit gerade der Bereich der Gesellschaft, der für die von der sogenannten "Neuen Rechten" angestrebte Intellektualisierung der Rechten von zentraler Bedeutung ist. In drei Teilen sollen die verschiedenen Facetten des Verhältnisses von Hochschule und alten bzw. neuen Rechten beleuchtet werden: (1.) Die Veränderungen der Universitäten im Zeichen der Globalisierung, Privatisierung und der Herausbildung neuer Eliten; (2.) Entwicklungstendenzen studentischen Bewußtseins und (3.) Fallbeispiele in Form von inhaltlichen und personellen Kontinuitäten.

Der einleitende Beitrag von Christoph Butterwegge unternimmt den dankenswerten Versuch genauer zu klären, wovon eigentlich die Rede ist, wenn es um alte bzw. neue Rechte geht. Ausgangspunkt ist für Butterwegge dabei die neue Qualität und der Aufstieg der extremen Rechten in den letzten zwanzig Jahren. Nach Ost und West unterschiedene Erklärungsmodelle für diesen Aufstieg besonders nach der Vereinigung 1990 werden vorgestellt, bevor Butterwegge sich der Frage zuwendet, was eigentlich die neue von der alten Rechten unterscheidet. Alle bisherigen definitorischen Versuche, die "Neue Rechte" als "Brückenspektrum" oder "Scharnier" zwischen Konservatismus und extremer Rechter einzuordnen verwerfend, sieht Butterwegge im sogenannten "Standortnationalismus" das einzig tatsächlich neue Element der "Neuen Rechten". Der traditionelle Nationalismus habe sich hier von einem ethnische fundierten zu einem neoliberal begründeten Standortnationalismus gewandelt. Die "Neue Rechte" sei also gekennzeichnet durch die Verbindung neoliberaler Positionen mit einem aggressiven Standortnationalismus. Die Ideologen dieser neuen Ausrichtung säßen in der Mitte der Gesellschaft, und die Hochschulen gelten Butterwegge als ein wichtiger Bereich der Ideologieproduktion.

So sehr Butterwegges Definition einleuchtet, in Reinkultur wird sich diese "Neue Rechte" wohl nirgends finden lassen, zumindest nicht in organisierter Form. Die FPÖ und die Parteien der italienischen Rechten oder auch die deutschen "Republikaner" entsprechen einerseits Butterwegges Bild der "Neuen Rechten", bedienen auf der anderen Seite aber auch solche Ideologie-Momente, die für Butterwegge zum Inventar der alten Rechten zählen.

In den weiteren Aufsätzen dieses Teils werden Einfluss und Macht neoliberaler Think-Tanks dargestellt, die nicht zuletzt entscheidenden Einfluss auf die Umgestaltung der Hochschulen haben. Ein Ziel, im Sinne dieser für die Wirtschaft funktionalen Umgestaltung, ist die Herausbildung einer neuen Elite, die sich deutlich von der Masse der Studierenden unterscheiden soll.

Im zweiten Teil des Bandes werden die vermeintliche Entpolitisierung der Studierenden und die dem gegenüberstehende akademische (Un-)Kultur des Verbindungswesens vorgestellt. Sabine Kiel zeigt, wie durch die veränderten materiellen Bedingungen für die Studenten und Studentinnen eine zunehmende Entpolitisierung um sich greift. Dieser als politisch zu bewertenden Entpolitisierung steht die anachronistische Tradition des Verbindungswesens gegenüber, die, gerade in Form der Deutschen Burschenschaft, zu den wichtigsten Ideologiemultiplikatoren der konservativen und extremen Rechten gehört (Beitrag Heither). Die diskriminierenden und männerbündischen Traditionen der Burschenschaften werden von Auth und Kurth herausgearbeitet.

Der Beitrag von Gerhard Schäfer über Karlheinz Weißmann, einen Gildenschafter und Vordenker der "Neuen Rechten" (nicht im Sinne Butterwegges), entzieht sich der Logik der Kapiteleinteilung, bietet aber einen interessanten Einblick in das ideologische Netzwerk der Rechten. Anhand von Weißmann lassen sich einige inhaltliche Topoi der "Neuen Rechten" verdeutlichen, und auch der Versuch des Eindringens in den Bereich des etablierten Konservatismus wird hier deutlich.

Bezeichnend für die fehlende Aufarbeitung der NS-Vergangenheit innerhalb der Hochschulen sind die Befunde, die im dritten Teil des Buches zu Tage gefördert werden. Sowohl personell als auch inhaltlich zeigen sich hier ideologische Fortschreibungen, die, wenn sie öffentlich werden, skandalisierbar sind, vielleicht aber nur die Spitze eines Eisberges bilden. Ludwig Elm zeigt in seinem Beitrag, wie nach 1949 - nämlich unter bundesrepublikanischer Verantwortung - rechtskonservative Kontinuitätslinien fortgeschrieben und der größte Teil all derer wieder integriert wurden, die direkt nach 1945, im Zuge der Entnazifizierung, entlassen worden waren. Kennzeichnend für diese frühe Phase ist der Satz Wolfgang Abendroths: "Die schlimmste Belastung, welche man an der Universität und unter Intellektuellen in jener Zeit mit sich herumtrug, war die, gegen den Faschismus gekämpft zu haben."

Eine Folge dieser frühen Restauration sind die erstaunlichen Karrieren, die im Faschismus belastete Personen auch nach 1945 vorweisen konnten. Der von Tina Terschmitten rekapitulierte Fall Schneider/Schwerte ist dabei wohl der bekannteste, aber auch die von der Zäsur 1945 unberührte Laufbahn des Pädagogen Theodor Wilhelm, der in der Bundesrepublik unter dem Namen Friedrich Oetinger nicht nur, wie Gudrun Hentges darlegt, seinen Beruf weiter ausüben, sondern auch seine im Faschismus ausgeprägten pädagogischen Konzepte fortschreiben konnte, ist ein weiterer Fall solcher Kontinuitäten. Ohne die historische Belastung, aber inhaltlich in der Tradition der konservativen und extremen Rechte verliefen die Karrieren von Werner Pfeifenberger und Klaus Hornung. Pfeifenbergers kruder Antisemitismus, der die Juden als Ausdruck des Internationalismus in einen Kampf auf Leben und Tod mit dem von den Nazis repräsentierten Nationalismus sieht, - eine Position, wie sie übrigens auch von Ernst Nolte vertreten wird - wird von Karl Pfeifer enttarnt. Am Politikwissenschaftler Hans-Helmuth Knütter verdeutlicht Samuel Salzborn die fließenden Übergänge zwischen konservativer und rechtsextremer Exponierung; auf beiden Klaviaturen vermag Knütter zu spielen.

Vor allem den inhaltlichen Kontinuitäten zum Faschismus und der deutschen Machtpolitik in der ersten Jahrunderthälfte sind die Beiträge von Andres Plake und der Hamburger AG gegen Rassenkunde gewidmet. Plake zeigt anhand der Osteuropa- und Schlesienforschung, wie auch heute noch innerhalb der Wissenschaft revanchistischen Projekten zugearbeitet wird. Am eindrucksvollsten sind aber die von der AG gegen Rassenkunde publik gemachten Inhalte am humanbiologischen Institut der Universität Hamburg. Hier werden, in schlechter Tradition, rassistische Stereotypen über Juden und "Neger" verbreitet und in einer kaum für möglich gehaltenen Art und Weise soziale Prozesse biologisiert. Die Erklärung des angeblich größeren weiblichen Geselligkeitsbedürfnisses aus dem weiteren Beckenausgang der Frau mutet noch komisch an, die damit einhergehende generelle Biologisierung sozialer Verhältnisse steht jedoch in fataler Nähe zu einer Vergangenheit, in der die Biologie schon einmal als entscheidend für die Stellung der Menschen in der Gesellschaft angesehen wurde.

Titelbild

Christoph Butterwegge: Alte und Neue Rechte an den Hochschulen.
Agenda Verlag, Münster 1999.
240 Seiten, 18,40 EUR.
ISBN-10: 3896880608

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