Ausstattungsstück

Didier Daeninckx kennt sich mit historischen Automobilen aus und zeigt das in seinem Krimi „Tod auf Bewährung“ auch

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Von Bertolt Brecht stammt der Hinweis, dass ein Autor keine Sachkenntnis haben, sondern Sachkenntnis simulieren können müsse. Was naheliegend einige Auswirkungen auf die Bewertung von Texten haben kann, je nach Qualität der Simulation. Allerdings gibt es zahlreiche Autoren, vor allem solche, die das Schreiben im Zweitberuf ausüben, die gerne demonstrieren, was sie im wirklichen Leben gelernt haben. Historiker sind so gestrickt, aber auch Statistiker oder Physiker halten nicht hinterm Berg, wenn es darum geht, zu zeigen, was sie können und wissen. Warum auch?

Und warum sollten Autoren, die sich kundig gemacht haben, nicht auch mit diesem Pfund wuchern? Wenn es denn der Erzählung dient. Und vor allem, wenn es sachgerecht ist. Und das sollte es sein, wie der französische Autor und Kritiker Jean-Patrick Manchette am Beispiel des passenden Schießgeräts und seines Kalibern geschrieben hat (siehe literaturkritik.de, 9-2008). Angehenden Krimischreibern stehen deshalb heute diverse Nachschlagewerke zur Verfügung, mit denen das angemessene Vokabular und die hinreichende Sachkenntnis vermittelt werden sollen.

Schwieriger wirds freilich bei dem, was man Peripherie nennt, zumal dann wenn sie so etwas wie Atmosphäre schaffen soll, anders gesagt, die Authentizität des Geschilderten herstellen muss. Dann kommt es nicht allein auf Sachkenntnis an, sondern auch und gerade auf erzählerische Kompetenz.

Das kann man sich am Beispiel Didier Daeninckx recht gut anschauen. Die besondere Würze erzeugt Daeninckx in  „Tod auf Bewährung“ nämlich über seine Ausstattung.. Ein Telefon hat noch Sprechtrichter, die Hauptfigur fährt einen Packard, den sie  in einer kleinen Garage in seiner Nähe abstellt und warten lässt, der Wagen wird angekurbelt, Blechschäden werden ausgehämmert, der Held der Geschichte bekommt seine erste Jeans von einem Amerikaner, der in Paris hängen geblieben ist, die Bars sind wirklich sehr rauchgeschwängert.

Das alles kombiniert Daeninckx geschickt zu einem Sittenbild der frühen 1920er-Jahre, das sich angenehm liest, jenseits der Trockenheit historischer Abhandlungen. Dass der Fall im Vergleich dazu einigermaßen konventionell gestrickt ist, ist deutlich weniger von Belang. Ein bisschen Betulichkeit passt ganz gut in Zeiten, in denen die Geschwindigkeit noch nicht so hoch war (außer in der Selbstwahrnehmung der Zeitgenossen).

Angesiedelt ist der Text im Paris der frühen 1920er-Jahren: Der Privatdetektiv René Griffon hat sein Geld damit verdient, dass er Frauen zu einer Scheidung verhilft, deren Männer im Krieg vermisst sind. Das hat ihm immerhin einen schnittigen amerikanischen Wagen eingebracht, dem seine besondere Aufmerksamkeit gilt, natürlich neben seiner Geliebten Irène.

Griffon ist einer der vielen Frontkämpfer, die nach dem Ende des Großen Krieges die Nase voll haben vom Getöse der vaterländischen Einheit, die den nationalistischen Popanz abgrundtief hassen und sich immer noch mit den traumatischen Erinnerungen herumschlagen, die sie in die Schützengräben der Front zurückführen.

In diese Abgründe wird er jedoch durch einen Auftrag versetzt, den er auch noch von einem der Helden der Großen Nation erhalt. Sein Auftraggeber: Colonel Fantan, der als Kriegsheld seinen Ruhestand verbringt und der zugleich mit der Erbin eines Cognac- und Konservenindustriellen verheiratet ist. Militäradel und Geldadel haben gerade in Frankreich eine alte Tradition, und ebenso ihre Verbindung.

Die nicht immer glücklich zu sein braucht, wie auch in diesem Fall, scheint sich Madame doch allzugerne mit jungen Fliegern zu umgeben und ihr Liebesleben zu pflegen, während der Colonol daheim sitzt und Orden putzt. Eine Möglichkeit für einen Erpresser? Sicherlich, denn nichts ist Unpassender als ein Kriegsheld, der sich Hörner aufsetzen lässt.

Aber was naheliegt, darf ja in Krimis nie das sein, was hinter allem steckt. Natürlich entdeckt Griffon, je mehr er sich mit dem Fall beschäftigt, dass Fantan Dreck am Stecken hat. Als Fantan ihn auch noch von seinem Auftrag just in dem Moment entbindet, als der Erpresser sein Wissen in Geld umsetzen will, ist es zu spät um aufzuhören. Griffon nimmt an der Übergabe teil, das Ganze eskaliert. Unter anderem bleibt Madame tot auf der Strecke, aber auch der Erpresser muss dran glauben – und zwar als ein Unbekannter in die Übergabe platzt.

Dieser Unbekannte nun macht das Ganze interessant, womit Griffon dann ins Politische gerät und sich mächtig unbeliebt macht. Auf einmal stehen sich aufsässige Arbeiter und das französische Establishment gegenüber, und Griffon mittendrin.

Die Konstruktion des Krimis basiert denn auch auf Zuschreibungen wie „böse Kapitalisten“, „feige Militärs“, „arrogante Politik“ oder „ehrliche Arbeiter“ und dergleichen mehr. Die Bösewichter sind am Ende gar keine, während die ehrlichen Leute einiges auf dem Kerbholz haben, was wir alle schon dachten.

Titelbild

Didier Daeninckx: Tod auf Bewährung. Roman.
Übersetzt aus dem Französischen von Stefan Linster.
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2011.
265 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783935890830

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