Freiheitkampf und Selbstverwirklichungslaunen

Hugo Hamiltons Roman "Der letzte Held von Dublin

Von Thomas KasturaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Kastura

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Auf den ersten Blick könnte "Der letzte Held von Dublin" auch der letzte Held von London, Berlin oder Amsterdam sein: Ein cholerischer Polizist hat die Schnauze voll von der Ungerechtigkeit der Welt und startet einen privaten Feldzug gegen den Erzkriminellen der Stadt. Einer muß es ja tun, warum also nicht Coyne, den die Kollegen "Mr. Suicide" nennen?

Wie der Vorname schon signalisiert: Pat Coyne, ein "Garda", wie die Polizisten in Dublin heißen, ist durch und durch irisch. Will heißen: Er ist kein einsamer Rächer, kein cooler Dirty Harry, kein abgedrehter Psychopath, sondern von allem etwas: Er ist komisch und tragisch zugleich, witzig und engstirnig, zärtlich und eifersüchtig, engagiert und fanatisch - irisch eben.

Hugo Hamilton, der 1953 in Dublin geboren wurde und mütterlicherseits deutscher Abstammung ist, hat keinen Krimi geschrieben. Es geht nicht um die Aufklärung von Verbrechen, sondern um die Selbstfindung eines frustrierten, desorientierten und etwas tapsigen Anti-Helden. Dessen Perspektive zeichnet Hamilton einfühlsam nach. Coyne, im Grunde ein außer Kontrolle geratener Spießer, rückt einem so Schritt für Schritt näher.

Auch die anderen Figuren des Romans, denen Coyne etwas beweisen muß, verkörpern nur Durchschnitt. Sein Gegenspieler Drummer Cunningham ist ein stinknormaler "König der Unterwelt". Der Kunstlehrer seiner Frau führt eine unbedeutende VHS-Existenz. Gleiches gilt für seinen untätigen Vorgesetzten Molloy, den er immer wieder vor den Kopf stößt, oder für seinen bornierten Banker, dem er eine Tonne Teer über die Terrasse kippt. Sie alle haben sich in ihrem Beruf und ihrem Leben irgendwie eingerichtet.

Nur Coyne hängt fixen Ideen an, die ihn zum Einzelgänger machen. Seine Ansichten über Umweltverschmutzung, Autos, Kunst und sogar das Golfspielen laufen immer auf dasselbe hinaus: Der Egoismus der Menschen stürzt die Welt in den Abgrund. Als unverbesserlicher Idealist teilt Coyne das jedem mit, "geradeso wie es sein Vater in Fragen des Bürgerkriegs oder der irischen Sprache getan hätte."

Diese Analogie tritt am Ende des Romans zutage, als sich Coynes dilettantische Selbstjustiz durch Zufall noch zum Happy-End wendet. Damit stellt Autor Hugo Hamilton den bewaffneten irischen Freiheitskampf in eine Reihe mit den pedantischen Mäkeleien eines Zu-kurz-Gekommenen und all den anderen Selbstverwirklichungslaunen, die wir mit uns herumtragen.

Diese Entwicklung ist in der irischen Gegenwartsliteratur jetzt öfter zu beobachten. Für viele Autoren ist nach dem Bürgerkriegstrauma Normalität eingekehrt. Ihre Figuren sind genervte Alltagsmenschen, die mit sich selbst beschäftigt sind und genug haben von der dogmatischen Vergangenheit. Gefährlich wird es nur, wenn ein Mr. Suicide wie Coyne losgelassen wird. Hamiltons Roman zeigt, wie spannend und hintergründig man vom Irland der 90er erzählen kann.

Titelbild

Hugo Hamilton: Der letzte Held von Dublin. Aus dem Englischen von Georg Deggerich.
Steidl Verlag, Göttingen 1999.
263 Seiten, 18,40 EUR.
ISBN-10: 3882436271

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