Die Nackte im Gebetbuch

Michael Fabers Almanach erotischer Exlibris

Von Irmgard Johanna SchäferRSS-Newsfeed neuer Artikel von Irmgard Johanna Schäfer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Exlibris gehörten in den letzten Jahrhunderten zur normalen Ausstattung der Bücher. Sammler hatten Wappen und andere Zeichen, die sie zur Kennzeichnung ihren Büchern beigaben. Viele private Bibliotheken enthielten aber nicht nur öffentlich zugängliche Sammlungen, sondern mitunter auch ein Regal hinter dem Regal, in dem sich erotische Literatur befand. Teilweise vom Inhalt der Bücher inspiriert, entstanden die Büchermädchen, die sich lustvoll räkelnd und in eindeutigen Positionen auf den Exlibris darboten, um das Lesevergnügen noch zu steigern. Aber nicht nur Männer frönten dieser Freude am Erotischen, auch manche Frau hatte in einem Hinterzimmer eine erlesene Sammlung erotischer Literatur und die dazu passenden Exlibris. In der Handbibliothek der Marie-Antoinette befanden sich solche Romane, und auch die russische Zarin Katharina die Zweite hatte eine große Sammlung erotischer Bilder, Möbel und Porzellane, besonders in ihrem Lustschloss Gatschina bei St. Petersburg. In den 1950-er Jahren wurde der Bestand aber "wegen geringem künstlerischen Wert" vernichtet. Aus der Rokokozeit ist es überliefert, dass sich auch die Damen obszöne Bücher und Bilder als Gebetbücher einbinden ließen, oft mit Titeln wie "Fromme Werke" versehen.

Die in diesem Almanach abgedruckten 100 Bilder stammen hauptsächlich aus der Zeit von 1880 bis 1950, einige wenige sind noch aktueller. Sie zeigen fast ausschließlich leicht bekleidete Damen, die von Büchern umgeben sind, auf ihnen liegen oder sie zwischen ihren Beinen fühlen, sich der Lust hingeben oder vor ihr zu fliehen versuchen. Einige Damen werden von Tieren bedrängt, von einem Elefant, einem Schwan oder einem Bären, auch eine Schnecke in Form eines Phallus macht sich auf in Richtung einer nackten Frau. Koitusszenen findet man auch, aber seltener als die sich selbstbefriedigenden oder lesenden Nackten.

Der Almanach erscheint in einer limitierten Auflage von 999 Stück im Handel, weitere 580 Exemplare sind mit einem originalgraphischen Exlibri von Volker Wendt versehen. Das Vorwort von Wolfram Körner klärt über Hintergründe und Traditionen der Bilder und Sammler auf. Zwischen den Bildern finden sich immer wieder Auszüge aus erotischen Büchern wie Mibeaus "Enthüllungen einer Kammerzofe" oder Louveaus "Eros im Bürgerquartier". Es ist eine Lust zu schauen und zu lesen.

Titelbild

Michael Faber (Hg.): Büchermädchen (Bd.9). Erotische Exlibris und andere Schelmereien.
Faber und Faber Verlag, Leipzig 1999.
120 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-10: 3932545273

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