Dem „Bestand des Deutschtums“ auf der Spur

Rolf Düsterberg legt einen zweiten Band über „Dichter für das Dritte Reich“ mit „Biografische(n) Studien zum Verhältnis von Literatur und Ideologie“ vor

Von Erhard JöstRSS-Newsfeed neuer Artikel von Erhard Jöst

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Umgang mit SchriftstellerInnen, die überzeugte Nationalsozialisten waren und das „Dritte Reich“ und dessen rassistische Weltanschauung mit ihren Werken untermauerten, ist überaus problematisch. Einerseits sollen diese AutorInnen für eine zeitgenössische Leserschaft nicht wiederbelebt werden, andererseits ist es die Aufgabe einer kritischen Germanistik, sich gerade auch mit diesen Vertretern der NS-Zeit zu befassen und ihre Schriften daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie rassistisches und antisemitisches Gedankengut enthalten. Zwar soll keineswegs die Aufmerksamkeit auf längst vergessene Nazi-Dichter gelenkt, aber andererseits soll auch das Schrifttum der NS-Diktatur nicht einfach kommentarlos übergangen werden. Denn dann besteht die Gefahr, dass man dieses Feld allein rechtsextremen Apologeten oder gar Neonazis überlässt.

Rolf Düsterberg, Professor für germanistische Literaturwissenschaft an der Universität Osnabrück, hat 2009 zusammen mit seinen Studenten zehn Autorenporträts von „Dichtern für das Dritte Reich“ vorgelegt (siehe literaturkritik.de 9/2009), dem er nun einen zweiten Band folgen ließ, welcher neun Autorenporträts „und ein Essay über literarische Gesellschaften zur Förderung des Werkes völkischer Dichter“ enthält.

Der von Jan-Henning Brinkmann verfasste Essay befasst sich mit drei Gesellschaften zur Förderung des Werkes von Schriftstellern des „Dritten Reichs“, nämlich der Miegel-, der Kolbenheyer- und der Blunck-Gesellschaft. Unter Verweis auf einen von Hans Sarkowicz 1987 in der „Zeit“ veröffentlichten Artikel, in dem dieser von „literarischen Seniorenzirkeln“ spricht, warnt Brinkmann davor, das Potential dieser Gesellschaften zu unterschätzen. Denn: „In den Veröffentlichungen der Kolbenheyer- sowie der Blunck-Gesellschaft […] tritt ein Geschichtsverständnis zutage, das in seiner extremsten Form eine implizite Leugnung des Holocaust darstellt und das eine Verortung dieser Vereinigungen im rechtsextremen Milieu nahe legt.“

In der Tat sind die Aktivitäten dieser Gesellschaften gefährlich, wenn sie eine „Strategie des Revisionismus“ verfolgen, Teil von „Strategien rechtsextremer Verlage zur Gewinnung neuer Leser“ und zuweilen „sogar mit Wanderausstellungen an Schulen präsent“ sind. Allerdings muss, trotz der nachvollziehbaren Verärgerung darüber, dass diese Gesellschaften mit ihren dubiosen Machenschaften und der Verklärung nationalistischen Schrifttums auch noch als gemeinnützig anerkannt und gefördert werden, ihre Untersuchung differenziert, fair und sachlich vorgenommen werden.

Von daher erscheint es unangemessen, die 1969 von heimatvertriebenen Ostpreußen gegründete Agnes-Miegel-Gesellschaft (AMG) mit der Kolbenheyer- und der Blunck-Gesellschaft in einen Topf zu werfen. Laut ihrer Satzung hat es sich die AMG zur Aufgabe gemacht, „das Andenken der Dichterin zu bewahren und in der Öffentlichkeit lebendig zu erhalten, die Bedeutung ihres Werkes herauszustellen, es zu deuten und Maßnahmen durchzuführen, die diese Aufgabe erfüllen helfen“.

Ihre Zielsetzung soll über das „rein Literarische“ hinausgehen und „das Bekenntnis und die Liebe zur ostpreußischen Heimat in Natur und Geschichte“ fördern[1]. Auch wenn man weder von dieser Zielsetzung noch von Miegels Werk viel hält, so muss man doch anerkennen, dass die Intentionen der AMG legitim sind, zumal sie konzidiert, dass es ein Irrtum von Miegel war, „in Hitler für eine gewisse Zeit den Befreier Deutschlands, vor allem aber den Retter des deutschen Ostens zu sehen“. Das gilt auch für die Anregung der Gesellschaft, Miegels Werk „in seiner Vermittlungsstellung zwischen Ost und West“ zu interpretieren. Anders sind die Bestrebungen der Kolbenheyer- und der Blunck-Gesellschaft zu werten, die nicht nur ein Forschungsmonopol anstreben, sondern „unter dem Deckmantel der Werkpflege ungehindert rassistisches Gedankengut predigen“.

Die neun „Dichter für das Dritte Reich“, die in dem von Rolf Düsterberg herausgegebenen zweiten Band vorgestellt werden, sind Heinrich Anacker, Friedrich Bethge, Jürgen Hahn-Butry, Alfred Karrasch, Herybert Menzel, Franz Schauwecker, Karl Schworm, Hans Venatier und Kurt Ziesel. Anacker, Menzel, Schauwecker und Ziesel werden auch in dem Lexikon „Schriftsteller im Nationalsozialismus“ von Sarkowicz und Mentzer porträtiert (siehe literaturkritik.de 7/2011), nicht aber die anderen fünf Autoren. Insofern betreten die Verfasser der Beiträge Neuland, das bisher noch kaum bestellt worden ist. Und man kann dem Herausgeber zustimmen, der sie als „akribisch recherchierende junge Forscherinnen und Forscher“ bezeichnet, „die in der Lage sind, ihre spezifischen Erkenntnisse angemessen aufzuarbeiten, sie in den historischen Kontext zu situieren und damit den fachwissenschaftlichen Diskurs zu bereichern“.

Seit dem Jahr 2006 führt Düsterberg an der Universität Osnabrück ein Kolloquium zur Literatur des „Dritten Reichs“ durch, bei dem die Studenten in die Forschungspraxis einbezogen werden. Sie werden angeleitet, eigene Projekte zu bearbeiten und ihre wissenschaftlichen Abschlussarbeiten werden in Büchern präsentiert. Diese Vorgehensweise ist vorbildlich und die Ergebnisse sind beachtlich. Auch für den zweiten Band gilt: Er bietet informative Beiträge, die zu weiteren Nachforschungen anregen. Im Klappentext heißt es: „Der zweite Band der Reihe Dichter für das ,Dritte Reich‘ stellt in kompakten bio-bibliografischen Skizzen weitere neun Autoren vor, die zentrale Ideologeme des Nationalsozialismus mit ihren literarischen Mitteln an den Leser brachten. […] Sie alle dienten willentlich auf der Grundlage der völkisch-rassistischen Weltanschauung dem Regime. Und dies noch oft über dessen Ende hinaus, indem sie sich – teilweise mit erheblichem Engagement – der antikommunistischen und nationalistischen Szene in der westdeutschen Bundesrepublik anschlossen, mitunter gar zu Leitfiguren dieses Milieus avancierten.“ Dass sich einzelne Autoren wie der berüchtigte Kurt Ziesel nach 1945 sogar bis in die Schaltzentralen der politischen Macht emporarbeiten konnten, gehört zu den Skandalen der deutschen Nachkriegsgesellschaft.

Klaus Vondung ging bereits 1976 der Frage nach, woher die Literatur kommt, die nationalsozialistisch genannt werden kann: „Gibt es – von den ideologischen Gemeinsamkeiten abgesehen – sozialhistorische und historisch-genetische Zusammenhänge mit dem Nationalsozialismus?“ Diese Fragestellung liegt auch den Aufsätzen in dem von Düsterberg herausgegebenen Buch zugrunde. Sie bestätigen auch das, was Vondung festgestellt hat, nämlich dass auch viele Werke, die „geschrieben wurden, bevor es die NSDAP gab, […] nach dem Kriterium des ,offiziellen Selbstverständnisses‘ fast alle als nationalsozialistisch oder zumindest pränationalsozialistisch gelten“ können; „diejenigen Autoren, die bis in die zwanziger und dreißiger Jahre hinein lebten – und dies ist die größere Zahl –, bekannten sich dann auch zum Nationalsozialismus.“[2] Nadja Bengsch identifiziert beispielsweise in diesem Sinne Franz Schauweckers 1929 erschienenen Roman „Aufbruch der Nation“ als nationalsozialistische Literatur, „selbst wenn der Autor seinen Text nicht explizit mit der Intention verfasst haben mag, NS-Ideologie zu propagieren.“

Rolf Düsterberg porträtiert Herybert Menzel als „Sänger der ,ostmärkischen SA‘“. Menzel wuchs in der preußischen Provinz Posen im kleinbürgerlichen Milieu mit starkem anti-polnischen Ressentiment auf, was sich später in seinen Schriften niederschlug. Nachdem er den „Führer“ auf einer Parteikundgebung im Berliner Sportpalast erlebt hatte, beschloss er, „für den Nationalsozialismus zu kämpfen und dies auch als Schriftsteller zu tun“. Und so hämmerte er fortan über seine Texte seinen Lesern eine sozialdarwinistische Weltanschauung und das Nazi-Vokabular ein. Ständig führt er ihnen die „Blut und Boden“-Begriffe vor: Die Fahne flattert für den Führer, der Kampf für das Volk wird als Notwendigkeit dargestellt, bei dem der Tod in Kauf genommen werden muss. Weite Verbreitung fanden Menzels Gedichte und Kantaten, die bei Zeremonien eingesetzt wurden: „Neben ihrer politischen Inanspruchnahme verkommt die Dichtung vollends zu einem Instrument der Suggestion oder berauschenden Manipulation zwecks Ausschaltung kritischer Vernunftkräfte.“

Da Menzel 1945 ums Leben kam, ist sein Wirken mit dem Untergang des „Dritten Reichs“ beendet. „Herybert Menzel, völkischer Dichter und Barde der Partei, ist als solcher der vollständigen Vergessenheit anheim gefallen. Gleichwohl ist er kulturhistorisch und unter literaturpolitischen Gesichtspunkten von Interesse, indem auch an seinem Beispiel gezeigt werden kann, auf welche Weise das Regime seine ideologischen Postulate auf kulturellem Feld vermittelte, wie sehr auch das Wollen des Autors kritik- und distanzlos mit den Erwartungen der nationalsozialistischen Führung verschmolz.“

Verena Schulz stellt Heinrich Anacker als „lyrischen Streiter“ vor, dessen Werke gegenwärtig eine „weitgehend rechtsextremen Szene […] im Netz einem breiten Publikum zugänglich“ macht und den Lyriker „zu einer Leitfigur“ stilisiert. Durch die „erneut anwachsende Popularität Anackers in der heutigen Zeit“ ergebe sich „die Notwendigkeit, sich mit ihm und seinen Texten kritisch auseinanderzusetzen.“ Dieser Aufforderung kann man nur zustimmen, zumal Anacker zu den Autoren gehört, die sich auch nach dem Krieg in keiner Weise vom Nationalsozialismus distanziert haben.

Ines Bethge-Bonk stellt Friedrich Bethge vor, der zu den Autoren gehört, für die „das Kampferlebnis des Krieges […] die prägendste Erfahrung für den Lebensweg und das literarische Schaffen“ war. Mit seinen Dramen forderte er folglich „Heroismus und Opferbereitschaft“ ein und idealisiert wie Ernst Jünger die „Schützengrabengemeinschaft“. Sein Stück „Der Marsch der Veteranen“, von Joseph Goebbels als „hohes Lied preußischer Zucht und soldatischen Gehorsams“ gepriesen, wurde „auch in den Lehrplan der Höheren Schulen aufgenommen, um der Jugend als ,hohes Lied der Treue, der Kameradschaft und des soldatischen Gehorsams‘ zu dienen.“ Beim Entnazifizierungsverfahren schaffte es Bethge, von der Kommission als „Minderbelasteter“ eingestuft zu werden und demonstrierte „Flucht aus der Verantwortung und Denunzierung des einstigen Freundes [Hans Hinkel], statt selbstkritischer Reflexion oder gar Reue“. Er schloss sich rechtsextremen Kreisen an und schrieb weiter Dramen, die aber nie aufgeführt wurden.

Daniel Klünemann schreibt über den „Frontdichter“ Jürgen Hahn-Butry, der sich vorwiegend „mit dem Soldatentum und dem sog. Fronterlebnis des Weltkriegs“ beschäftigte und dessen Texte heute „weitgehend vergessen“ sind. In unerhörtem Maße mischte sich Hahn-Butry in der Zeit nach 1945 bis zu seinem Tod im Jahr 1976 als strammer Antikommunist in die Politik ein und half mit beim Aufbau der rechtsradikalen Szene. Der Kampf gegen den „sowjetischen Imperialismus“ und die „Gefahr aus dem Osten“ waren seine Aufgabenfelder. Die konservative Bundesregierungen ließen ihn gewähren, denn er half in der Zeit des Kalten Krieges mit, die alten Feindbilder zu konservieren. Insofern ist Hahn-Butry eine Person, deren Wirkung weniger für Germanisten von Interesse sein dürfte, als für Historiker, die sich mit diesen Jahrzehnten befassen.

Ute Haidar porträtiert Alfred Karrasch, der zu den aktivsten Schriftstellern des „Dritten Reichs“ zählte, als einen Schriftsteller, der sich als „Vertrauter der Arbeiter“ zu profilieren suchte. Seine Karriere startete er als Journalist und Verfasser von Gerichts-Reportagen, der „mit Führerkult, Volksgemeinschaft und Kampf Elemente der nationalsozialistischen Ideologie aufgriff“. Sein Weg führte „von offener Propaganda zur subtileren Unterhaltungsliteratur“, mit der er sich „als ein höchst angesehener Schriftsteller im ,Dritten Reich‘ etablieren konnte, da sein Werk mustergültig NS-Ideologeme vermittelte“. Karrasch schrieb auch in der Nachkriegszeit bis zu seinem Tod 1973 verschiedene Romane, mit denen er sogar Erfolge jenseits des Eisernen Vorhangs verbuchen konnte.

Franz Schauwecker, der „Dichter des heldischen Lebens“, wird von Nadja Bengsch vorgestellt. Seine literarische Karriere begann mit seinem Kriegsroman „Aufbruch der Nation“, der im Jahr 1929 erschien. 34 selbstständige Schriften publizierte Schauwecker, darunter insgesamt 28 Romane, in denen er hauptsächlich Kriegserlebnisse verarbeitete. Das 1927 veröffentlichte „Frontbuch“, zuerst unter dem Titel „Im Todesrachen“ erschienen, hinterließ unter anderem auf General Erich Ludendorff „einen tiefen Eindruck“, gehört der Roman doch zu den Büchern, die den Krieg und die Kameradschaft der Soldaten als Ur-Erlebnis verherrlicht.

Die von Schauwecker herausgegebene „Standarte“, eine Beilage zu der Zeitschrift „Stahlhelm“, feierte im August 1926 mit einem Artikel die Mörder von Reichsfinanzminister Matthias Erzberger und von Reichsaußenminister Walther Rathenau als heldenhafte „nationalistische Märtyrer“, was zu ihrem zeitweiligen Verbot führte. Obwohl er auch nach 1945 schrieb und sich um einen Verlag bemühte, wurde von Schauwecker nichts mehr veröffentlicht. Jedenfalls konnte Nadja Bengsch nach eigenem Bekunden über sein Leben und Wirken in den Jahren 1945 bis 1964 keine entsprechenden Fakten eruieren. So bleiben ihre Ausführungen über diese Zeit recht vage: „Zudem soll Schauwecker einige Vorträge im Volksbildungswerk Günzburg gehalten haben, über die wohl auch in der Lokalpresse berichtet wurde“, schreibt sie unter Bezugnahme auf eine E-Mail der Stadtverwaltung vom 8.1.2009. In diesem Fall hätte man sich weitergehende Recherchen gewünscht.

Stefanie Bluhm rechnet Karl Schworm, den „Lektor des Parteiverlags“ Franz Eher, „zu den vielen völkisch-nationalen Autoren, über die wir kaum verlässliches Wissen haben, weil sie nach 1945 nicht oder nur marginal Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses waren.“ Große Teile des 1928 als Buch erschienenen Romans „Es liegt eine Krone im tiefen Rhein“ wertet sie „als fiktionale Realisierung der nationalsozialistischen Zielsetzungen mit literarischen Mitteln“. Der Protagonist Hermann Wölsung, „ein Sendling der Asen, ein wiederverkörperter Siegfried“, kämpft in Analogie zu Adolf Hitler als Lichtgestalt gegen die „jüdische Weltverschwörung“. In weiteren Schriften überschreitet Schworm, wie Stefanie Bluhm nachweist, die Grenze zur „volksverhetzenden Gräuelpropaganda“. Dass auch dieser Nazi-Propagandist nach langem Hin und Her mit dem Spruch der Kammer vom 11. Oktober 1948 bei der Entnazifizierung lediglich als „Mitläufer“ eingestuft wurde, zeigt, dass diese Verfahren vielerorts eine Farce waren. Zum Schluss ihres Aufsatzes verweist Stefanie Bluhm darauf, dass Karl Schworm „mit einem Foto auf einer Internetseite über die Gemeinde Odernheim zu finden“ ist: „In der Bildunterschrift wird er als Schriftsteller und Heimatdichter betitelt, das Bild zeigt ihn sitzend am Schreibtisch, auf dem deutlich erkennbar das preisgekrönte und ihm als Lektor vom Eher-Verlag gewidmete Werk ,Die bunte Truhe‘ positioniert ist.“ Diese Seite mit Odernheimer Bürgern ist allerdings offenbar nicht von der Gemeindeverwaltung eingerichtet, sondern beruht auf einer privaten Initiative. Da sie bunt gemischt verschiedenste Odernheimer Bürger aus Vergangenheit und Gegenwart präsentiert, ist nichts dagegen einzuwenden, dass sie auch Karl Schworm aufgenommen hat.

Auch Hans Venatier, „der völkische Erzieher“, den Denis Schimmelpfennig vorstellt, gehört zu den Nazi-Dichtern, die nach der Befreiung vom Faschismus weiterarbeiten durften und ihre „nach wie vor rechtsextreme Weltanschauung mittels neuer literarischer Publikationen“ verbreiten konnten. Dies ist gerade bei ihm besonders verhängnisvoll, hat er doch hauptberuflich als Lehrer und als Dozent in der Lehrerbildung gearbeitet. Dabei hat er mit seinem erfolgreichsten Roman „Vogt Bartold“ nachhaltig die Nazi-Ideologie verbreitet, vor allem ihre Forderung nach „Lebensraum im Osten“, und die darauf aufbauende Eroberungspolitik gerechtfertigt. Seine schriftstellerische Arbeit nahm er nach dem Kriegsende bereits in seiner Internierungszeit wieder auf. Wie den meisten seiner Kollegen so gelang es auch Venatier, der zunächst als Hauptschuldiger angeklagt war, von der Spruchkammer im Entnazifizierungsverfahren am 8. Juni 1948 als „Mitläufer“ eingestuft zu werden. So schaffte er die „Wiedereingliederung in den Schuldienst“ und das „literarische Comeback“. In seinem 1953 veröffentlichten Roman „Der Major und die Stiere“ tauchen nach Denis Schimmelpfennig sein Rassismus und „viele Ressentiments, die Venatier in der NS-Zeit vertreten hatte, […] ironisch ummantelt wieder auf“. Venatiers Witwe betreute seinen Nachlass, und der Autor der biografischen Skizze weist darauf hin, dass auch Venatiers Tochter in Verbindung zu neonazistischen Organisationen steht.

Daniel Sieverding skizziert Biografie und Werk des in Innsbruck geborenen Kurt Ziesel, der von 1911 bis 2001 lebte und sicherlich zu den widerwärtigen Vertretern der Nazi-Dichter-Garde gehört. Dass Bundeskanzler Helmut Kohl ausgerechnet ihn im Jahr 1996 für sein angebliches „Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unserer Bundesrepublik Deutschland“ lobte, muss allen Opfern des Faschismus wie Hohn in den Ohren geklungen haben. Denn Ziesel war ein bekennender Nationalsozialist und nach dessen Zerschlagung „Gründungsmitglied (1960) der Gesellschaft für freie Publizistik (GfP), die zum Sammelbecken ehemaliger NSDAP- und SS-Angehöriger avancierte und auch Holocaustleugnern – bis heute – ein publizistisches Forum bietet.“

Mit seinen im „Dritten Reich“ veröffentlichten Romanen war Ziesel stets für die „Reinerhaltung der Rasse“ eingetreten, damit der „Bestand des Deutschtums“ und die „arische Volksgemeinschaft“ erhalten bleibt. Wie die meisten seiner nationalsozialistisch denkenden Kollegen idealisierte er das Kriegserlebnis, das Soldatenleben und den „Führer“. In der Bundesrepublik veröffentlichte Ziesel politische Schriften, mit denen er den Antikommunismus bediente, war in zahlreiche Prozesse „gegen Politiker, Schriftsteller, Journalisten, Publizisten – von Willy Brandt über Günter Grass zu Günter Wallraff“ verwickelt und trat „nach 1950 vor allem in Verbänden und Stiftungen in Erscheinung“.

Der Tiefpunkt seiner Ausfälle fand wohl 1972 statt, als er Brandt mit Hitler verglich. So lässt sich gerade anhand von diesem zwielichtigen Autor aufzeigen, wie schnell und in welchem Maße die Bundesrepublik Deutschland unverbesserlich Nazis wieder gewähren ließ, sodass diese sich in den höchsten Kreisen der Nachkriegs-Gesellschaft etablieren und Einfluss nehmen konnten.

Rolf Düsterberg hat zusammen mit seinen ehemaligen Studenten einen weiteren Band vorgelegt, der notwendige Grundlagenforschung betreibt. Er enthält nützliche Hinweise und Anregungen zur weiteren Nachforschung. Es ist zu wünschen, dass es bald aufbauend auf diese „biografischen Studien“ tiefer gehendere Untersuchungen der Werke dieser Nazi-Autoren geben wird. Denn es besteht nach wie vor die Notwendigkeit, diese soziologisch und psychologisch zu interpretieren und vor allem ihre Wirkungsmechanismen zu analysieren.

[1] Agnes-Miegel-Gesellschaft e.V., von Annelise Raub. In: Literarische Gesellschaften in Deutschland. Ein Handbuch, hg. v. der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften e.V., bearbeitet v. Christiane Kussin, Aufbau-Verlag Berlin 1995, S. 234-236

[2] Klaus Vondung: Der literarische Nationalsozialismus. In: Die deutsche Literatur im Dritten Reich. Themen. Traditionen. Wirkungen, hg. v. Horst Denkler und Karl Prümm, Stuttgart 1976, S. 44-65, Zitate S. 51 und S. 52

Titelbild

Rolf Düsterberg (Hg.): Dichter für das "Dritte Reich". Band 2. Biografische Studien zum Verhältnis von Literatur und Ideologie.
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2011.
365 Seiten, 38,00 EUR.
ISBN-13: 9783895288555

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