Analyse eines Landes zwischen plemplem und ballaballa

Stefan Gärtner besucht in „Deutschlandmeise“ die Zentren des deutschen Wahnsinns

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Sommer 2011 machte sich Stefan Gärtner  auf Wunsch seines Lektors auf eine Deutschlandreise. Bei einem langjährigen „Titanic“-Redakteur wurde das natürlich keine touristische Rundreise, sondern eine polemische Tour durch ein „wahnsinniges Land“ – daher der provokante Titel „Deutschlandmeise“.

Auf vierzehn Stationen zwischen der Nordsee und den Alpen (einschließlich Mallorca) erkundet der Autor die Desastrosität und Debakelhaftigkeit der deutschen Zustände im 21. Jahrhundert. Den Auftakt macht die ostfriesische Insel Baltrum, wo Gärtner auf Schritt und Tritt über die deutsche Ordnungs- und Kontrollmeise stolpert. Danach geht der „Wahnsinnstrip“ im Uhrzeigersinn weiter nach Hamburg und auf die Insel Rügen, wo sich der zeitkritische Deutschlandreisende fiktiv mit der Bundeskanzlerin anlegt – schließlich gehört die Insel zu ihrem Wahlkreis.

Auch auf seinen nächsten Stationen Schwedt/Oder, Ostberlin und Dresden bewegt sich Gärtner auf ostdeutschem Terrain, ehe er dann im bayerischen Coburg beginnt, die Alt-Bundesländer unter die kritische Lupe zu nehmen. Nach einem Zwischenstopp in der Bier- und Weißwurstmetropole München landet er schließlich im Musterländle Baden-Württemberg. In Freiburg, der „Hauptstadt der Bio-Spießer und Fahrradhelm-Krüppel“ trifft er auf die „Generation Facebook“, die an ihrem Internet-Autismus zugrunde geht. Der Querulantenwahn begegnet ihm dagegen in Stuttgart – und das nicht nur wegen Stuttgart 21.

Nach einem hessischen Aufenthalt (Offenbach, Frankfurt und Kelkheim) ist Köln nur Zwischenstation auf dem Weg in die Bielfelder Heimat. Doch zuvor gibt es einen Abstecher nach Mallorca, ins sogenannte 17. Bundesland. Hier besucht Gärtner jedoch nicht den legendären Ballermann-Strand, sondern trifft sich mit Alt-Rocker Peter Maffay in einem Café im Nordosten der Insel.

Nach Tausenden Kilometern voller Verwirrung, Psychotik und Dummheit landet der Reisende in Bielefeld, das gar nicht so verrückt ist, wie immer behauptet wird. Nach knapp 200 Seiten ist die satirische Rundreise zu Ende. Die Analyse des Autors fällt erschreckend aus: Deutschland hat einen Vogel – eben eine Meise.

Titelbild

Stefan Gärtner: Deutschlandmeise. Streifzüge durch ein wahnsinniges Land.
Atrium Verlag, Hamburg 2012.
192 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-13: 9783855351992

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