Zwiegespräch mit Ely

Mit „Ich sitze nur GRAUSAM da“ setzt die österreichische Schriftstellerin Friederike Mayröcker ihr grandioses Alterswerk fort

Von Herbert FuchsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Herbert Fuchs

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Friederike Mayröcker, bald 88 Jahre alt, schreibt mit jedem Buch, das sie Jahr für Jahr vorlegt, an ihrem großen Alterswerk weiter. Es ist eine sprachlich wie inhaltlich fesselnde Auseinandersetzung mit den Unannehmlichkeiten und Gebrechlichkeiten des Alters, aber in den Blumen- und Landschaftsbildern und der genauen Beschreibung der unmittelbaren Umgebung des Ich auch eine Preisung dessen, was ist und das Leben ausmacht. Das Alterswerk ist, wie könnte es anders sein, ein „Erinnerungswerk“. Orte, Personen und Begebenheiten der Vergangenheit spielen in den Prosatexten eine wichtige Rolle. Es scheint, als schlüge die Ich-Schreiberin mit dem, woran sie sich erinnert, Lebenspflöcke ein, die ihr in der Rückschau Halt geben und ihrem alternden Leben in der Erinnerung an andere Lebensphasen Sinn und Bedeutung.

Mehr als alles andere sind Mayröckers Texte eine Liebeserklärung an Ernst Jandl, den großen österreichischen Dichter, der Jahrzehnte lang, ab 1954, Mayröckers Lebens- und Arbeitspartner war und 2000 in Wien verstarb. In ihren Veröffentlichungen der letzten Jahre ist Ernst Jandl mit seinem Namen oder als ER oder als E. J. oder als Ely präsent. In den neuen Texten von „ich sitze nur GRAUSAM da“ ist die Verbindung zu ihm besonders eng. Ely kommt bereits durch den Einschub „sage ich zu Ely“ in der zweiten Zeile vor. Viele Abschnitte sind intime Erinnerungen an ihn und Ausdruck einer großen inneren Nähe. „Von Ely träumte ich heute nacht der küszte mich auf meinen Scheitel auf meine Stirn.“ Und einmal vergleicht die Autorin Elys Augen mit Rosen und „graublauen Seidenblumen.“ „Ich komme von Eli nicht weg“, sagte Mayröcker in einem Gespräch, „der verfolgt mich irgendwie. Er ist schon manchmal die Figur von Ernst Jandl, aber dann ist er auch wieder eine andere Figur.“

Der vielfache Einschub „sage ich zu Ely“ setzt den Ton für ein Zwiegespräch, für eine liebevolle, Schutz und manchmal Hilfe suchende Hinwendung an den einstigen Freund. Der Satz suggeriert eine Nähe, die anrührend ist. Der Geliebte ist in der Erinnerung da, als wäre er anwesend. Aber es ist nur eine scheinbare Nähe, die die Einsamkeit nicht verdrängen kann. Die Zwiegespräche sind eigentlich Monologe. Über dem Satz „sage ich zu Ely“ liegen Melancholie und Traurigkeit.

Der Titel des neuen beeindruckenden Buches der österreichischen Schriftstellerin, „ich sitze nur GRAUSAM da“, wird in der ersten Textzeile aufgegriffen, kommt im Folgenden häufig vor und taucht in den Schlusszeilen auf. Der Titel wird zu einem wichtigen Motiv, das dem Buch einen Rahmen und eine Struktur gibt und einen inhaltlichen Akzent setzt. Erschreckend unvermittelt verweist er auf die Situation der Ich-Schreiberin. Das großgeschriebene „GRAUSAM“ nimmt dem Dasitzen jeden Schein eines einfachen Wartens oder Beobachtens, des Nachdenklichen oder Kontemplativen. Das Wörtchen „nur“ betont die Einengung des schreibenden Ich, das, so scheint es, zur Untätigkeit und zum Alleinsein verurteilt ist. Der Satz „Ich sitze nur GRAUSAM da“ klingt wie der Hilferuf eines einsamen Menschen. Verstärkt wird diese Tonlage durch Bilder, Vergleiche und bisweilen geheimnisvolle Metaphern. „Es gibt diese Nachtfalter welche die Tränen der Menschen trinken“, heißt es da und von der „Beweinung / Bewaldung der Seele“ ist gleich in den ersten Zeilen die Rede.

Allerdings gleitet der Text nie in vordergründige Larmoyanz ab. Eine melancholische Grundstimmung ist zwischen den Zeilen mancher Texte zu spüren, eine „ruhige Verzweiflung“ der Ich-Schreiberin über die zunehmende eigene Hilflosigkeit, auch über die Einsamkeit, der sie sich ausgesetzt fühlt. „Weinen“ zieht sich als Motivwort durch die Texte. „Habe weinend“, so heißt es einmal, „die verstreuten Zuckerstücke vom Küchenboden aufgehoben oder klaube weinend den verstreuten Würfelzucker auf, die leeren Säckchen, Folien, zusammengeknüllten roten Servietten“. Das klein gewordene Leben wird von Tränen, einer tiefgründigen Lebenstraurigkeit, wie selbstverständlich, begleitet.

Diese unüberhörbaren melancholischen Töne werden durch eine unbändige Sprachlust der Schreibenden relativiert und durch eine Fülle von Blumenbildern, die in berückender Weise die Schönheit der Natur preisen, und durch eine Respekt heischende Bereitschaft der Ich-Schreiberin zur Wahrheit und Offenheit sich selbst gegenüber zurückgedrängt. Die Ich-Schreiberin erwehrt sich der Lebenstraurigkeit auf ihre Weise. Das imaginierte Zwiegespräch mit Ely und all den Freunden gehört dazu, aber auch der Rückzug in die Erinnerungen an Erlebnisse vergangener Tage.

Die Aufzählung von Blumennamen und die Beschreibungen der Blumen sind mehr als ein schmückendes Sprachspiel. Die Blumen stehen für die Schönheit und die Lebendigkeit des Lebens, das der Ich-Schreiberin – sie spricht einmal von ihrer „Hortensienseele“ – nur noch bruchstückhaft gelingt und langsam zu entgleiten droht. Die Natur der Außenwelt ist zwar unerreichbar weit weg – „jetzt wo sich 1 tiefe Kluft zwischen meiner Auszenwelt und meiner Innenwelt aufgerissen hat“ –, aber sie wird über poetische Bilder eingefangen und lebendig gemacht. So werden in dem Vergleich „die Zacken der Berge die Zacken der Tulpen“ die Bergspitzen und Tulpenblätter eins; Nähe und Ferne werden zusammengeführt und über die Sprache das, was außen ist, herangeholt.

Die Benennung der Blumen hat magische Züge. „Das verhärtet sich alles so, sage ich zu Ely, etwa diese Abneigung gegen Mozartmusik, sage ich, aber das verklärt sich auch alles so, sage ich, etwa die Liebe zu Bach, alles so BOHREND einerseits, alles so berauschend andererseits, im Alter verhärtet: versteift sich alles, man trachte lieber nach Verzauberung und Verklärung und Schönheit, knospenden Giottobäumen …..“.

Das Fantasievolle wird immer wieder mit nüchternen Beobachtungen des Alltags kombiniert: „der Arzt telefoniert er habe sich den schmerzhaften Finger selber aufgeschnitten (wie borderline Patienten sich selber aufschneiden).“ Übergangslos gehen die Bilder und Vergleiche und die Fluchtwege in die Vergangenheit in sachlich-nüchterne Beschreibungen des Alltags und der Altersgebrechlichkeit über. Pathos ist Mayröcker fremd. Der Erinnerungsstrom wird unvermittelt durch Sätze, die die Schwächen des alternden Körpers zeigen, unterbrochen. „Ich bin krank“, heißt es dann, „ich habe Ausdünstung, Wadenkrampf“. Und an einer anderen Stelle: „Ich sasz mit Ely und starrte auf das Geschehen in meinem Körper was da alles versagte versiegt war was wehtat und krüppelte usw.“.

Sprache und Schreiben dienen nicht nur der Selbstbefragung und Selbstbeobachtung, die vor detailgenauen Schilderungen von Altersgebrechen nicht zurückschrecken, sondern sind vor allem ein Akt der Abwehr des Verfalls, ein „Anschreiben“ gegen die „grausamen“ Schwächen des Alters. Indem die Autorin sie benennt, rückt sie sie auf subtil-poetische Weise von sich weg, objektiviert sie durch die Sprache, macht sie im wahren Sinn des Wortes „dingfest“ und nimmt ihnen jede allzu biografisch-persönliche Bedeutung. Der Leser wird Zeuge, wie ein trotz oder gerade wegen des Alters selbstbewusstes Dichter-Ich („das miszglückte Leben aber die schönen Künste“) sich nicht einengen lässt, sondern aus den Alterserfahrungen den Stoff für ein berührendes und spannendes Sprach-Abenteuer zur Erforschung und Darstellung eben dieses alternden Lebens zieht.

Erinnerungen und Erfahrungen der Gegenwart, Vergangenheit und Jetztzeit vermischen sich; Schlafen, Träumen und Schreiben werden ununterscheidbar; Vorstellungen und Gedanken springen von einem Punkt zum anderen, so dass eine Kette von Sprachbildern entsteht. Die Zeit als Unterteilungsprinzip des Lebens wird aufgehoben. Zeitepochen schieben sich ineinander und Zeitabläufe legen sich übereinander. Zeitsprünge werden nicht mehr als solche wahrgenommen und Vergangenheit und Gegenwart werden sprachlich zusammengeführt. Erinnerungen und Träume werden zu Erfahrungen, in denen sich Leben verdichtet und dadurch fassbar wird.

Weil viele Texte als Traumpassagen, Erinnerungstexte, Selbstgespräche und Zwiegespräche daherkommen, kann man die Texte von Friederike Mayröcker als Gedankenströme aus Erinnerungen und Sprachbildern, die eine eigene Logik entwickeln, verstehen. Assoziative Wort- und Satzketten sind für ihr Schreiben charakteristisch. Petrarca – der mögliche Buchtitel „études“ – Nachtfalter – „die Zacken der Berge die Zacken der Tulpen“ – ein Telefonanruf des Arztes – mit diesen Wörtern, die kaum etwas miteinander zu tun haben, beginnt das Buch. Die sprunghaften Aneinanderreihungen von verschiedenen Eindrücken und Bildern ermöglichen einen Blick in die Seelenwelt der Schreiberin. Ihre Gedanken schweifen, wie es scheint, ab, gleiten vom hundertsten zum tausendsten und sind dennoch in sich stimmig, weil sie sich aus vielen Einzelteilen und ganz verschiedenen Eindrücken zum Bild eines alternden Menschen verbinden. Der Text wird zum Abbild des Gedankenstroms im Kopf der Schreiberin.

Das Nebeneinander von verschiedenen Eindrücken, Dingen und Personen macht den Eindruck ungeplanter Spontanität. Dabei sind es hoch künstlerische Texte, die entstehen. Motive wie der Schwan auf der Traun oder die Freundin mit ausgebreiteten Armen, die Blumen natürlich und die Alltagsbeschwernisse oder Sätze wie „ich renne mit gefalteten Händen und hocke mich ins Gezweig“ begegnen in vielen Passagen, ähnlich wie die Namen von Personen und Orten, und geben den Sätzen ein unterschwelliges Gefüge, ein Geflecht aus sich wiederholenden Erfahrungen und Situationen.

Elliptische und satzzeichenlose Sätze und Abschnitte, die mitten im Satz abbrechen, sind der Versuch, den Gedankenstrom in Sprache umzusetzen. Dazu dienen auch assoziative Aneinanderreihungen von Wörtern und Namen, Vergleiche, Wortspiele, Einsprengsel von Zitaten, kursiv Gedrucktes oder in Klammern Gesetztes und Wiederholungen. Die Sprache führt vor, wie Kopfbilder, Gedankenströme, Erinnerungen und Bewusstsein funktionieren und wie daraus ein Dichtkunstwerk entsteht. Nicht eine äußere Welt wird dargestellt, keine einzelnen Ereignisse, aus denen sich so etwas wie eine Handlung oder eine Geschichte ergeben könnte. Die Texte zeigen allein die innere Gefühlswelt und Gedankenwelt der Ich-Schreiberin, die im Moment des Schreibens entstehen und eine Form annehmen, die diese Innenwelt auch für andere verstehbar macht.

Mayröcker zitiert einmal den Begriff „Momentanisieren“, den der französische Schriftsteller Francis Ponge, einer der Autoren ihrer „Schreibwelt“, geprägt hat, und meint damit auch ihr eigenes Schreiben. Sie hält Momente der Vergangenheit und der Gegenwart in bestimmten Räumen und zusammen mit bestimmten Personen und konkreten Dingen fest, macht sie durch Versprachlichung anschaulich, holt sie aus dem Vergessen heraus und erschafft ein Mosaik aus Erinnerungsstücken und Jetztzeit-Erfahrungen, die durch Wiederholungen ihre Bruchstückhaftigkeit verlieren und nach und nach ein ganzes Leben ergeben.

Mayröcker liebt das Spiel mit Namen und Namenskürzeln. Sie schafft ein Netzwerk von Personen: Es können Freunde und Freundinnen sein – E. S. kommt gegen Ende des Buches immer häufiger vor –, Komponisten, Dichter wie Jaques Derrida, ihr ständiger „Begleiter“, aus dessen Buch „Glas“ sie zitiert, oder Jean Genet oder der expressionistische Maler Raoul Dufy oder Gerhard Richter oder der österreichische Schriftsteller Peter Waterhouse oder Man Ray. Die Namen erzeugen eine eigene Referenzwelt. Das Ich schafft sich über sie eine vertraute Umgebung. Ein ganzer Kosmos an Vorstellungen wird durch die Namen aufgetan. Das schreibende „Ich“ reiht sich ein in eine andere Welt aus Wörtern, Gedanken, Vorstellungen und Bildern.

In der Sprache „verwandeln“ sich – die Ich-Schreiberin benutzt dieses Wort – die einzelnen Personen, sie treten aus der Erinnerung in eine dichterische Realität und sind „da“. So stellt sie sich Raoul Dufy, den französischen Maler, vor, wie er am Fenster steht und „aufs offene Meer und den Strand von Camaiore“ blickt. Daraus macht sie, wie sie es nennt, „1 exzessive Szene“: „als Dufy die Vorhänge zur Seite schob, seine Hände an die Schläfen legte und so das Bild ihm vorschwebte, sich ihm vorschwärmte, welches er wenige Momente später zu malen beginnen würde.“ Es ist der gleiche Vorgang, der auch ihr Schreiben inspiriert. Aus Erinnerungen und Anschauungen, aus Namen von Personen und Orten, aus Gegenständen und Blumen werden Sätze und Sprachbilder, die nicht weniger, sondern nur anders real sind. Sie werden zu einem „Gemälde“ der Mayröcker’schen Fantasie.

Die Namen aus dem Kreis der Freunde und Bekannten und von Autoren und Künstlern und Komponisten, die die Schreiberin beeindruckt und beeinflusst haben, sind Zeichen eines monologisierenden Sprechens, das auf die Außenwelt wenig Rücksicht nimmt, Scheinsignale setzt, die bei näherer Betrachtung keine Erklärungen geben und stumm bleiben. Die Namen sind Markierungen und Wegemarken im Alter zur Vergewisserung des vergangenen Lebens. Das Moment der Fremdheit, des undurchdringlich Privaten und Persönlichen ist ein charakteristischer Teil von ihnen.

In die Spannung zwischen bewusstem Schreibvorgang und klarer Strukturierung der einzelnen Abschnitte auf der einen Seite und einer manchmal hermetischen Sprache und sehr persönlichen Notierung von Ereignissen, in der die Erinnerungen und Gedanken als (scheinbar ungeordneter) Gedächtnisstrom abgebildet werden, liegt ein großer Lesereiz Mayröcker’ scher Prosa. Die Lektüre wird zu einer Entdeckungsreise in das Innere der Schreibwelt einer großen betagten Schriftstellerin.

Das Buch ist ein fantastisches Spiel mit Träumen. Mehrere Texte beginnen mit dem Moment des Erwachens aus einem Traum, des Fast-Wachseins, mit dem Zustand zwischen Schlafen und Träumen und dem Aufwachen in die Wirklichkeit hinein. Das Träumen verzaubert das Leben am Morgen – Kanarienvögel „machen Musik zitronenfarbene Musik auf eintausend Harfen“ –; Träume versetzen die Ich-Schreibern in „eine andere Welt“, so dass sie Klaviermusik von Robert Schumann hört und glaubt, ihm im Café Tirolerhof gegenüberzusitzen, wie sie das in ihrem Buch „1 Schumannwahnsinn“ schildert. „Diese Träume sie tauchen auf aus dem Nichts und verschwinden ins Nichts.“

Mayröckers Buch ist ein grandioser Erinnerungstext. Das Zurückgehen in die Vergangenheit ist ihr Versuch, den Beschwernissen der Gegenwart auszuweichen, sie sozusagen mit den Erlebnissen vergangener Jahre „niederzuschreiben“ und unbedeutend zu machen. Die Vergangenheit schiebt sich mit großem Gewicht, mit Namen von Personen, Orten, mit Erinnerungen an die Kindheit in D., an „Muzette oder Mama“, an Freundschaften und Liebschaften in den Vordergrund. „Ich weisz nicht“, lässt die Autorin ihre Ich-Figur einmal sagen, „ob ich mich tatsächlich daran erinnere oder ob es nur die Phantasie einer Erinnerung ist.“

„Ich sitze nur grausam da“ ist auch ein Buch über die Einengung und Beschränkung des Lebens durch das Alter, ein Buch über die Flucht aus der Gegenwart in die Vergangenheit und damit die Überwindung des Alters wenigstens für den Augenblick. Und es ist natürlich ein Buch über Ely, der diesmal intensiver noch als in früheren Veröffentlichungen präsent ist. Es ist ein großes „monologisierendes Zwiegespräch“ mit ihm.

Es ist ein Buch auch, in vielen Zeilen und immer wieder, über das Schreiben. „Das Schreiben ist mein Hochamt“, heißt es einmal. Und an einer anderen Stelle: „Mein (mit offenen Armen) Verhältnis zur Sprache“, oder: „Ich wollte nur zu Hause sitzen und lesen und exzerpieren und durch das Lesen und Exzerpieren einen Anstosz empfangen für das eigene Schreiben, oft genügte ja 1 Wort, 1 Zeile, 1 Absatz, um einen solchen Ansatz für das eigene Schreiben zu empfangen.“

In ihren Erinnerungen, in ihrer Selbstbeobachtung und in der Beobachtung ihrer Umgebung findet die Ich-Schreiberin eine Fülle solcher Schreib-„Anstösze“. Vor allem aber wird das Alleinsein zum kreativen Schreibmoment, die Sprache zum Mittel, der Einsamkeit einen Sinn abzuringen. Indem die Ich-Schreiberin ihr Leben in Sprache „übersetzt“, wird sie ihrer Einsamkeit Herr und „überwindet“ ihr Alter. „Alles aus Einsamkeit komponiert, heute ½ 5 Uhr morgens“. Der Satz gilt für alle Texte des Buches. Aber es gilt auch der folgende Satz: „Ich bin 1 Fauvist der Sprache, vielleicht 1 Dufy im Alpengebirge, sage ich, mit Papillons im Haar in den Haaren.“ Vielleicht sollte man sich die Autorin von „ich sitze nur GRAUSAM da“ so vorstellen: mit Schmetterlingshaaren.

Titelbild

Friederike Mayröcker: ich sitze nur GRAUSAM da.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
142 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-13: 9783518422830

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