Zauberbücher

Über Helmut Birkhans Studie zu „Magie im Mittelalter“

Von Jörg FüllgrabeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jörg Füllgrabe

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Möglicherweise in allgemein bzw. wirtschaftlich krisenhaften Zeiten mehr als während der Phasen entsprechenden Wohlbefindens gewinnt das Feld des Übernatürlichen und ‚Exoterischen‘ an Interesse. Demgemäß vermehrfacht sich die Zahl der dieses Feld bedienenden Publikationen, über deren Seriosität nichts weiter zu sagen wäre, als dass diese meistenteils nicht vorhanden ist.

Gewissermaßen als Beleg dafür, dass es auch ganz anders geht, hat der Münchner C. H. Beck-Verlag in seiner ‚Beck’schen Reihe‘ ein Buch herausgebracht, das allen denjenigen, die sich mit dem Thema ‚Magie‘ im allgemeinen oder der Geistes- und mentalitätsgeschichte des Mittelalters im besonderen befassen beziehungsweise Interesse an dieser Thematik haben, in knapper, aber nicht verkürzter, anschaulicher und – nicht nur – sprachlich unterhaltsamer Weise ein gern gelesener Begleiter sein wird.

Der Wiener Germanist und Keltologe Helmut Birkhan stellt in diesem Buch die wesentlichen Überlieferungen zum Thema anschaulich zusammen und erläutert sie. Zahlreiche zeitgenössische Abbildungen die teilweise aus mittelalterlichen Handschriften beziehungsweise frühneuzeitlichen Drucken stammen, aber eben auch einige gewissermaßen ‚archäologische‘ Fotodokumente, in denen die seinerzeitige Umsetzung beschriebenen Praktiken eindrucksvoll belegt ist, bilden ein adäquates Pendant zum lebendigen und anschaulichen Stil des Verfassers.

Im Rahmen von fünf größeren Kapiteln wird das Thema ‚Magie‘ dargestellt, wobei der zweite Großabschnitt über „Die dem Aberglauben und der Magie zugrunde liegenden Denkmuster“ eine Fortführung des knappen ersten Kapitels zur „Begriffsbestimmung der Magie“ darstellt. Hier werden gewissermaßen ‚magische Denkmuster‘ aufgewiesen, die – etwa in dem meines Erachtens besonders spannend zu lesenden und zu überdenkenden Unterabschnitt zu unzulässig hergestellten Kausalzusammenhängen – auf einmal eine überraschend ausgeprägte Aktualität gewinnen können, auch wenn die entsprechenden gegenwärtigen Fehl- beziehungsweise Scheininterpretationen oft genug hinter seriös wissenschaftlichen oder auch politischen Argumentationen verschleiert erscheinen.

Diese Aspekte werden von Helmut Birkhan auch im Zusammenhang mit der sogenannten ‚wissenschaftlichen Magie‘ vertiefend dargelegt. Hier sind einerseits etwa ‚magische Quadrate‘ thematisiert, aber eben auch in weitestem Sinne vorwissenschaftliche Aspekte der ‚Drakontologie‘, aber natürlich vor allem etwa im Kontext der Pharmazie aufgewiesen.

Zurück aber zur mittelalterlichen Magie; Helmut Birkhan zeigt auf überzeugende weise Strukturen von Vorstellungen und (Aber-)Glauben auf, die über den engen Bereich der Mentalitätsgeschichte, zu der sie zweifellos gehören auch manches in der großen, politischen Geschichte in Mittelalter und Früher Neuzeit erklären helfen mag. Das Zitieren magischer Formeln – etwa im Abschnitt über Schadens- oder Heilszauber – wirkt in dieser Hinsicht weiter verdeutlichend und vertiefend, hier wird der Einstieg in das direkte Feld der mittelalterlichen Magie noch viel unmittelbarer möglich.

In den Kontext allgemeinerer, historischer und geistesgeschichtlicher Zusammenhänge gehören die in vorliegender Publikation ebenfalls thematisierten Zauberbücher, aber auch die traurigen Kapitel der Juden- und Hexenverfolgungen hinein. Gerade in letzterem Zusammenhang werden für den gestrafften Raum viele Aspekte angesprochen, die nicht nur das Phänomen der „Zunahme der Magie im Spätmittelalter“ – so der Titel des entsprechenden Hauptabschnitts – thematisieren, sondern in konkrete, lebenswirkliche Zusammenhänge bringen. Bemerkenswert ist, dass Helmut Birkhan hier den Hexenskeptiker Johann Weyer ausführlich zu Wort kommen lässt und dabei vor allem die trotz entsprechender progressiver Grundgedanken nicht völlig vorurteilsfreie Sicht Weyers nachzuvollziehen hilft.

Mit dem ‚Hexenwahn‘, der als Phänomen vollumfänglich bereits in die Frühe Neuzeit fällt, schließt der Band über die „Magie im Mittelalter“. Zwar vermag die vorliegende Publikation natürlich nicht umfangreichere Veröffentlichungen wie etwa das „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“ zu ersetzen, eine bloße Hinführung zur Thematik ist es aber auch nicht. Helumt Birkhans „Magie im Mittelalter“ stößt in eine Lücke vor, die sich, wie bereits angesprochen, gerade auch durch die zahlreichen unseriösen Veröffentlichungen zum Thema auftut. Als lesenswertes und lesbares Buch, das neben Anregungen zum Weiterlesen bereits etliches an Informationen vermittelt, sollte es den Interessierten – gleich ob aus dem Bereich der Wissenschaft oder lediglich Neugierigen – ans Herz gelegt sein. Dies gilt gerade angesichts eines Themenbereichs, eben des Glaubens an die Realität magischer Einflüsse, der zu recht auch laut Aussage des Klappentextes zeigt‚wie fremd und wunderbar, aber auch wie erschreckend wirkungsmächtig der Galube an jenes Zwischenreich einst war – und mitunter bis heute geblieben ist. Dem sei nichts hinzugefügt.

Titelbild

Helmut Birkhan: Magie im Mittelalter.
Verlag C.H.Beck, München 2010.
205 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783406606328

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