Kein Ausweg, nirgends

Elmer Mendoza zeichnet in „Das pazifische Kartell“ das Bild einer mexikanischen Gesellschaft, die den Ausweg aus Korruption, Gewalt und Angst nicht findet

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als Schauplatz von Krimis ist Mexiko eng verbunden mit Themen wie Drogen, Drogenkartelle, Korruption, Gewalt und mit dem hilflosen Kampf dagegen. In immer neuen Variationen wird das Bild einer Gesellschaft gezeichnet, die den Drogenkartellen ausgeliefert ist, die als Vorhof zu den USA einerseits dazu dient, alles an Drogen in die Staaten zu transferieren, was nur denkbar ist. Andererseits gebärden sich US-Amerikaner in Mexiko, als ob es so etwas wie dessen Souveränität nicht gäbe.

In dieser Gemengelage ist an ein rechtsstaatliches Handeln nicht zu denken. Polizisten sind entweder korrupt oder tot. Das Gesetz ist nur gut für die Schaubühne. Statt dessen kämpfen die Kartelle um Macht und Durchsetzungskraft und scheren sich einen Kehricht darum, was irgend eine Staatsmacht dagegen haben könnte. Nötigenfalls wird sie gekauft.

Das mag ein reales Abbild Mexikos sein oder – wie häufig im Krimigenre – die Handlungsfolie, auf der dann die Geschichten von Recht und vom Kampf gegen die Gewalt erzählt werden. So wie das Krimi New York ein eigenes Gesicht hat, Chicago, London, Paris oder auch Südafrika. Das ist kein Schade, denn in der Tat gibt es keinen anderen Weg, sich ein Bild von einem Land, einer Stadt, einer Kultur oder einer Gesellschaft zu machen. Selbst die persönliche Anschauung ist derart von der Geschichte der kulturellen Muster geprägt, die mit einem beliebigen Schauplatz verbunden ist, dass sie Vor-Urteile weitestgehend bestätigen wird.

Insofern ist auch dieser Krimi Mendozas ein weiterer Baustein eines Mexiko-Bildes, das sich jeder formen wird, je nach Intensität des Interesses naheliegend anders, aber immer mit denselben Medien. Nehmen wir also einmal an, dass Mendoza die mexikanische Realität besonders spannend schildert, wie eine spanische Zeitung geschrieben haben soll. Und was folgt daraus? Dass wir nach der Lektüre wissen, was los ist in Mexiko? Kaum zu glauben.

Und solange jemand kein weiteres Interesse an Mexiko entwickelt, wird sich die Aufmerksamkeit dann doch wohl eher wieder aufs Allgemeine richten: Darauf nämlich, dass dieses Krimi-Mexiko sich als Gesellschaft zeigt, die ihren Frieden nicht finden kann. Was in Südafrika oder China als Übergangsphänomen zu verstehen ist, gerät hier zum endlosen Zustand einer Gesellschaft ohne Frieden. Gewalt ist das alltägliche Kommunikationsmittel, der eigene Vorteil, die Ansammlung von Macht und der Machterhalt dominieren. Alles andere, was zu einer Zivilgesellschaft gehört, ist nur als Farce vorhanden. Dieser Staat ist eine Fassade, die wahren Machtträger sind private und kriminelle Gruppen. Dieses Krimi-Mexiko ist das Exempel einer Gesellschaft, die in einem endlosen Teufelskreis gefangen ist.

Auch Mendozas Roman ist als allegorische Erzählung über die Grundbedingungen zu verstehen, was eine zivile Gesellschaft eben nicht ausmacht. Dies wird aber nicht an Liebes- oder Heldengeschichten entlang erzählt, sondern an einer Mordgeschichte. Innerhalb kurzer Zeit werden zwei junge, miteinander befreundete Frauen erschossen, ein junger Hotelgast wird tot aufgefunden, kurze Zeit später ein Amerikaner im selben Hotel.

Detective Edgar Mendieta, genannt Zurdo, wird allerdings nicht mit der Suche nach dem Täter eingeführt, sondern bei einem Anfall von Depression. Der bringt zwar nichts ein, aber Zurdo trägt den ganzen Roman hindurch einen Hauch von Sinnlosigkeit vor sich her. Der wird dadurch verstärkt, dass er das erste Opfer gut kennt und zugleich durch seinen Vorgesetzten von dem Fall abgezogen wird. Was ihn naheliegend nicht daran hindert, doch zu ermitteln. Am Ende erfolgreich: Dahinter steckt einer der Mächtigen dieses Landes, der sich sein eigenes Gesetz macht. Und eine Frau, die das nicht versteht, stirbt.

Nun ist das „Pazifische Kartell“ wie der Vorgänger „Silber“ ein avanciert geschriebenes Stück Literatur, das die stilistischen Grenzen des Krimi-Genres schlichtweg ignoriert. Das hat Qualitäten und seine Mühseligkeiten. Es ist nicht jedermanns Sache, wenn Sprecher und Handlung nicht voneinander unterschieden werden, wenn die Handlungsorte von Absatz zu Absatz wechseln können. Wenn die Erzählung sich einen Spaß daraus macht, ihre Leser ein wenig hinzuhalten. Wenn dann noch der geeignete Held hinzukommt, hier großmäulig und sentimental zugleich, dann ist daraus eine Menge Lesevergnügen zu gewinnen. Aber das muss man dann auch wollen.

Titelbild

Elmer Mendoza: Das Pazifische Kartell. Kriminalroman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
311 Seiten, 8,99 EUR.
ISBN-13: 9783518463079

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