Alles klar bei Johnny

Zu „Cash“ von Johnny Cash

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Meine erste Begegnung mit der Biografie von Johnny Cash war ein Film, der nach dem Buch „High Fidelity“ von Nick Hornby entstanden ist. Als Freund der analogen musikalischen Konserve, auf schwarzem Vinyl gepresst, schaut man sich mit mehr als pflichtbewusstem Eifer den Film über den Schallplattenladen „Championship Vinyl“ an. An einer entscheidenden Stelle gibt die Hauptfigur einen Einblick in den eigenen kulturellen Hintergrund und nennt als seine erzieherisch und literarisch einflussreichste Lektüre: die Autobiografie „Cash“ von „Johnny Cash“. Dieses schon vor einiger Zeit erstmals veröffentlichte autobiografische Dokument von Johnny Cash wurde jetzt erneut in einer aufwendigen Ausgabe herausgegeben. Der vorliegende Band, mit schönen Fotos versehen und im Überformat 19 x 25 auf schwerem Papier gedruckt, gibt dem Text einen würdigen Rahmen und macht das Lesen der Autobiografie zu einer Freude. Allerdings nur auf dem Sofa, ist der Band doch für eine mobile Lektüre etwas zum groß geraten.

Johnny Cash wäre 2012 achtzig Jahre alt geworden. Dies allein wäre schon Anlass genug für eine Neuauflage der Autobiografie. Aber das runde Todesjahr in Verbindung mit dokumentarischem Wert und literarischer Qualität macht das Buch umso lesenswerter. Die Authentizität der Schilderungen, die Cash zusammen mit dem Journalisten Patrick Carr aufgezeichnet hat, macht nicht nur Cashs Leben als Country- und Musik-Legende deutlich, sondern zeichnet auch das Bild eines ringenden, oft gequälten und es sich niemals leicht machenden Menschen, der auch in seiner kritischen Selbstbeschreibung seine Lebensfehler nicht verschweigt. Dies hebt die Autobiografie auch von der sprachlichen Seite positiv aus der Vielzahl der Autobiografien von Musikern und Politikern hervor. Seinen Bekanntheitsgrad verdankt der „Man in Black“, wie er sich auch selbst gerne nannte, in den letzten Jahren auch dem Film „Walk the Line“. Und zu seinem die Musikgenres übergreifenden Ruhm haben vor allem seine Aufnahmen und Alben der letzten zehn Jahre, allen voran die zwei Monate nach seinem Tod 2003 erschienene CD-Sammlung „Unearth“ und die Reihe der „American Recordings“ beigetragen.

Die Autobiografie, und das macht sie auch so angenehm lesbar, wird von einer gewissen Altersweisheit und Entspanntheit getragen, die die Stationen in Johnny Cashs Leben in ihrer eigenen Problematik beschreiben. Dabei hat man eigentlich nie den Eindruck, Cash verzichtet auf schmerzhafte Details, die ihn unvorteilhaft erscheinen lassen. In dieser Unvollkommenheit kann man sich der Person hinter dem Musiker gut annähern und bekommt tiefe Einblicke in die Tiefgründigkeit von Cash’s Kosmos. Besonders interessant sind die persönlichen, manchmal auch skurrilen Einblicke in sein Leben: „Ich persönlich halte es nicht lange aus ohne Fried Chicken, Maisbrot aus der Pfanne und all die anderen Köstlichkeiten aus meiner Heimat. In einem Leben, das mich durch die ganze Welt führt, empfinde ich es als echten Nachteil, dass diese besondere Küche bisher kaum exportiert wurde. Einen Burger kann man fast überall auf der Welt finden, genau wie ein gutes französisches, italienisches oder chinesisches Restaurant. Aber versuchen Sie mal, in Sydney, Singapur oder Stuttgart gebratene Okra, black-eyed peas oder in der Pfanne gebackenes Maisbrot zu bekommen.“

Und immer schwingt eine gewisse Spiritualität – wenn man es denn so nennen will – bei seinen Worten mit, wenn er den Leser auf die Reise durch sein Leben mitnimmt. Tablettensucht, ein Raubüberfall auf das Landhaus der Familie in Jamaika und die Ermordung der Täter durch die jamaikanische Polizei und Justiz, seine Konzerte und die „Auseinandersetzungen“ mit June Carter – er spart keine Unannehmlichkeit aus und reflektiert sogar die Möglichkeit des Weglassens von Informationen. Und bei allen Beschreibungen thematisiert er seinen Glauben. Und so ist dem Christentum und seinem Glauben folgerichtig ein Kapitel gewidmet, denn der Glaube an Gott, davon ist er überzeugt, hat ihn überleben lassen.

So ist dieses durchweg interessante, viele Wissenslücken über Johnny Cash schließende Buch auch eine Hommage an den Künstler Johnny Cash, der sich während der Lektüre mit seinen Liedern aus den Lautsprecherboxen zu Wort melden sollte, so dass man meint, er steht trotz seines hohen Alter in irgendeiner Stadt bereit, zu sich selbst sagend: „Ich ziehe mein schwarzes Hemd an, schnalle der schwarzen Gürtel meiner schwarzen Hose zu, binde mir die schwarzen Schuhe, nehme meine schwarze Gitarre und gehe los, um für die Leute in dieser Stadt ein Konzert zu geben.“

Titelbild

Johnny Cash: Cash. Die Autobiografie.
edel Verlag, Hamburg 2012.
350 Seiten, 29,95 EUR.
ISBN-13: 9783841901439

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