Lustig samma, Puntigamer

Die Krimis von Wolf Haas gehören zu dem Vergnüglichsten und Spannendsten, was die deutschsprachige Kriminalliteratur zu bieten hat – mit „Brenner live“ jetzt auch als Hörbuch

Von Thomas HummitzschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Hummitzsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer kennt ihn nicht, den legendären ersten Satz einer jeden Kriminalkömodie aus der Feder des Österreichers Wolf Haas? „Jetzt ist schon wieder was passiert.“ Einsam und allein steht dieser Satz stets in der ersten Zeile, es folgt ein Absatz, eine Pause, ein Stillstand. Dieser Stillstand ist die eintretende Schockstarre, nachdem Wolf Haas die Leser in das kalte Wasser seiner Geschichten geworfen hat.

Dieses „Jetzt ist schon wieder was passiert.“ lässt dem Leser in seiner Schlichtheit keine Wahl, da es ihn mit der Unmittelbarkeit (jetzt) des Geschehens (was passiert) konfrontiert, dessen der Leser offenbar nicht zum ersten Mal (schon wieder) gewahr wird. Haas nimmt dem Leser das Recht, nach diesem Satz zu sagen: „Ach nein, heute lese ich was anderes.“

Und der Leser ist ihm dankbar, da diese kongenialen Geschichten – von denen inzwischen einige als Filmvorlage dienen („Komm, süßer Tod“, „Silentium“, „Der Knochenmann“) – von kriminologischer Kongenialität zeugen. Es ist kein Versehen, dass drei der sechs Krimis aus der Feder von Wolf Haas mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurden. Seine als Gesellschaftssatire entworfenen Romane sind aber auch einmalige Sprachkunstwerke im österreichischen Duktus. Als Leser hört man seine Figuren sprechen, so dass sich bei der Lektüre neben dem Lesevergnügen noch ein zweites einstellt, ein Hörvergnügen. Der Singsang aus der Welt des Grazer Privatdetektivs Simon Brenner steigt dem Leser förmlich in die Ohren.

Umso größer ist das Erlebnis, Wolf Haas, der schon mal mit seiner fiktiven Hauptfigur Simon Brenner verwechselt wird, live erleben zu können. Der Autor dieses Textes hatte vor zwei Jahren bei einer Doppel-Lesung von Wolf Haas und dem Autorenduo Michael Kobr und Volker Klüpfel, den Erfindern der oft gelobten Kluftinger-Krimis, die Möglichkeit. Ernüchtert lauschte er nach einer vergnüglichen Haas-Stunde den Kluftinger-Boys, deren lauter Schenkelklopfer-Charme mit dem oftmals leisen und tiefgründigen Witz des Österreichers Wolf Haas nicht annähernd mithalten konnte.

Doch nicht jeder hat die Möglichkeit, Haas live zu erleben (Quel dommage!), zumal es seit der Wiederauferstehung des bereits ums Leben gekommenen Kommissars in „Der Brenner und der liebe Gott“ stiller um Haas geworden ist. All jenen, die Haas verpasst haben (und auch jenen, die ihn noch gar nicht kennen), seien die „Brenner Live“-CDs aus dem Verlag Hoffmann und Campe ans Herz gelegt.

Diese zugegebenermaßen etwas simpel zusammengefügten Lesungsmitschnitte sind wunderbare Appetizer, die es vermögen, sowohl den Autor als auch seine Romane schmackhaft zu machen. Denn der Autor und Vorleser Haas verbindet seine Auszüge mit wunderbaren Anekdoten des – womöglich tatsächlich erlebten – Alltags. Zugleich beweist sich Haas als einer der wenigen lesenden Autoren, der sein Publikum zu unterhalten versteht. Da wird ein einkalkuliertes, aber ausbleibendes Handyklingeln schon mal lakonisch mit „Aber wenn sie nicht mitarbeiten wollen“ kommentiert oder über den Brenner hergezogen. Und wenn er dann gesteht, noch nie in Puntigam gewesen zu sein („Lustig samma, Puntigamer“) und sich zugleich schelmisch über die angeblich wissenden Leserzuschriften freut, die seine Beschreibungen als absolut korrekt loben, dann lacht man lauthals mit.

Um es auf den Punkt zu bringen: Haas ist Kult. Und dies aus ganz verschiedenen Gründen, die sich – und das ist keine Verlegenheitsaussage – Nicht-Haas-Kenner am besten selbst anlesen sollten. Wem die her formulierte Schwärmerei nicht ausreicht, der sollte vor der ersten Lektüre zu einer der „Brenner Live“-CDs greifen. Häppchenweise werden dort die Brenner-Krimis präsentiert.

Die bei der Hörprobe eintretende Zwerchfellbeanspruchung lässt vermuten, dass hier – einem Filmtrailer ähnlich – die Höhepunkte ausgewählt und attraktiv präsentiert werden. Man lasse sich davon nicht täuschen. Das was diese CDs in Auszügen versprechen, halten die einzelnen Romane, Seite für Seite. Und wem gefällt, was er hört, der zögere nicht und suche die Buchhandlung seines Vertrauens auf.

Titelbild

Wolf Haas: Brenner live. Live-Lesung.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009.
2 CDs, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783455306798

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