Das Schlimmste: der Familienurlaub

Martin Suter beobachtet die „Business Class“ beim Abschalten

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Burn-out! „Zuerst denkt Werder, es handle sich um eine besonders exklusive Feriendestination, Grand Hotel Burn-out, das Burn-out-Atoll oder Martha’s Burn-out, und ärgert sich, dass Grieder sich das zeitlich und finanziell leisten kann.“ Aber dann merkt er, dass Burn-out eine Krankheit ist. Stress, das kennt Werder, Burn-out war ihm neu. Und dass ausgerechnet Grieder das bekommen hat. „50-Stunden-Grieder, der immer entweder noch nicht gekommen oder schon gegangen ist, wenn Werder kommt oder geht.“ Aber was Grieder kann, kann Werder schon lange. Und so arbeitet er sich hoch „von der Stress- in die Burn-out-Liga“ und beginnt, „gezielt unter den Symptomen zu leiden. Unter den angenehmeren – mehr Alkohol als früher, beschleunigte Gewichtszunahme – und unter den heikleren – Verdauungsstörungen, Probleme im Bett.“

Wieder einmal spießt der Schweizer Erfolgsautor Martin Suter die Top-Manager mit seiner Präpariernadel auf, beobachtet und seziert sie wie ein Insektenforscher. Sein Thema ist, passend zu sommerlichen Jahreszeit, das „Abschalten“: Wie macht „die Business Class“ Ferien? Wie entspannt sie sich? Kurz gesagt: gar nicht. Schon aus den kurzen Pausen machen die Manager einen Konkurrenzkampf, aus den größeren Ferien ein Geschäft. So wie Werder, der am Schluss fast alles drauf hat, auf Abruf: „Jetzt arbeitet er nur noch am Plötzlich-grundlos-Weinen.“ Und die Familienmänner, deren schlimmstes Erlebnis der Familienurlaub ist. Weswegen sie auch möglichst vermeiden, ihn antreten zu müssen. Lieber Geschäfte vorschieben, auch wenn die nie zustande gekommen sind. Die Angst haben vor der Erkenntnis, dass der Laden auch ohne sie läuft. Die auch Angst davor haben, sich mit ihrer Frau oder, schrecklichste aller Vorstellungen, mit ihren Kindern beschäftigen zu müssen.

Es ist ein düsteres und tieftrauriges Bild, das Suter hier zeichnet. Ein Bild von einer gefühllosen, sich den selbstgemachten Zwängen ausliefernden Kaste. Leider sind die fünfzig Geschichten (einige sind aus früheren Büchern von ihm) zwar mitunter sehr witzig, aber allesamt auch sehr klischeehaft, die Personen holzschnittartig nach den gängigen Vorurteilen geschnitzt. Sie ziehen ihren Witz daraus, dass sich der Leser über die Figuren erheben kann und auf sie herunterschauen. Manche Formulierungen sind zwar treffend böse, aber trotz aller Treffsicherheit bleibt dennoch ein fader Geschmack zurück.

Titelbild

Martin Suter: Abschalten. Die Business Class macht Ferien.
Diogenes Verlag, Zürich 2012.
180 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783257300093

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