Mit Griff in die Klischeekiste

Martin Walkers erster Roman „Schatten an der Wand“

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es beginnt langsam: Lydia Dean ist gerade dabei, ihren Job in einem berühmten Londoner Auktionshaus zu verlieren, da tritt ein stattlicher, attraktiver Mann in ihr Leben. Und ein Kunstwerk. Major Manners hat nämlich seinen Vater beerbt und bringt ihr einen Stein, auf dem ein Stier abgebildet ist, „das Zusammenspiel von Form, Farbe und Textur machte sie schlicht sprachlos“. Wie sich schnell herausstellt, ist der irgendwo herausgebrochene Stein mit dem Bild darauf in Frankreich entstanden, etwa um die Zeit, in der auch die Höhlenmalereien von Lascaux entstanden sind. Nur ist ein Bild von einer ähnlichen Präsenz nicht bekannt – eine Sensation.

Dummerweise scheint der Stein von Mr. Manners’ Vater während des Kriegs irgendwo gestohlen worden zu sein, ein Affront gegen die „Grande Nation“, die natürlich ihre Kulturschätze wiederhaben möchte. Noch viel dümmer ist, dass der Stein aus dem Auktionshaus gestohlen wird, bevor er näher untersucht werden kann, nur einige Fotos – die Lydia gemacht hat und ihre Aufzeichnungen und Erinnerungen daran existieren noch.

Wie es in jedem besseren Unterhaltungsroman üblich ist, machen sich Lydia und Mr. Manners auf die Suche nach dem Ursprung des Steins, mit der Hilfe von zwei Kollegen, die Lydia wegen einer Expertise angeschrieben hatte, der Französin Clothilde, die natürlich kokett und keinem Abenteuer abgeneigt ist, und dem Deutschen Horst, der natürlich exakt und ein guter, wenn auch etwas steifer Forscher ist. Ebenso üblich ist, dass sich Lydia und Mr. Manners ineinander verlieben. Da ist ein wenig zu tief in die Klischeekiste gegriffen worden.

Dabei ist „Schatten an der Wand“ ein gar nicht mal allzuschlechter Unterhaltungsroman, und der erste Roman, den Martin Walker geschrieben hat, bevor er mit der Reihe um „Bruno“, den Dorfpolizisten im Südwesten Frankreichs, berühmt wurde. Eigentlich sind es drei Bücher: ein historischer Roman aus der Urzeit, einer aus der Zeit der französischen Résistance und ein Kriminalroman. Drei Bücher, die recht süffig und sehr lebendig geschrieben wurden, mit lebendigen Charakteren und drei interessanten bis spannenden Handlungen. Leider hat dem Autor niemand gesagt, dass er daraus auch drei hätte machen sollen – denn so wie er die Geschichten jetzt präsentiert, funktioniert es nicht.

Da ist einmal die Suche von Lydia und Mr. Manners, die sie nach Frankreich führt und in Kontakt mit einigen ehemaligen Résistance-Kämpfern bringt, die sich noch an damals erinnern können, als die verschiedenen Parteien gegen die Deutschen und gegen die Kollaborateure gekämpft haben. Einer von ihnen ist inzwischen französischer Staatspräsident, Malrand. Davon abgesetzt wird die Geschichte der Kämpfe selbst erzählt, in die ein Engländer, Manners senior, und ein Amerikaner verwickelt sind, der wegen seines zweiten Vornamen Tecumseh und seiner seltsamen Frisur von den Franzosen nur „der Indianer“ genannt wird. Sie sind die Verbindungsleute zur britischen Regierung, die die Résistance mit Waffen versorgt. Erzählt wird dabei auch die Geschichte der Kämpfe der verschiedenen Fraktionen untereinander, der Kommunisten und der Gaullisten, die teilweise mehr gegeneinander kämpften als gegen die Deutschen, vor allem am Schluss.

Und der dritte Roman ist der um einen jungen Mann in der Steinzeit, der diesen Stier gemalt hat, und seiner jungen Frau. Sie heiraten heimlich und werden ausgestoßen aus dem Dorf. Natürlich ist dieser junge Mann einer der besten Maler überhaupt, aber da er sich nicht einfügen will, da er auch nicht akzeptieren will, dass ein anderer der Maler die Macht an sich reißen will, und da er auch nicht akzeptieren will, dass Frauen die Malereien nicht sehen dürfen und schon gar nicht selber malen, während seine Frau auch eine sehr geschickte Malerin ist … ja, diese Geschichte ist schon ein wenig kitschig. Dennoch ist auch sie lebendig geschrieben, lebendiger als die Liebes- und Kriminalgeschichte um Lydia und ihren Major.

Es gibt einige kitschige Stellen und einige Ungeschicklichkeiten im Plot, aber auch das ist noch verzeihlich. Einige seltsame Übersetzungen gleich am Anfang sind da schon störender: Da gibt es „Mitarbeiter mit unangenehmen Körpergerüchen“; da „musste jeden Monat die Hypothek bedient werden“, irgendetwas „brachte aber trotzdem nicht die Erlöse ein“, da werden „Feuer aufgeschichtet“ – man ist versucht, das Buch auf Seite 30 wieder zuzuklappen, es wird aber besser. „Schatten an der Wand“ ist insgesamt ein flotter Unterhaltungsroman, und nicht auf dem niedrigsten Niveau.

Titelbild

Martin Walker: Schatten an der Wand. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Michael Windgassen.
Diogenes Verlag, Zürich 2012.
592 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-13: 9783257068436

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