Normalitätsfalle

In Südafrika scheint so etwas wie Normalität einzukehren, wenn man Deon Meyers „Sieben Tage“ Glauben schenken darf

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der südafrikanische Krimi hat in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit auf sich gezogen und sie sich auch redlich verdient. Das Bild einer in sich zerrissenen Gesellschaft im Übergang von einem autoritären und rassistischen Regime zu einer modernen Zivilgesellschaft zeichnet sich in den Plots ab, in denen sich die Vergangenheit und die Gegenwart an einem Bild reiben, das als Utopie zu gelten hat, solange Gewalt und Korruption die Situation bestimmen. Alte Kämpfer beider Parteien, neue Interessen, die Aussichtslosigkeit, die die Situation vieler der Akteure bedrückt, außerdem viel Geld, dazu die Gemengelage zwischen den Bevölkerungsgruppen. Das alles macht ein brisantes Gemisch aus, das einige produktive Experimentalanordnungen ermöglicht hat.

Dabei spielen Politik, Hautfarbe und der Zugang zu Geld immer eine wichtige Rolle, Gewalt als Lösungsmodell hingegen ist und bleibt favorisiert. Eine Gesellschaft also, die mitten im Aufbruch stehen bleiben würde?

Und eine Krimiszene, die dabei war, die USA als wichtigsten und extremsten Ort der Krimihandlungen abzulösen?

Es kann sein, dass das bereits vorbei ist, zumindest, wenn man Deon Meyers „Sieben Tage“ und dessen Anlage folgen darf. Und das auf beiden Ebenen, auf der der Geschichte und der der Erzählweise.

Denn überraschenderweise sind die Spitzenkrimis des neuen Südafrikas nicht nur außergewöhnlich konstruiert, sie haben auch eine Sprache und ein Erzählkonzept, die sich sehen lassen konnten.

Deon Meyer belegt nun, dass das alles Vergangenheit sein kann, denn schon in der sprachlichen und der erzählerischen Anlage ist „Sieben Tage“ vor allem eins: konventionell.

Langatmig, umständlich, eher in die Breite denn aufs Wesentliche fokussiert, dazu noch um die existenzielle Problematik des trockenen Alkoholikers aufgebläht, der sich einer rückfälligen Alkoholikerin widmet – Meyers Krimi ist offensichtlich darauf angelegt, den knappen zeitlichen Rahmen, der den Ermittlungen seines Helden Bennie Griessel gesetzt ist, durch Überfülle wettzumachen. Immerhin wollen 430 Seiten gefüllt werden, und wenn die Krimihandlung dazu nicht reicht, dann muss eben das Privatleben des Protagonisten herangezogen werden.

Eingestanden, der gebrochene Held gehört nun mal zu den klassischen Ausstattungen des Krimis in der hard boiled-Tradition. Und die will Meyer offensichtlich bedienen. Und so lässt Meyer seinen Helden nicht nur mit seiner eigenen Sucht, sondern auch noch mit der seiner Angebetenen kämpfen. Ein ermutigendes Zeichen, dass das am Ende auch gelingt – alles andere hätte ja auch überrascht.

Nicht weniger krude aber ist der Plot, den Meyer sich in diesem Fall zurechtgelegt hat. In ihn mischt er alles, was an politischen Themen Südafrika zu beschäftigen scheint: ethnische Konflikte, Hierarchien, Korruption, Gewalt, Inkompetenz, Rechtsradikalismus, Wohlstandsgefälle und so weiter. – und doch löst er am Ende seinen Fall quasi privat.

Ja, die Leidenschaft, wohin sie einen bringen kann und wohin einen das Verlangen bringen kann, den Status quo zu erhalten. Das ist als Mordmotiv immerhin ausreichend genug. Ein Heckenschütze nimmt Polizisten aufs Korn und verlangt die Aufklärung des Todes einer jungen Rechtsanwältin. Er werde die Attentate solange fortsetzen, bis die Polizei endlich die wahren Schuldigen verhaftet habe. Das Ganze eskaliert naheliegend, es kommen Polizisten zu Tode, und ab geht die Fahrt.

Kollegen unter Beschuss zu sehen, gefällt Polizisten nämlich nicht gut, deshalb nimmt sich Griessel des Falles mit größter Intensität an, was allerdings auch nur heißt, dass er von Anschlagsort zu Anschlagsort rennt und sich zwischendurch über die Geschäftsgebaren der alten Kämpen informiert (dazu gibt es dann immer einen Nerd, der sich schon Jahre mit dem Thema beschäftigt). Ein paar Fragen stellt er auch, was dazu ausreicht, die eine oder andere Verdächtigung auszusprechen.

Stochern im Nebel heißt das wohl gemeinhin, aber wer das lange genug macht, kann wohl darauf hoffen, dass er am Ende vor der lichten Wahrheit steht, was auch sonst.

Das Ganze ist – um nicht missverstanden zu werden – lesbar und wohl auch unterhaltsam, aber „Sieben Tage“ ist eben auf der anderen Seite wieder derart normal, dass es überraschend und wieder fast ermüdend ist. Um also völlig haltlos über die Beziehungen zwischen Krimi und Gesellschaft zu spekulieren: Eine Gesellschaft, die solche Romane hervorbringt, ist auf dem besten Weg zur stinknormalen Zivilgesellschaft. Und das ist Südafrika immerhin zu wünschen.

Titelbild

Deon Meyer: Sieben Tage. Thriller.
Übersetzt aus dem Afrikaans von Stefanie Schäfer.
Rütten & Loening Verlag, Berlin 2012.
431 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783352008382

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