Eine italienische Tomatensuppe – L’elisir d’amore

Fabio Volos leidenschaftlicher und einfacher Roman „Zeit für mich und Zeit für dich“

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Gaetano Donizettis Oper „L’elisir d’amore” verliebt sich der arme Bauer Nemorino in ein reiches Mädchen, dessen Gunst er mithilfe eines Liebestranks erschleichen möchte. Um den Trank bezahlen zu können, zieht er als Soldat in die Welt hinaus. In Fabio Volos neuem Roman „Zeit für mich und Zeit für dich“ verliebt sich der arme Lorenzo in Lucia, doch ihre Mutter unterbindet die Beziehung. Lorenzo, der bereits nach der achten Klasse die Schule abbrechen musste, um in der Kaffeebar seines Vaters zu arbeiten, erscheint Lucias Mutter als schlechter Umgang. „Armut stößt manche Leute ab wie eine ansteckende Krankheit“, sinniert er zähneknirschend und schreit sich die Wut im Fußballstadion von der Seele.

Als Nachbar Roberto ihn in die Welt der Literatur und der Musik einführt, lässt Lorenzo es zum Bruch mit seinen Eltern kommen. Er verlässt die Bar und wechselt die Seite vom Schuldner zum Schuldeneintreiber, denn ausgerechnet für eine Inkassofirma beginnt Lorenzos Leben außerhalb des Elternhauses. Schon nach kurzer Zeit gelingt ihm trotz des fehlenden Schulabschlusses der Wechsel in eine Werbeagentur und schließlich wie Nemorino – auf diese Parallele wird der Leser mit einem Zitat aus Donizettis Oper gestoßen – der Auszug aus dem Dorf; Lorenzo zieht nach Mailand und wird ein erfolgreicher Copywriter in einer internationalen Agentur. Mit dem Geld, das er verdient, kann er nun seine Eltern unterstützen. Seine Mutter freut sich über jeden Besuch des Sohnes. Doch der Vater hat sich von ihm abgewandt und spricht nicht mehr mit ihm.

Lorenzo leidet unter der Ablehnung des Vaters und versucht, neue Freunde zu finden, um in der Großstadt glücklich zu sein. „Ob man glücklich oder unglücklich ist, hängt davon ab, welche Mittel einem zur Verfügung stehen, um sich mit den Dingen auseinanderzusetzen.“ Lorenzo stürzt sich in die Arbeit. Ganz im Sinne von Albert Camus will er sein Hirn gebrauchen, damit es sich nicht „verhärtet und schrumpft wie ein Muskel“.

Aber er vergisst sein Herz. Die längst vergessene Jugendliebe wich der Liebe zu Federica, mit der er mehrere Jahre zusammenlebt. Lorenzo ist allerdings nicht imstande, ihr seine Liebe zu zeigen. Enttäuscht wendet sie sich von ihm ab und er verleugnet seine Gefühle: „Meine Liebe war nur gespielt – Theater“. Hernach beginnt eine lange und ausführlich geschilderte Leidensgeschichte. Auf die Trennung folgen Einsamkeit und Vermissen. Als Federica endgültig verloren scheint und Lorenzo von Heiratsplänen hört, verändert er sein Leben und versucht, die Beziehung zu seinem Vater und seiner Ex-Freundin wieder aufzunehmen.

Fabio Volo ist bekannt für seine leichte Lektüre. Auch „Zeit für mich und Zeit für dich“ ist in einfacher Sprache geschrieben. Unaufgeregt und genau wird der Leidensweg des beruflich Erfolgreichen und zugleich schmerzlich-leidenschaftlich liebenden Einsamen geschildert, ohne dabei zum Groschenroman zu verkommen. Volo erhebt kaum Ansprüche, jedenfalls nicht den Anspruch der Intellektualität oder der sprachlichen Raffinesse. Das muss er auch nicht, denn es gelingt ihm, trotz der einfachen und sehr vorhersehbaren Handlung den Leser an sein Buch zu fesseln. Es sind die Monologe Lorenzos über die Liebe und den Sinn des Lebens, in denen sich jeder Leser wiedererkennen kann und sogleich tief in die Gefühlswelt eintaucht. Gefühle, die zugleich erhebend und erdrückend sind, durchlebt der Leser mit Lorenzo. Er ist eingeladen, sich selbst zu entdecken. Häufig wird der Leser sogar direkt angesprochen.

Dass sich Liebe nie zweimal gleich anfühlt und stets neue Herausforderungen bietet, ist das ebenso altbekannte wie tiefgründige Thema des Romans. Fabio Volo zeigt, wie schwierig es ist, sein Leben im Gleichgewicht zu halten. Somit gleicht „Zeit für mich und Zeit für dich“ einer italienischen Tomatensuppe – der Roman ist leicht und gesund. Aber eine Tomatensuppe wird allzu schnell als besonders einfaches Gericht verurteilt. Schnell ist sie zubereitet und dabei ganz sicher unterschätzt. Mit Liebe gewürzt kann eine Tomatensuppe eine geschmackliche Offenbarung sein. Es darf probiert werden, das Buch schmeckt süß und bitter. Mit einem erotischen, unerbittlichen und lodernden Finale wird der Leser dann am Ende belohnt.

Titelbild

Fabio Volo: Zeit für mich und Zeit für dich. Roman.
Übersetzt aus dem Italienischen von Peter Klöss.
Diogenes Verlag, Zürich 2013.
262 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783257300161

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