Keine innovativen Perspektiven

Hartmut Kokott schreibt über „Die Frauen des Oswald von Wolkenstein“

Von Albrecht ClassenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Albrecht Classen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In diesem dünnen Bändchen legt Hartmut Kokott einen umfangreicheren Aufsatz in Buchform vor, in dem es um die Darstellung und Behandlung von Frauen in den Liedern Oswalds geht. Bedenkt man, wie breit gefächert das Gattungs- und Themenspektrum bei Oswald ist, überrascht es wenig, dass wir häufig von Frauen bei ihm hören, angefangen mit der Jungfrau Maria, worauf es dann um weibliche Heilige, Königinnen und Fürstinnen sowie andere Adlige geht. Oswald setzte sich intensiv mit der für ihn so unheilvollen Anna Hausmann auseinander, thematisierte natürlich seine eigene Ehefrau, Margarete von Schwangau, um dazu in vielen Liebesliedern unterschiedliche Frauenfiguren auftreten zu lassen. Kokott reflektiert kurz darüber, ob die Hinweise auf „Gret“ oder „Grett“ so verstanden werden könnten, dass dahinter Margarete zu verstehen sei oder nicht, obwohl es eigentlich ein müßiges Unterfangen ist. In eigenen Untersuchungen hat der Verfasser dieser Rezension mehrfach entschieden dafür plädiert, hier wirklich Oswalds Ehefrau zu erkennen, was aber Johannes Spicker immer wieder als reine Spekulation ablehnte. Auch wenn Kokott keine eigene Stellung dazu bezieht, versteht er dann durchweg die einschlägigen Lieder als eindeutige Belege dafür, dass Oswald auf seine Braut beziehungsweise Ehefrau einging. Können wir damit die Hypothesen Spickers ad acta legen? Es scheint an der Zeit zu sein.

Oswald lässt auch einige Frauen aus dem bäuerlichen Stand auftreten und zögert nicht, über die Damen in der Stadt sowie über Prostituierte zu schreiben, wie Kokott in seinem Überblick noch einmal vorstellt (er nennt sie nur „käufliche Frauen“). Wieso er in diesem Zusammenhang nicht auf das bedeutende Lied Kl. 25 eingegangen ist, wo ja sowohl eine Kupplerin als auch, etwas versteckt, eine Hure auftreten, bleibt ein Rätsel. Dass die Tradition Neidharts für Oswald natürlich eine gewichtige Rolle spielt, bedarf kaum der besonderen Erwähnung und ist bereits oftmals behandelt worden.

Kokott verdient Anerkennung dafür, in dieser kleinen Studie das Thema ,Frau‘ in den Liedern Oswalds gebündelt vorgestellt und sympathisch durchlaufen zu haben, nur vermag man nicht recht zu erkennen, inwieweit hier neue Erkenntnisse entwickelt werden. Kokott beschreibt weitgehend nur, welche Frauen auftreten und welche Rolle sie im Leben Oswalds einnehmen, ohne dass interpretativ neue Dimensionen zum Zuge kämen. Weder theoretisch noch philologisch sind innovative Perspektiven zu entdecken. Vor dreißig Jahren hätte man diesen Aufsatz noch willkommen geheißen, heute aber fällt er schlicht hinter die moderne Forschung zurück.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Hartmut Kokott: Die Frauen des Oswald von Wolkenstein. "... singen fa, sol, la, und tichten hoflich von den schönen Weiben".
Verlag Kümmerle, Göppingen 2011.
106 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783867580168

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