Männerabenteuer

T Cooper gewährt Einblick in sein Leben als Trans-Mann, ohne voyeuristische Lesarten zu bedienen

Von Veronika SchuchterRSS-Newsfeed neuer Artikel von Veronika Schuchter

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

T Cooper bringt Rezensenten gehörig in Gewissensnöte, weist er doch darauf hin, dass er die Thematisierung seiner Geschlechtsidentität in den Medien ablehnt – eine Journalistin der New York Times brachte es fertig, in einem kurzen Artikel „sage und schreibe zehn (!) Mal meine Geschlechtsidentität zu erwähnen“. In diesem Fall führt aber kein Weg daran vorbei, legt der Autor doch mit „Von einer, die auszog, ein Mann zu werden“ sein erstes autobiografisches Buch vor, das sich ganz um seine Transsexualität dreht.

„Real Man Adventures“ lautet der Originaltitel, und wer den Text gelesen hat, weiß auch warum. Der deutsche Titel hingegen ist nicht nur effekthascherisch, er ist irreführend und steht dem Ansinnen des Buches diametral entgegen. Denn eine „sie“, das will T Cooper von Anfang an klarmachen, hat es nie gegeben. „Ich bin ein heterosexueller Mann“, schreibt der Autor in einem abgedruckten Brief an seine Eltern. „Ich gehöre nicht zu den ‚Ich bin im falschen Körper geboren‘-Leuten, die man bei Oprah oder in Doku-Soaps sieht.“

Man kann den deutschen Titel daher getrost als Affront gegen den Autor bezeichnen. Der amerikanische Autor T Cooper ist auch im deutschsprachigen Raum schon mit seinen Romanen aufgefallen. Vor allem „Lipshitz“ (2006) wurde durchwegs lobend besprochen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt überwiegend der Roman einer Frau rezensiert wurde, was schon damals falsch war, weil der Autor zu seinem Geschlecht schlichtweg keine Angabe machte. Das Beispiel verdeutlicht immerhin die ungebrochene Vorrangstellung autorzentrierter Lesarten in der Literaturkritik.

Coopers neuer Text ist eine lose Sammlung von Interviews, Bildern, Listen, kurzen Erzählungen und Kommentaren. Neben Verwandten kommt ein transsexueller Polizist zu Wort, Coopers Ehefrau und Eltern von befreundeten Trans-Männern. Obwohl an einigen Stellen tief persönlich, zeichnet der Autor vor allem ein Stimmungsbild der US-amerikanischen Gesellschaft und ihren hierarchisierten Diskriminierungsmechanismen: „Ich bin sichtbar. Allem Anschein nach weiß, Bürger der Mittelschicht, heterosexuell. Ein Mann.“

Auf den zweiten Blick ist Cooper ein Jude, auf den dritten ein transsexueller Jude – und damit weit unten in der Hierarchie, die sich an Geschlecht, Ethnie, sozialer Schicht und sexueller Orientierung ausrichtet. Neben den bürokratischen Schwierigkeiten, die ein Geschlechtswechsel mit sich bringt (Gespräch mit einer Angestellten des Außenministeriums: „Im Grunde heißt das also, ich bekomme nur einen Pass, mit dem ich sicher reisen kann, wenn ich offenlege, was ich in der Hose habe.“ – „Ich glaube, so könnte man es ausdrücken.“), weist Cooper vor allem auf die Gefahr für Trans- und auch Homosexuelle hin, im Laufe ihres Lebens Opfer einer Gewalttat zu werden.

Wer sich ein intimes Bekenntnisbuch erwartet, wird enttäuscht werden. Cooper vermeidet es, einen voyeuristischen Blick zu bedienen. Die Umstände seiner Transition, sein eigener Körper und das Ausleben seiner Sexualität lässt er ganz bewusst außen vor und hält mit der Thematisierung dieser Leerstelle so manchem Leser einen Spiegel vor. Stattdessen beschreibt er, was alltägliche Dinge für einen Transsexuellen bedeuten, etwa zu einem Arzt zu gehen oder eine öffentliche Toilette zu benützen, immer im Wissen, dass er, würde seine Transsexualität entdeckt, für viele zur Zielscheibe gewalttätiger Angriffe wird. Auch wenn der Autor bewusst viele private Dinge ausklammert, scheut er sich doch nicht, auch seine negativen Seiten ins Licht zu rücken, zu denen zum Beispiel Gewaltfantasien und die eigene Intoleranz gehören. Cooper räumt mit Klischees auf und bestätigt andere. Er beschreibt seine Kindheit als glücklich und weigert sich vehement ins gesellschaftliche Bild von Transsexuellen zu passen, die ihren Körper ablehnen, in der Schule gehänselt werden und deren ursprüngliches körperliches Geschlecht man ihnen immer ansehen wird: „Trotz aller gegenteiligen Signale von außen fühlte ich mich in meiner Haut immer ziemlich wohl. Ich legte mir keinen Jungenhaarschnitt zu und schnitt mir die Haare nicht ab. Ich drehte nicht durch, als mein Körper sich ‚entwickelte‘, und ich verstümmelte mich auch nicht selbst.“

„Real Man Adventures“ – den deutschen Titel sollte man wirklich nicht zu oft wiederholen – ist mit Sicherheit ein wichtiges Buch, es hat indes auch seine Schwächen und wird vor allem zum Schluss hin redundant. Dies betrifft weniger die Beschreibung verschiedenster Formen von Diskriminierung, die beim absichtlichen Verwenden des falschen Personalpronomens anfangen und sich zu Vergewaltigung und Mord steigern, als die ständigen Verweise auf seine schöne Frau, seine Kinder und den typisch amerikanischen Lebensstil mit Haus, Hund und gemeinsamem Besuch des Footballmatches der lokalen High-School. Mitunter wird es auch reichlich trivial, etwa wenn sich der Autor seitenlang mit einem Stripper über dessen Penis unterhält. Mit viel gutem Willen kann das man freilich als ironischen Kommentar zur männlichen Neigung der Überbewertung der eigenen Genitalien lesen, wovor auch Transmänner nicht gefeit sind, besonders originell ist es aber trotzdem nicht. Dafür haben andere Gespräche, etwa jenes mit Gender-Ikone Kate Bornstein, tatsächlich Tiefgang. Insgesamt berührt „Real Man Adventures“, ohne melodramatisch zu sein, an den sprachlichen Witz und die kraftvolle Erzählweise der fiktiven Prosa kommt es allerdings nicht heran. So hat T Cooper ein gesellschaftspolitisch wichtiges Buch geschrieben, aber nicht unbedingt ein gutes. Dass es trotzdem lesenswert ist, liegt auch an der ambivalenten Person des Autors, der zwischen Tiefgründigkeit und Klischee changiert und dabei stereotype Charakterisierungen und simplifizierende Kategorisierung vorsorglich aushebelt und Vorurteile (auch die positiven) zunichtemacht.

Titelbild

T Cooper: Von einer, die auszog, ein Mann zu werden.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Volker Oldenburg.
Arche Verlag, Zürich 2013.
268 Seiten, 22,95 EUR.
ISBN-13: 9783716026793

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