Was mit Kunst und Teleportation

Ned Beaumans einfallsreicher Roman über einen schlemihlesken Bühnenbildner und mehr oder minder geheimnisvolle Transportmethoden

Von Christof RudekRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christof Rudek

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Adriano Lavicini hat anno 1679 mit seiner mechanischen Teleportationsvorrichtung das Bühnenbild des Pariser Théâtre des Encornets in Sekundenschnelle umgebaut – und dabei das Theater zum Einsturz und fünfundzwanzig Zuschauern den Tod gebracht. Egon Loeser befördert mit seinem Teleportationsapparat bei einer Probe im Berliner Allientheater im Jahr 1931 einen Schauspieler flugs von einem Ort der Bühne zum anderen – und renkt ihm dabei die Arme aus. Doch das ist nur das geringste Problem im Leben Egons, dessen Name nicht zufällig an ‚Ego’ und ‚Loser’ denken lässt. Als er auf einer Party seiner früheren Nachhilfeschülerin Adele wiederbegegnet, erliegt er ihrer ungeahnten sexuellen Anziehungskraft. Doch sie, die bald eine Karriere als stadtbekannte Nymphomanin beginnt, will ausgerechnet von Egon nichts wissen. Was bleibt ihm da anderes übrig, als Adele und seiner fixen Idee ihrer beider körperlichen Vereinigung nach Paris und schließlich nach Los Angeles zu folgen?

Ned Beauman, 1985 in London geboren, ist der neue Liebling des britische Feuilletons. Dass ihn die Financial Times als „Wunderkind“ bezeichnete, ist neben manch anderem Schmeichelhaften auf dem – sehr schönen – Umschlag der deutschen Ausgabe seines zweiten Romans zu lesen, für deren ausladenden Titel „Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beförderung eines Menschen von Ort zu Ort“ der Autor nichts kann – das Buch heißt im Original vergleichsweise schlicht „The Teleportation Accident“. Schon Beaumans erster Roman „Boxer, Beetle“ (deutsch „Flieg, Hitler, flieg!“, in der Taschenbuchausgabe „Der Boxer“) war ein Erfolg, der zweite bescherte seinem Autor 2012 die Nominierung für den Man Booker Prize – wobei ihm allerdings die Auszeichnung verwehrt blieb, denn die ging an Hilary Mantel und ihren historischen Roman „Bring Up the Bodies“ („Falken“).

Wie „Flieg, Hitler, flieg!“ spielt auch „Egon Loeser“ zum Teil in der Zeit des Dritten Reichs, jedoch überwiegend nicht in Deutschland, sondern im Emigrantenmilieu in den USA. Um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Emigration geht es allerdings nicht – dass Adeles Nachname zufällig Hitler lautet, ist einer der weniger geistreichen Witze des Buches, die Schikanierung eines jüdischen Bekannten Egons in einer Straßenbahn fällt in Anbetracht der historischen Tatsachen harmlos aus, und die Läuterung des Egoisten und Politikignoranten Loeser, der am Schluss ein Buch über die Rolle der Bahn bei der Judenvernichtung schreibt, wirkt ein wenig aufgesetzt.

Der Plot des Romans setzt sich im Wesentlichen aus drei Handlungskomplexen zusammen: Loesers sexueller Frustration und seiner Verfallenheit an Adele, dem Rätsel um das Unglück mit Lavicinis Teleportationsmaschine, dem Loeser eher halbherzig nachspürt, und schließlich der Geschichte von Professor Bailey und seinem von den Geheimdiensten aus Ost und West aufmerksam verfolgten Experimenten um den ultimativen Teleportationsapparat, mit dem Menschen und Gegenstände von einem Moment auf den anderen an jeden beliebigen Ort versetzt werden sollen. Dazwischen treten allerlei Künstler und Möchtegernkünstler auf, feiern Partys, konsumieren Drogen oder betrügen Touristen im Paris der frühen dreißiger Jahre.

Mitunter lässt Beauman seinem Einfallsreichtum allzu lässig die Zügel schießen, verliert seinen Helden aus den Augen oder lässt ihn bei einer vorgetäuschten Verjüngungsoperation mithilfe von gefälschten Affenhoden Arzt spielen. Am Ende kriegt er die Kurve dann doch und fügt die verschiedenen Handlungsstränge zu einem einigermaßen stimmigen (und überraschenden) Schluss zusammen. Dabei liegt die Stärke des Buches sicher nicht in sublimer Charakterzeichnung, sondern in seinem (sprach-)witzigen Stil und dem stellenweise spannenden, zahlreiche Figuren, Zeitebenen und Schauplätze miteinander verwebenden Plot.

Auch wenn die Lobeshymnen der britischen Presse etwas übertrieben anmuten, ist Ned Beauman ohne Zweifel ein Autor, dessen Name man sich merken kann.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Ned Beauman: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beförderung eines Menschen von Ort zu Ort. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Robin Detje.
DuMont Buchverlag, Köln 2013.
415 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783832197032

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