Zwischen Trostlosigkeit und Trotz

Der Schriftsteller und Publizist Rolf Schneider legt seine Erinnerungen an ein Schriftstellerleben im geteilten Deutschland vor

Von Volker StrebelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Volker Strebel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kennzeichnend für Rolf Schneiders umfangreiches literarisches Werk ist sein Gespür für Dramatik und vor allem seine Fähigkeit, sich in eloquenter Weise sprachlich auszudrücken. Als bekannter DDR-Schriftsteller hatte der 1932 in Chemnitz geborene Schneider über Jahrzehnte hinweg auch in der früheren Bundesrepublik Erfolg. Von Österreich nicht zu reden. In seinen vorgelegten Erinnerungen „Schonzeiten“ berichtet der Autor nicht ohne angedeuteten Stolz darüber, dass der frühere österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky, dem er persönlich begegnet war, zu seinen Lesern gehörte.

Die deutsch-deutsche Teilung hatte für Schneider immer auch eine ständige Herausforderung dargestellt, der er sich in aufreibender Weise und nicht immer frei von Widersprüchen ausgesetzt sah.

In 49 Abschnitten reflektiert er seinen produktiven Lebensweg. Als Einstieg und Hinführung schildert Schneider seine Eindrücke als Zuschauer in der Großen Strafkammer in Berlin, als ehemalige Verantwortungsträger von Staat und Partei der DDR abgeurteilt wurden. Sein Blick trifft die Augen des früheren ersten Mannes, „der mit der Macht alles Selbstverständnis verlor, der nur noch taumeln kann zwischen Trostlosigkeit und Trotz“.

Die DDR war der Staat, in welchem Rolf Schneider aufwuchs, sein politisches Selbstverständnis entwickelte und zum Schreiben kam. Kaum ein Schriftsteller seines untergegangenen Landes, den Schneider nicht auch persönlich kannte. Hier steuert er in unverkennbarer Weise Begegnungen und Begebenheiten bei, die den Nachgeborenen konkrete Vorstellungen ermöglichen.

So entstehen gleichsam ganz nebenbei charakteristische Porträts der Beschriebenen, wenn zum Beispiel über Schneiders Besuch des ungarischen Philosophen Georg Lukács in Budapest berichtet wird.

Schriftsteller waren im „real existierenden Sozialismus“ besonderen Umständen ausgesetzt. Umso mehr interessiert es, wie ein Künstler des Wortes seine ästhetische und ethische Glaubwürdigkeit unter den Bedingungen sozialistischer Parteilichkeit beibehalten kann. Am Beispiel von Bertolt Brecht und Anna Seghers konstatiert Schneider nüchtern: „Mut gehört nicht zur notwendigen Grundausstattung bedeutender Schriftsteller.“

Auch insofern ist es nicht verwunderlich, dass die heute noch lesenswerten Bücher aus der DDR nahezu durchweg von Autoren geschrieben waren, die über Charakterstärke und die gebotene List verfügten, sich der ideologischen Unterwerfung weitgehend zu entziehen.

Selbstredend kann ein biografischer Bericht nicht auf alle Vorgänge eingehen, die es gerade in einem ungewöhnlichen Schriftstellerleben wie jenem von Schneider gegeben hat. Dass der kulturpolitische Wirbel, den die Veröffentlichung des Büchleins „Die wunderbaren Jahre“ von Reiner Kunze gegen Ende der 1970er- Jahre ausgelöst hatte, vollkommen ausgeblendet wird, wirkt allerdings irritierend, zumal Rolf Schneiders Name in diesem Zusammenhang nicht immer im rühmlichem Zusammenhang erwähnt wird.

Zur Sprache kommt hingegen jene „Berliner Begegnung zur Friedensförderung“ vom 13. und 14. Dezember 1981, in welcher vom DDR-Schriftsteller Stephan Hermlin seinerzeit medienwirksam im Ostberliner Hotel „Stadt Berlin“ rund 100 Schriftsteller und Wissenschaftler aus Ost und West zusammengeführt wurden. Schneider nutzte damals seine Wortmeldung immerhin dazu, sich in sehr kritischer Weise zur Wehrerziehung als Pflichtfach in den allgemeinbildenden Schulen der DDR zu äußern.

Seinerzeit war es als Manko angesehen worden, dass der prominente DDR-Kritiker und Marxist Robert Havemann nicht eingeladen worden war. Hermlin spöttelte damals und fragte polemisch danach, ob „Havemann einen roten Teppich“ brauche. Was Schneider dazu bewegt hat, noch im Dezember 2006 in der „Welt“ entgegen der Tatsachen zu behaupten, dass Havemann seinerzeit Hermlins Einladung abgeschlagen und „freilich abgesagt“ habe, bleibt sein Geheimnis. In den vorliegenden Erinnerungen lässt sich darüber leider nichts finden.

„Wir haben gründlich geirrt. Wir waren mitbeteiligt. Weshalb fällt es uns nur so schwer, dies offen zu sagen?“ In diesen bedenkenswerten Fragen kulminierte an anderer Stelle Rolf Schneiders Besprechung des Briefwechsels zwischen Christa Wolf und Franz Fühmann im Bändchen „Monsieur – wir finden uns wieder“. Leider hat er in seinem biografischen Abriss über „ein Leben in Deutschland“ die wertvolle Gelegenheit verpasst, in differenzierter und umfassender Weise Auskünfte über genau diese Fragen zu geben, die er einst selbst gestellt hatte.

Titelbild

Rolf Schneider: Schonzeiten. Ein Leben in Deutschland.
Bebra Verlag, Berlin 2013.
320 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783898091022

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