Über die einzig ernsthafte Versuchung

Arturo Pérez-Revertes zeichnet in seinem Roman „Dreimal im Leben“ das Panorama zweier außergewöhnlicher Lebensgeschichten

Von Eleonore AsmuthRSS-Newsfeed neuer Artikel von Eleonore Asmuth

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Max Costa, Sohn aus einfachem Hause, Gauner, Hochstapler, Spion und Gigolo führt ein Leben inmitten von Intrigen, schönen und reichen Frauen, Abgründen der Amoralität und amourösen Verlockungen. Einst bekam er von einem Portier eines der berühmtesten venezianischen Hotels folgende Worte mit auf den Weg: „Die einzig ernsthafte Versuchung ist eine Frau, Herr Costa. Meinen Sie nicht auch? Alles andere ist verhandelbar.“ Dreimal muss Max in seinem Leben feststellen, dass der Portier Recht behalten hat: Und so ist für Max die bildhübsche Mecha mit den „honigfarbenen Augen“ die Versuchung seines Lebens.

Die Cap Polonia, ein Ozeandampfer, und die elektrisierende Metropole Buenos Aires im Jahre 1928, Nizza am Vorabend des Zweiten Weltkriegs und die italienische Stadt Sorrent während des Kalten Kriegs sind die Stationen dieser Liebesgeschichte von Max und Mecha. Gleichzeitig sind es die Schauplätze der zwischen der Vergangenheit und Gegenwart lavierenden Erzählung des spanischen Beststeller-Autors Pérez-Reverte.

Ständiger Begleiter der beiden Liebenden ist die Melodie des tango de la Guardia Vieja, des Tangos der alten Garde – so auch der spanische Originaltitel des Romans –, auf dessen Spuren Max einst zusammen mit Mecha und ihrem damaligen als Komponist berühmten Ehemann in Buenos Aires wandelte. Gemeinsam mit dem ungleichen Trio entführt der Autor den Leser in verruchte Tangokneipen der argentinischen Metropole zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er zeichnet dabei ein nostalgisch glänzendes Porträt einer längst vergangenen Zeit und lässt den Leser bald Zeuge einer gefährlich anmutenden Dreiecksbeziehung werden.

Als sich Max und Mecha viele Jahre später in Nizza zufällig wieder begegnen, haben sich die Zeichen der Zeit geändert: Persönliche Schicksalswendungen und der in Spanien wütende Bürgerkrieg umrahmen das kurze Wiedersehen, das nicht ohne Folgen bleiben soll. Die Begegnung zwischen Max, der als Spion einen gefährlichen Auftrag auszuführen hat, und Mecha, deren Ehemann in den Wirren des Spanischen Bürgerkriegs ins Gefängnis geraten ist, ist abermals bestimmt von ungünstigen Gelegenheiten und verpassten Chancen.

Als sich ihre Lebenswege ein drittes Mal – diesmal im italienischen Sorrent – kreuzen, sind Max und Mecha bereits vom Alter gezeichnet, emotional abgestumpft und weniger idealistisch. Doch durch eine schicksalhafte Verbindung flammt die alte, erotische Anziehungskraft noch einmal auf und stürzt beide in ein erneutes Abenteuer, das sie mitten in eine internationale Verschwörung rund um ein großes Schachturnier treibt.

Arturo Pérez-Reverte, der zu den meistübersetzen spanischen Autoren weltweit zählt, schildert die Geschichte von Max und Mecha in drei verschiedenen Erzählsträngen, in denen sich „Vergangenheit und Gegenwart in einer erstaunlich schwungvollen Schleife verbinden“. Ausgangspunkt ist dabei immer die letzte der drei Begegnungen in Sorrent: Von dort aus rollt der Autor die Geschichte mithilfe äußerst klug gestalteter zeitlicher Übergänge auf. Dabei nimmt er stets die Perspektive von Max ein; aus seiner Sicht entfaltet sich der Lebentwurf eines unerschrockenen Mannes, der sich – so scheint es – immer an den geschichtsträchtigen Orten seiner Zeit aufhält und wagemutig den Verlust seines eigenen Lebens in Kauf nimmt, um Geld und Ansehen zu erlangen, was ihn von der einfachen Herkunft seiner Familie befreien soll. Die Begegnung mit der attraktiven, kecken und selbstbewussten Mecha lässt den sonst so professionellen Gauner, in dessen Leben es eigentlich keinen Platz für große Gefühle gibt, dreimal taumeln. „Ich liebe dich“, sagt Max zu Mecha in Nizza. „Glaube ich. Aber die Liebe hat mit alledem nichts zu tun.“

So geht es in Pérez-Revertes Roman „Dreimal im Leben“, der 2012 in Spanien veröffentlicht wurde, nicht nur um die bittersüße Liebe zweier Menschen, von der man nicht weiß, ob man sie am Ende als glücklich oder unglücklich bezeichnen soll, sondern auch um die Dichotomie von Arm und Reich, um den Zauber des Tangos, um die Logik des Schachspiels, um die großen Enttäuschungen und Überraschungen des Lebens und um politische Verstrickungen und große Verschwörungen. „Ich bin nicht mehr der, den du in Erinnerung hast. Weder der aus Buenos Aires, noch der aus Nizza“ sagt Max in Sorrent zu Mecha und gesteht sich damit – sich seiner eigenen Vergänglichkeit bewusst – sein persönliches Scheitern ein. Und so ist der Roman auch eine Erzählung über das Altern und den Verlust der Jugend.

Arturo Pérez-Reverte, der seit vielen Jahren als Kriegsreporter tätig und seit 2003 Mitglied der Real Academica Española ist, findet eine klare und ehrliche Sprache, um die Welt von Max und Mecha zu beschreiben, ohne dabei die Geschehnisse mit Kitsch und blumigen Beschreibungen zu überladen. So bleiben Max und Mecha in jeder ihrer Lebenssituationen authentisch und greifbar. Die spannend konstruierte Geschichte, die besonders in der zweiten Hälfte des Romans an Fahrt gewinnt, glänzt insbesondere dadurch, dass sie die verschiedenen Handlungsstränge auf der Erzählebene nebeneinander stellt und auf diese Weise Vergangenheit und Gegenwart kunstvoll miteinander verwebt.

Pérez-Revertes Roman „Dreimal im Leben“ ist eine wunderbar entfaltete, den ganzen Erdball umspannende Liebesgeschichte. Und so muss selbst Mecha – um es mit einer Romanfigur zu sagen – vor Max zugebenen, dass es „schon eine ungewöhnliche Geschichte“ ist, welche beide verbindet. „Deine und meine …, unsere auf der Cap Polonia, in Buenos Aires, in Nizza …“

Von Arturo Pérez-Revertes umfangreichem Werk – sein berühmtester Roman „Der Club Dumas“ (Originaltitel: „El club Dumas“) wurde 1999 von Roman Polański unter dem Titel „Die neun Pforten“ erfolgreich verfilmt – sind bisher leider viel zu wenige Romane ins Deutsche übersetzt worden.

Titelbild

Arturo Perez-Reverte: Dreimal im Leben. Roman.
Übersetzt aus dem Spanischen von Petra Zickmann.
Insel Verlag, Berlin 2013.
527 Seiten, 22,95 EUR.
ISBN-13: 9783458175803

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch