Sprachliche Begegnung mit dem Tod

Die Lyrikerin Kerstin Preiwuß präsentiert sich bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur mit einem Prosatext

Von Kathrin SerongRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kathrin Serong

Unter den vierzehn Autoren ist sie die einzige Lyrikerin bei den 38. Tagen der deutschsprachigen Literatur: Kerstin Preiwuß, 1980 in Lübz geboren, stellt sich aber – wie im Wettbewerb üblich – mit einem Prosatext der Kritik der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. Im Juli 2014 erscheint ihr erster Roman „Restwärme“ im Berlin Verlag.

Ulrich Rüdenauer („DIE ZEIT“) bezeichnet Kerstin Preiwuß als „eine ausdrucksstarke Stimme unter den Lyrikern ihrer Generation“ – ein großes Lob, das hohe Erwartungen schürt, zugleich aber eine der wenigen Besprechungen der Werke von Preiwuß. Ungeachtet geringer öffentlicher Wahrnehmung kann Preiwuß auf dem Feld der deutschsprachigen Gegenwartslyrik als etabliert gelten, etwa als Mitherausgeberin der 1993 in Leipzig gegründeten Literaturzeitschrift "Edit".

Derzeit lebt Preiwuß als freie Autorin mit ihrer Familie in Leipzig. Sie feierte ihr Debüt 2006 mit dem Gedichtband „Nachricht von neuen Sternen“ und erhielt 2008 das Hermann-Lenz-Stipendium. Ihr zweiter Gedichtband „Rede“ erschien 2012 im Suhrkamp Verlag.

Das titelgebende Langgedicht „Rede“ beginnt mit einem Wortspiel, mit subtilen paronomastischen Variationen, in denen Sprache, Atemluft und Haut als Teile des poetischen Körpers – des Körpers des Gedichts, der Autorin, der Sprache – ununterscheidbar werden: „sprache atemluft / sprach pure atemluft / sprach von atmen purer atemluft / atmete es aus es atmete sich ein / wort ist eine pore ist haut sein“. Die Arbeit am Sprachleib wird für das lyrische Ich zur Therapie: „mein therapeut heißt sprache, die selbe geschichte einer beziehung zwischen innen und außen.“ Sprechen wird als ein existenzielles Bedürfnis angesehen, besonders bei der Auseinandersetzung mit dem Tod, der in „Rede“ allgegenwärtig ist. In immer neuen Metaphern und Personifikationen wird das Ende des Lebensdurchgespielt: „im sommer fall ich vom fleisch / für die käfer zur speisung“. Oder: „ich ging zurück / immer zu ihm immer zu ihm / ich hatte vergessen / das ist der tod / er fasst dich nicht an / er trägt dich im sinn“. Aus diesen Versen sprechen zugleich auch die Hinterbliebenen, die mit dem Verlust eines geliebten Menschen zurechtkommen müssen. Der Tod ist in ihren Gedanken ständig präsent und begleitet sie, bis sie einen Modus gefunden haben weiterzuleben. Am Ende des Gedichts taucht „der schwarze mann“ auf, dem das lyrische Ich schließlich zum Opfer fällt: „sein umriss aus schatten / mich verschlang“. Wie die Sprache, so erhält auch der Tod einen Körper in den Versen von Kerstin Preiwuß.

Einen starken Gegenwartsbezug erhält „Rede“ durch die Verwendung von Anglizismen, wie „happy end“, „tramp“, „baby“ und nicht zuletzt „twittern“, mit denen sich das Gedicht dem polyphonen Sprachgemisch des 21. Jahrhunderts öffnet – und auch für ein jüngeres Lesepublikum zugänglich wird.

Der Lyrikerin Kerstin Preiwuß steht bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur auf jeden Fall eine besondere Herausforderung bevor: Kann sie die dichte metaphorische Sprache aus ihren Gedichten auch in ihre Prosatexte übertragen?

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen