Überall Tricks und Lügen

Marc Schweskas „Kompendium der Geheimhaltung und Täuschung, der Lüge und des Betrugs, des Verrats und der Vorstellungskunst“ lässt einen etwas ratlos zurück

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Schnell schreitet Überredung, wenn’s zum Schlimmen geht.“ Aha. „Die Verstellung hilft unter Leute, denen wir ähnlich sind, nichts.“ Soso. Der erste Spruch ist von Sophokles, der zweite von Jean Paul. Bei beidem kann man nicken, wie man es auch bei den Sprüchen machen kann, die man in Glückskeksen findet. Stimmt schon, jaja.

Es ist ein etwas merkwürdiges Buch, dieses „Kompendium der Geheimhaltung und Täuschung, der Lüge und des Betrugs, des Verrats und der Verstellungskunst“ – so der vollständige Titel. Er besteht aus einer umfangreichen Sammlung von Ausschnitten aus der Weltliteratur, von den alten Griechen und Meister Sun bis Simon Singh und Peter von Matt. Sie alle berichten über Geheimnisse und Lügen, im privaten wie politischen Bereich, in der Geschichte und im Alltag.

Baldassare Castiglione beklagt sich über die Flüchtigkeit der Freundschaft: „Denn in unseren Herzen sind so viele Schlupfwinkel und Höhlen, dass es der menschlichen Klugheit unmöglich ist, jene Verstellungen zu kennen, die darinnen verborgen sind.“ Nietzsche fragt: „Was ist Wahrheit?“ Und antwortet: „Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauch einem Volke fest, kanonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münze in Betracht kommen.“

Robert Anton Wilson berichtet von einer Umfrage, nach der Dreiviertel aller Amerikaner glauben, „die US-Regierung sei regelmäßig in geheime und verschwörerische Aktivitäten verstrickt“. Und so weiter, und so weiter.

Das ist alles ganz gut und schön, eine hübsche Sammlung von Verschwörungen und Tricksereien und Theorien über Verrat und Lüge – aber es gibt leider keinen roten Faden durch das Buch. Nur ein sehr langes und etwas redundantes und chaotisches Nachwort des Herausgebers, der einige Fäden aufnimmt, ein paar Zusammenhänge herstellt sowie einige Entwicklungsgeschichten nacherzählt. Aber auch er ist vor Plattitüden nicht ganz gefeit, sodass man sich am Schluss der Lektüre dieses schwergewichtigen Werks fragt, was man damit anfangen soll. Die arglistigen, bösen Menschen verdammen? Die reiche Literatur loben, die das alles aufgegriffen hat? Aber dass es immer wieder Tricks und Lügen gegeben hat, übertreibende Erzählungen und pure Erfindungen, das wusste man schon. Und dass die Literatur reich an allem ist, auch.

Titelbild

Marc Schweska (Hg.): Das Kompendium der Geheimhaltung und Täuschung, der Lüge und des Betrugs, des Verrats und der Verstellungskunst.
AB - Die andere Bibliothek, Berlin 2014.
450 Seiten, 36,00 EUR.
ISBN-13: 9783847703549

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