Wo der aufblasbare Kaiser regiert

Michael Ziegelwagner porträtiert eine illustre Reaktion im modernen Wien

Von Daniel LucasRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniel Lucas

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Den Wienerinnen und Wienern wird bekanntlich ein etwas schwieriges Verhältnis zu ihrer Stadt nachgesagt, ein leidenschaftlich-liebevoller Hass ließe sich behaupten. Ein wenig davon schwingt auch im Debüt-Roman von Michael Ziegelwagner mit, in welchem eine junge Frau auf eine Gruppe von Monarchisten trifft und ein politisches Experiment auf Zeit wagt: Otto den Ersten, welcher so gerade eben die Krone verpasste, doch noch als Kaiser von Österreich zu installieren. Wirklich voran kommt man mit diesem Plan nicht, zu sehr ist man mit Trinken und Rauchen beschäftigt, doch zumindest diskutiert man einmal darüber, was das denn sei, dieser Legitimismus.

Ziegelwagners Buch besticht dabei vor allem durch seine erzählerische Leichtigkeit. So manche These, die seine monarchistischen Protagonisten äußern, ist nicht nur reaktionär, sondern schlichtweg menschenverachtend. Doch so wie sie auftreten, wie sie erzählen, sieht man es ihnen nach. Alte Herren eben, die sich ein wenig nach der Vergangenheit sehnen – und die eben einen legitimen Herrscher wollen, und dieser ist eben Dr. Otto von Habsburg. Getragen wird dieser Abgesang jedoch von einer recht jungen Heldin, Vera Beacher, 26 Jahre alt, die sich selbst eigentlich eher links einsortiert. Aber spannend findet sie diesen Ausflug ins monarchistische Lager dann doch.

Es ist eine klare Stärke dieses Buches, dass es Relevantes und Irrelevantes miteinander zu vermischen weiß. Man erfährt viel über das Innenleben der Protagonistin, und das ist zuerst einmal einigermaßen wirr. Ihre Gedanken kreisen um krude Ideen von kosmischer Ausgeglichenheit und individuellem Lebensdruck. Programmatisch schlägt sich dies schon zu Beginn des Buches nieder, wenn Vera darüber sinniert, ob ein Leben im Rollstuhl in Folge eines Sturzes ihr später zu Gute käme: „Und auf eine sparbuchreligiöse Weise glaubte sie, jene Tage, die sie als Sechsundzwanzigjährige im Rollstuhl absitzen müsse, würden ihr gerechterweise im Alter angerechnet und ihre endgültige Bettlägerigkeit um exakt diese Tageszahl hinauszögern.“

Neben der Indifferenz der Hauptfigur ist es jedoch vor allem der Sound, der dieses Buch so lesenswert macht. Ziegelwagner spart nicht an onomatopoetischen Elementen und gibt der Geschichte damit einen eigenen Soundtrack. Ob Musik oder Straßengeräusche, es gibt eine permanente Klangkulisse, die den Hintergrund erfüllt und dem Buch zu einer unglaublichen Lebendigkeit verhilft, das Leseerlebnis in besonderer Weise kurzweilig macht. Man merkt dem Stil des 1983 in Niederösterreich geborenen Michael Ziegelwagner an, dass dieser journalistisch zu arbeiten pflegt. Obwohl er ein konsistentes Narrativ vorlegt, ist sein Stil oft in feuilletonistischer Weise essayistisch, während er in anderen Momenten in den Duktus einer Reportage verfällt. Seine Figuren sind klug skizziert, ohne dass sie mit einem Übermaß an ‚Tiefgang’ überfrachtet würden. Vielmehr wird jede Figur gerade so weit ausgemalt, wie es der Fortgang der Geschichte verlangt.

Auch in Der aufblabare Kaiser sind alle von Wien und dessen Einwohnern genervt. Doch fällt dies im leichten Stil oftmals nicht auf. Wo bei Bernhardt die blanke Erregung herrscht, da fällt bei Ziegelwagner noch eine soziologische Erklärung in die Handlung, und wo bei ersterem eine Figur endgültig zerstört wird, da ist bei Ziegelwagner noch eine sympathische Regung zu entdecken, ein empathisches Mitleid zu erhaschen. Der Titanic-Redakteur lässt hier ebenfalls seine satirische Brotarbeit durchblicken. Mit einer gewissen ironischen Distanz lässt sich die Weltpolitik vielleicht leichter verstehen.

Es ist durchaus verdient, dass sich dieses Buch auf der Longlist des deutschen Buchpreises wiederfindet. Das verhandelte Thema ist ernst, doch der geschmeidige Erzählstil nimmt dem Ganzen die Brisanz. Das wienerische Gefühl für feine Ironie – man denke nur an: „Lang lebe der Zentralfriedhof“! – tritt hier in einer bemerkenswert entspannten Art und Weise hervor. Wer Ziegelwagners Kommentar zur Kritik am Buchpreis gelesen hat, der wird einen Eindruck von der Stimmung dieses Buches haben: Ja, natürlich ist das alles irgendwie Mist, aber ist doch nicht so schlimm, trinken wir eben noch ein Bier, rauchen eine Zigarette und morgen wird es schon besser gehen – oder auch nicht. Ziegelwagner muss sich nicht echauffieren, er nimmt es mit Humor und bietet einen Gegenvorschlag an. Selten war ein Mangel an aufrichtiger Empörung so lesenswert, wie in diesem bei rowohlt erschienen Debüt.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Michael Ziegelwagner: Der aufblasbare Kaiser. Roman.
Rowohlt Verlag, Berlin 2014.
252 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783871347672

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