Sein oder nicht sein

Jana Königs Anekdoten über Shakespeare

Von Cecile SandtenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Cecile Sandten

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Das ist ja Shakespeare als Superman! Wie cool!“, rief mein 12-jähriger Sohn als er den Band Sein oder Nicht Sein (2014) aus der Anekdoten-Reihe des Eulenspiegel Verlags auf meinem Schreibtisch entdeckte, der „gesammelte und aufgeschriebene“ Anekdoten von Jana König in einer schönen Form präsentiert und mit dieser belustigenden Darstellung des Supermanns des 16. Jahrhunderts, der mit einem Six-Pack und selbstsicherem Blick ausgestattet ist, aufwartet. Anlässlich des 450. Geburtstags von William Shakespeare sind Anekdoten wohl ein Muss – allemal für Shakespeare-Liebhaber!

Der aufgrund des hohen Wiedererkennungswertes treffende Titel Sein oder nicht sein wirkt vielleicht abgenutzt, scheint aber für eine Anekdotensammlung durchaus sinnvoll ausgewählt. Zum Verständnis des Zeitgeschehens wird der Band mit dem Kapitel „Wer war eigentlich Shakespeare?“ einer sehr knappen, aber pointierten Einleitung zum Leben und Wirken des Barden eröffnet. Dabei beginnt allerdings das Epigraf von Charles Darwin mit einem negativen Ton und bringt die Langeweile des Evolutionstheoretikers beim Lesen Shakespeares zum Ausdruck, die ihm Übelkeit verursache, während Vincent van Gogh die „Erregung und Ekstase“, die ihn beim Lesen der Sprache Shakespeares ereile, in den Mittelpunkt rückt.

Insgesamt ist die Sammlung eingeteilt in zwölf Kapitel, die zwischen Anekdoten zum Leben und zur Theaterarbeit Shakespeares, zu Themen wie „400 Jahre Inszenierungen, Kontroversen und Verfilmungen“ oder zu einzelnen wichtigen Dramen wie Romeo und Julia, Hamlet, Othello oder Macbeth changieren. Die Anekdoten sind ihrer Form entsprechend auf einen Gedanken oder ein einzelnes Ereignis ausgerichtet. Man merkt durchaus den chronologischen Aufbau, doch manchmal wirken die verschiedenen Kapitel etwas zusammenhangslos. Viele der hier versammelten Anekdoten sind durch eine große Dosis zeitgeschichtlichen Hintergrundwissens charakterisiert und in leicht verdaulichem, lustigem Stil geschrieben und Ergebnis intensiver Recherche.

Interessant sind die wahren, teils unbekannten oder merkwürdigen Anlässe oder Begebenheiten, die durch die Anekdoten vorgestellt werden sowie die ihnen inhärenten strukturellen Möglichkeiten, komplexe historische Sachverhalte durch Fragmentierung oder knappe biografische (zum Beispiel von Schauspielern und Regisseuren), film- oder theaterspezifische Kontextualisierung dem Leser näher zu bringen. Darunter fällt zum Beispiel die Anekdote „Mit besten Grüßen von Freud“, in der es um eine Hamlet-Inszenierung von 1977 am Bochumer Schauspielhaus unter der Regie von Peter Zadek geht. In dieser war die damals „gerade 22-jährige Eva Mattes [die heutige Tatort-Kommissarin Clara Blum] als Mutter des dänischen Prinzen, gespielt vom 17 Jahre älteren Ulrich Wildgruber“ zu sehen, ein psychologisches Experiment, das Zadeks Art und Weise sowie die Zeit der späten 1970er-Jahre sehr schön aufleben lässt. Insgesamt werden die kleineren und größeren Katastrophen und Fauxpas im Theater- und Filmmetier, das heißt, die eigene Welt der Schauspieler und Regisseure, die dem Leser meist verborgen bleibt, von Shakespeares Zeit bis in die Gegenwart hinein konzentriert dargeboten. Eine Anekdote zu Robert Greens Einschätzung zu Shakespeare als „Emporkömmling von einer Krähe, die sich mit [fremden] Federn schmückt“ fehlt hier eben so wenig wie die anekdotische Beantwortung der These, dass Shakespeare homosexuell gewesen sein soll beziehungsweise eben nicht, wie in Sonett 20 nachzulesen ist, das hier in deutscher Sprache abgedruckt ist.

In simplifizierter Struktur und reduziert auf ihre unterhaltende und belehrende Form geben die über 200 Anekdoten Auskunft über „Pleiten, Pech und Pannen, Triumpfe und skurrile Begebenheiten aus 450 Jahren Theater- und Filmgeschichte“ der Stars und Sternchen von Ben Johnson, einem Zeitgenossen Shakespeares, Lynn Fontanne, Alfred Lunt, Gustaf Gründgens, Laurence Olivier oder Elizabeth Taylor bis hin zu Helen Mirren, Kenneth Branagh oder Kate Winslet. Wer sich durch diese Geschichten liest, erfährt eine Menge am Rande der großen Theaterbühnen Englands, Kanadas, der USA oder der großen Filmstudios, zum Beispiel, dass „Orson Wells […] seinen Macbeth in gerade mal 23 Tagen abdrehen“ musste, und zwar aus „Geldmangel“, oder dass Lawrence Olivier 1973 von einem Einbrecher im Obergeschoss des Hauses überfallen wurde, seine Söhne und seine Frau im Erdgeschoss nicht eingegriffen haben, da es doch Hamlet im Fernsehen gab, „du weißt doch, wie er da herumbrüllt“.

Die Anekdoten, von denen viele kleine Überraschungen beherbergen, lassen sich gut lesen, sie sind sicherlich kein „page turner“, aber ein lustiges Weihnachtsgeschenk allemal. Shakespeare in Superman-Montur auf dem Titelbild ist bereits ein Hinweis auf die intertextuellen Verstrickungen und Verschränkungen der Anekdoten in ihre zeithistorischen Stoffe, aus denen die Träume der Theater- und Filmwelt Shakespeares gemacht sind.

Titelbild

Jana König: Sein oder nicht sein. Anekdoten über Shakespeare.
Eulenspiegel Verlag, Berlin 2014.
126 Seiten, 9,99 EUR.
ISBN-13: 9783359024194

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