Die bekannteste Mystikerin

Linda Maria Koldau hat eine Biographie über Theresa von Avila vorgelegt

Von Stefanie LeibetsederRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Leibetseder

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das von der Professorin der Kulturgeschichte Linda Maria Koldau geschriebene Buch über die „Agentin Gottes“ erzählt den atemberaubenden Weg Teresa von Avilas, einer Halbwaisen aus Avila im Spanien des 16. Jahrhunderts, zu einer der bekanntesten Mystikerinnen und Kirchenlehrerinnen. Besonders hervorgehoben zu werden verdient, was die Autorin anhand ausgedehnter Quellenrecherchen in Teresas eigenen Schriften und unzähligen Briefen über den familiären Hintergrund ihrer Protagonistin herausgefunden hat. Diese stammte nämlich aus einer wohlhabenden Converso-Familie, gehörte also einer gefährdeten Minderheit an. Für das spätere Leben Teresas war besonders die ausgeprägte Frömmigkeit ihrer konvertierten jüdischen Familie von Bedeutung, wobei sie neben den Heiligenlegenden als Kind und Mädchen auch der Lektüre von zeitgenössischen Ritterromanen zugetan war.

Nach ihrem Eintritt ins Menschwerdungskloster der Karmeliten in Avila bemerkte sie schon bald die starke Verweltlichung und Verwässerung der ursprünglichen Karmelregel, die auf Kontemplation, Spiritualiät und Askese ausgerichtet gewesen war. Nach ungefähr 20 Jahren der inneren Kämpfe und Anfechtungen, die Depressionen, Krankheiten und eine Nahtoderfahrung einschlossen, entdeckte Teresa das innere Gebet als Kraftquelle für sich. Dieses nutzte sie als Ausgangs- und zugleich Zielpunkt für ihre beginnende Reform des Karmelitenordens von innen heraus. In diese flossen auch Bestrebungen anderer Orden ein, namentlich der Unbeschuhten Franziskaner, die sie aus den Schriften bedeutender Franziskanertheologen kennenlernte.

Mit großem diplomatischem Geschick betätigte sich Teresa als Gründerin zahlreicher neuer Filiationen des weiblichen Zweiges des Karmeliterordens, in denen sie ihr Ideal der erneuerten Karmelregel und der Sanftheit im Umgang miteinander verwirklichte. In Anlehnung an das Vorbild der Franziskaner gründete sie die Kongregation der Unbeschuhten Karmelitinnen und führte diese bis zu einer eigenen spanischen Ordensprovinz, die unter dem Schutz von König Philipp II. stand. Theresa gelang es auch, bedeutende Theologen als Mitstreiter für ihre Reformbemühungen in ihren Bann zu ziehen, beispielsweise Johannes vom Kreuz. Dadurch geriet sie jedoch in einen dauernden Konflikt zu den männlichen Karmeliten, die ein Ideal des Rigorismus vertraten und Teresa scharf bekämpften, was das Lebensende der überaus anerkannten und geliebten Ordensgründerin und auch die Zeit danach überschattete.

Bekanntheit hat sie auch durch ihre zahlreichen Schriften erlangt, neben ihrer Autobiografie allen voran die „Seelenburg“, in der sie die Seele einem geschliffenen und facettierten Diamanten vergleicht. Diese innere Burg umfasst sieben Wohnungen, die der Gläubige nach und nach durch die Übung des inneren Gebets betreten kann, um zur mystischen Vereinigung mit Gott zu gelangen. Begleitet wurde Teresas Gebetspraxis von religiösen Visionen, die große Bekanntheit erlangt haben, wie die Herzverwundung, von Gianlorenzo Bernini in meisterhafter Weise in der römischen Cornaro-Kapelle künstlerisch wiedergegeben.

Linda Maria Koldau nimmt uns mit ihrem Buch auf eine spannende und farbenprächtige Reise in die Zeit der Renaissance mit ihren religiösen Auseinandersetzungen und zeichnet das anrührende Porträt einer Heiligen, die ihre Stärke einzig aus dem Glauben bezog und ihre Stimme erhob, wo Frauen sonst ausgeschlossen waren. Sie scheute auch die Auseinandersetzung mit höchsten kirchlichen Würdenträgern nicht, taktierte geschickt mit ihnen und erwies sich hierbei als Diplomatin von hohem Rang.

Titelbild

Linda Maria Koldau: Teresa von Avila. Die Agentin Gottes 1515-1582. Eine Biographie.
Verlag C.H.Beck, München 2014.
316 Seiten, 22,95 EUR.
ISBN-13: 9783406668708

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