Sackgassen und anderes

Dennis Lehanes „The Drop/Bargeld“

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dennis Lehane hat sich in den vergangenen Jahren einen veritablen Ruf erarbeitet. Die Verfilmungen von „Mystic River“ und „Shutter Island“ haben ihr Übriges getan, um ihn in weiteren Kreisen bekannt zu machen. Dabei hat er immer wieder verschiedene Genres bedient, ist aber nie endgültig ins Krimi- oder Charakterfach abgetaucht. Selbst „The Drop / Bargeld“ – jetzt bei Diogenes erschienen –  ist nicht einfach nur ein Thriller im Milieu, ebensowenig wie der gleichfalls kürzlich erschienene Roman zum Bostoner Polizistenstreik 1919, der unter dem etwas umständlichen Titel „Im Aufruhr jener Tage“ bei List erschienen ist, einfach nur ein historischer Roman ist. Dazu sind Lehanes Texte zu gebrochen und zu elaboriert zugleich, und dazu bedienen sie zu wenig die genrespezifischen Anforderungen.

„Bargeld“ nun ist sicherlich vor allem deshalb bekannt geworden, weil der gleichnamige Film die letzte Arbeit des allzu jung verstorbenen James Gandolfini war, der mit den „Sopranos“ internationale Berühmtheit errungen hatte. Dass die hervorragende Besetzung des Films dem Stoff selbst wieder angemessen ist, lässt sich an dieser Stelle nur betonen, gerade weil Gandolfini die Rolle des verkrachten Ex-Gangsters Marvin spielt, dem eine Bande von nochmals brutaleren Tschetschenen die Bar abgepresst hat, die nicht nur sein Eigentum, sondern auch noch das Zentrum seiner halbwegs eingebildeten Macht war.

Das ist vergangener Glanz. Jetzt ist Marvins Bar vor allem eine Bar, und er hat seine Einkünfte fein an seine Bosse abzuliefern. Ab und an jedoch dient sie auch als Sammelstelle für das in der ganze Stadt gesammelte Drogengeld, das anschließend weitergereicht wird. Eines Tages aber wird die Bar überfallen – zum Glück, nachdem die Geldboten den Hauptbetrag bereits abgeholt haben. Marv und sein Cousin Bob kommen mit heiler Haut davon, aber dass es den Überfall gab, können sie ihren Bossen nicht erklären. Und dass Bob der Polizei auch noch einen Hinweis gegeben hat, der vielleicht zu den Gangstern führen könnte, nehmen sie ihm übel. Man spricht nicht mit der Polizei. Und man überfällt keine Drop Bar.

Und selbstverständlich geht das alles seinen normalen Gang und eben nicht: Die Ukrainer tauschen auf und verlangen, dass Bob und Marvin diejenigen finden, die die Bar überfallen haben, sie selbst sühnen die Tat, wie das in diesen Kreisen üblich ist, aber es taucht eben auch noch ein Mann auf, der sich Eric Deeds nennt und der nicht nur einen Hund quält, sondern auch seinen alten Knastpatron um die Ecke bringt.

Aber der Text hat auch andere Seiten: Bob findet einen Hund im Mülleimer einer jungen Frau, die sich Nadia nennt, er nimmt den Hund auf, gewöhnt sich an ihn (Petterson in US-amerikanisch?) und freundet sich mit Nadia an, was halbwegs nach Idylle im Chaos klingt, bis eben jener Eric auftaucht und seinen Hund zurückfordert. Aber er erhält ihn nicht zurück.

Menschen tauchen in diesem schmalen Roman auf und verschwinden, Geschichten machen dasselbe, was eine eigentümliche Mischung sich überkreuzender und ignorierender Erzähllinien ergibt, die jedoch höchst lesenswert ist. Lehane arbeitet sich also nicht zuletzt mit „Bargeld“ in die Reihe jener amerikanischen Autoren vor, die das Krimigenre ganz neu geschrieben haben. Pete Dexter gehört dazu, James Sallis und eben Dennis Lehane. Die Geschichten, die diese Autoren schreiben, verlaufen nicht nur ganz anders als die anderer Autoren, sie sind zugleich anders geschrieben: offener, gewagter, lückenhafter und vor allem viel viel besser. Sie bedienen sich nicht jenes immer wieder genutzten Realismus, in dem sich beinahe alles verpacken lässt, was es literarisch zu sagen gibt.

An der Lesbarkeit der Texte lässt das freilich keinen Zweifel. Ganz im Gegenteil, jeder Roman dieser Autoren ist ein pralles Lesevergnügen und intellektuell aufregend genug, um immer wieder hervorgeholt zu werden. Die Geschichten tauchen zudem in ein Amerika ab, das schmutziger, anarchischer und archaischer kaum sein könnte. Wenn der Krimi den Western beerbt hat, dann sind diese Autoren und ihre Texte die besten Erben, die man sich vorstellen kann. Und sie mehren dieses Erbe durch ihr eigenes Werk immer aufs Neue.

Selbstverständlich ist das Ende dieses Romans klein und gewöhnlich, und zugleich blutig und extraordinär. Aber die Kunst, beides miteinander zu verbinden, ist bei Lehane zu einer beachtlichen Größe herangewachsen, die es mal zu mal zu bestaunen gibt. Mag er, wie jüngst bemerkt worden ist, in Deutschland noch zu entdecken sein, es wäre nicht das erste Mal, dass es hierzulande in solchen Themen Nachholbedarf gibt. Man mag das aber in diesem Fall nicht glauben.

Titelbild

Dennis Lehane: The Drop - Bargeld. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Steffen Jacobs.
Diogenes Verlag, Zürich 2014.
223 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783257069150

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