Vergebens verboten

Birgit Mikus untersucht die Figur der politischen Frau in Romanen deutscher Autorinnen des 19. Jahrhunderts

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich sollte es den Untersuchungsgegenstand ihres Buches „The Political Women in Print“ gar nicht geben, konstatiert Birgit Mikus. Denn es behandelt die literarische Figur der politischen Frau in Schriften deutscher Autorinnen von 1845 bis 1919. In Deutschland aber war Frauen im 19. Jahrhundert jede politische Tätigkeit von Gesetzes wegen – oder wie Mikus sagt „by definition“ – verboten. Als Schriftstellerinnen spätestens des Vormärz begannen, nicht länger nur Essays und Streitschriften zu verfassen, sondern fiktionale Werke, waren sie mit dem Problem konfrontiert, dass es an literarischen „images“ der Figur der politischen Frau mangelte, jedenfalls, wenn man von den „Bluestockings“ – den ‚Blaustrümpfen‘ – absieht, deren pejorative Bezeichnung bereits auf die negative Konnotation der Figur hinweist.

Mikus beleuchtet Werke von sechs feministischen Autorinnen aus dem Deutschland des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts: Louise Aston, Malvida von Meysenbug, Mathilde Franziska Anneke, Fanny Lewald, Louise Otto-Peters und Hedwig Dohm. Der Fokus ihrer Untersuchung „lies on the stragtegies, the authors chosen, employed to construct, present, and justify their images of the political woman“. Dabei stellt sie die Figurenkonstruktionen in den Kontext biographischer Details und Erfahrungen ihrer jeweiligen Schöpferin und macht deutlich, dass jede der Autorinnen ihre eigene politische Agenda hatte.

Fünf der sechs Frauen hatten zumindest zu jeweils einer der anderen Kontakt. Dohm und Otto-Peters allerdings scheinen einander gemieden zu haben. Dohm bevorzugte es zunächst, ihre politischen Essays selbständig zu publizieren. Und als sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann, in Journalen zu veröffentlichen, standen mit Zeitschriften wie der „Zukunft“ radikale Periodika zur Verfügung, die ihr näher standen, als die von Otto-Peters gegründete „Neue Bahnen“ des Allgemeinen Deutschen Frauenbundes.

Aston wiederum wurde für ihren zur Zeit seiner Veröffentlichung wahrhaft radikalen Roman „Revolution und Contrerevolution“ (1849) von Otto-Peters heftig attackiert, die meinte, sie schade damit der Sache der Frauen. Anneke hingegen verteidigte Aston bis zu einem gewissen Punkt, kritisierte aber, dass es ihr weniger um die rechtliche Befreiung der Frauen gehe als viel mehr vorrangig um ihre individuelle.

Eines aber hatten die sechs Schriftstellerinnen ungeachtet diverser Differenzen gemein: Ihre politischen Essays und Polemiken waren weit radikaler als ihre literarischen Werke. Am deutlichsten tritt das bei Hedwig Dohm zutage, die zwar die vielleicht radikalsten, jedenfalls aber scharfzüngigsten und heute noch modern anmutenden Streitschriften verfasste, aber im Unterschied zu den anderen Autorinnen keine politisch engagierte Frauen literarisierte, sondern vielmehr zeigt, wie die zeitgenössischen Verhältnisse Frauen daran hinderten, sich zu „fully responsible, self-aware human beings“ zu entwickeln. Wie Mikus darlegt, werden die Romane Dohms aber gerade dadurch zum politischen Statement.

Am wenigsten ausgeprägt ist die diesbezügliche Differenz zwischen den literarischen und nichtliterarischen Schriften bei Louise Aston, die mit Alice wohl die politisch radikalste und emanzipierteste Frauenfigur der sechs Autorinnen schuf. Alice tritt bekanntlich in zwei Werken Astons auf: „Lydia“ und „Revolution und Contrerevolution“. Mikus unterzieht sie beide einer erhellenden Analyse, wobei sie allerdings merkwürdigerweise Jenny Warneckes instruktive Untersuchung des zweiten Romans nicht berücksichtigt. Sie erschien 2011 unter dem Titel „Frauen im Strudel gewaltiger Taten“. Ungeachtet dieser kleinen Kritik hat Mikus ein insgesamt erhellendes Buch vorgelegt, in dem sie die „suprisingly varied ways of depicting political women“ in den von ihr beleuchteten Romanen der sechs feministischen Schriftstellerinnen nachzeichnet.

Titelbild

Birgit Mikus: The Political Woman in Print. German Women’s Writing 1845–1919.
Peter Lang Verlag, Oxford, Bern, Berlin 2014.
260 Seiten, 56,20 EUR.
ISBN-13: 9783034317368

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