Beschriebenes Papier

Leif Randts Roman „Planet Magnon“ entführt nicht in fremde Welten

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Spätestens seit anerkannte AutorInnen der Hochliteratur wie  Marlene Streeruwitz, Julie Zeh oder Dietmar Dath sich für die Gattung des Zukunftsromans nicht zu schade sind, hat das Genre der Science Fiction sogar im ‚Land der Dichter und Denker‘ sein Schmuddel-Image als triviale Schundliteratur in Groschenheftformat abgelegt. Hochangesehene SchriftstellerInnen, die sich in unbekannte Gefilde ferner Sternensysteme oder unvorhersehbarer Zukünfte wagten, gab es natürlich auch schon lange zuvor. Man denke nur an Franz Werfels „Stern der Ungeborenen“ oder den Roman „Berge Meere und Giganten“ von Alfred Döblin. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass Science Fiction-Romane literaturpreisverwöhnter AutorInnen stets lesenswert sind. Leif Randt etwa wurde in den letzten Jahren unter anderem mit dem NDR- und dem Düsseldorfer Literaturpreis sowie mit dem Ernst-Willner-Preis ausgezeichnet. Sein jüngst erschienener Science Fiction-Roman „Planet Magnon“ jedoch ist keineswegs ausgezeichnet, mag auch nicht auszuschließen sein, dass dem Buch einer der zahlreichen deutschen Literaturpreise zugesprochen wird. Denn die Zukunft hält so manche Überraschung bereit, wie nicht nur Science Fiction-Fans wissen.

Die eher dürftige und nicht eben mitreißende Handlung des Romans ist in einem Sonnensystem angesiedelt, auf dessen sechs Planeten sich zehn „Populäre Kollektive“ herausgebildet haben, denen insgesamt gut zwei Drittel der Bevölkerung angehören. Kommen den Planeten verschiedene Funktionen zu – etwa als Erholungsgebiet oder Müllhalde –, so trennen die Kollektive unterschiedliche Ideologien. Dabei lenkt seit einigen Jahrzehnten ein auf einem Mond stationierter Computer mithilfe umfangreicher Berechnungen die Geschicke der ganz und gar menschlichen Aliens zur Zufriedenheit aller. Das heißt, es sind nicht wirklich alle zufrieden, hat sich doch eine Untergrundorganisation mit dem sprechenden Namen „Kollektiv der gebrochenen Herzen“ gebildet, welche die herrschende Ordnung auf durchaus militante Weise infrage stellt. Ihren Angehörigen, den sogenannten „Hanks“, sagt man nach, „zutiefst enttäuschte Charaktere“ zu sein, da „sie glaubten, eines Tages jemanden zu treffen, der sie für immer begeistert, eine einzelne Persönlichkeit, mit der sich alles zum Guten wendet. Diese Hoffnung musste enttäuscht werden“. Die Ursachen hierfür suchen sie „nicht bei sich, sondern in der bestehenden Ordnung“. Es wird vermutet, „dass sie nun Rache suchen“, denn schließlich begehen sie „einige aufsehenerregende Sabotageakte“.

Der Ich-Erzähler des Romans, Marten Eliot, besucht eine Hochschule, in deren Wohnheim er lebt. Wie alle seine MitbewohnerInnen und KommilitonInnen gehört er dem Kollektiv der „Dolfins“ an, deren Weltanschauung zufolge das, „was sich aus dem Moment, der sich gerade ereignet, destillieren lässt“, „viel Wichtiger“ ist als „die schale Frage nach den Ursachen“. „Verbindliche Liebesbeziehungen“ werden von den Angehörigen des Kollektivs „verweigert“. „Liaisons“ sind zwar „jederzeit möglich“, doch „sind sie bis zum BestAge zeitlich begrenzt“. Die sexuellen Beziehungen der Dolfins und „Dolfingirls“ sind nie von langer Dauer und wecken keine intensiveren Gefühle, bleiben ihnen aber meist angenehm in Erinnerung. Mit einem „echten Dolfin“ schläft man zwar, „doch bleibt er unnahbar“. Wie sich herausstellt, erfüllt der Ich-Erzähler mitnichten diese Bedingung, ein echter Dolfin zu sein, was seine frühere Freundin Kristen allerdings gar nicht zu schätzen weiß. Die sexuellen Gepflogenheiten anderer Kollektive wie etwa die Dreiecksliebschaften und Beziehungsquartette“ der „Shifts“ oder die „patenten Frauen, die andere Frauen begehren“ des Planeten Snoop werden eher am Rande erwähnt.

Ebenso wie etliche andere Kollektive sind die Dolfins Drogenexperimenten sehr zugetan. So auch der neuen „Flüssigkeit Magnon“, die – wie ein Dolfin auf Droge erklärt – eine „Mischung aus enormer Objektivität und großer Emotion“ bewirkt, die „keine Fragen offen“ und doch alles als „fantastisches Rätsel“ erscheinen lässt. Es ist dies eines der typischen leeren Paradoxa des Romans, die manche Lesende als Eigenheit der Dolfins oder aber Ergüsse eines drogenumnebelten Hirns entschuldigen mögen.

Gemeinsam mit seiner Kommilitonin Emma Glendale wird Marten Elliot von seinem Kollektiv beauftragt, „als populäre Vermittler und Botschafter“ durch das Sonnensystem zu reisen und „Dolfins der Gegenwart zu repräsentieren“. Im Laufe ihrer kurzen Werbetour bekommen sie es alsbald mit den Hanks und ihrer Führerin, dem ominösen „Mädchen mit der Tigermaske“, zu tun. Wie sich zeigt, ergänzen Dolfins und Hanks einander etwa so wie die beiden Seiten einer Medaille, die das, was sie trennt, verbindet. So stehen die beiden Kollektive einander denn auch näher, als der Ich-Erzähler lange Zeit vermutet.

Die insgesamt recht fade Handlung vollzieht sich in einem langweiligen Erzähluniversum, in dem ein paar Saurier über die Planetenoberfläche spazieren, während deren BewohnerInnen Cola-Bier und Bowle trinken. Dass sie von einem blutarmen Ich-Erzähler berichtet wird, kann man dem Autor zwar vielleicht nicht allzu kritisch anlasten, da er die Figur in Rücksicht auf ihr Kollektiv bewusst so konzipiert haben mag. Doch gelingt es beiden, dem schaffenden Autor wie seinem erzählenden Geschöpf, eben darum nicht, die Lesenden mit in ein nahes oder fernes Sonnensystem einer anderen Zeit zu entführen, die zudem allzu erkenntlich die unsere ist. Darüber hinaus stehen die kleinteiligen Handlungseinheiten einem gleichmäßigen Lesefluss entgegen – und auch das Präsens ist gewöhnungsbedürftig. All dies trägt dazu bei, dass einem die ProtagonistInnen, ihr Denken und Sein fremder bleiben, als sie eigentlich sind. Auch versucht der Roman die Ideologien der Kollektive, die unterschiedlichen planetarischen Gegebenheiten und die (sozial-)politische Struktur(en) der Gesellschaft(en) mit ihrem ‚regierenden‘ Computer, der die BewohnerInnen des Sonnensystems ‚umsorgt‘, indem er „die Rahmenbedingungen ihres Lebens definiert“, mit Bedeutung aufzuladen, der jedoch die Tiefe mangelt. So hat man stets das Rascheln beschriebenen Papiers im Ohr. Und dies tut weder einem Roman noch einem gesellschaftskritisch oder philosophisch ambitionierten Buch gut.

Erwähnt sei noch, dass dem Erzähltext ein Glossar angehängt ist, das man, zumal zu Beginn, gerne heranzieht. Es ist gelegentlich sogar ganz witzig. So etwa, wenn aus ihm hervorgeht, dass alle Kollektive den je anderen „Verlogenheit“ vorwerfen.

Titelbild

Leif Randt: Planet Magnon. Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015.
301 Seiten, 18,99 EUR.
ISBN-13: 9783462047202

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