Durch das Fluidum die Menschen heilen

Thomas Knubben hat eine Biografie des Heilers Franz Anton Mesmer geschrieben

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was muss das für ein aufregender Mann gewesen sein. Charismatisch, von sich selbst überzeugt. Ein Heiler. Sogar ein blindes Mädchen brachte er dazu, wieder sehen zu können. Er trat vor den großen Herrschern seiner Zeit auf, vor Königen und Kaisern. Er lebte in einer Zeit, in der sich alles änderte, in der neue Ideen eine neue Wirklichkeit erzeugten, in einer Zeit, in der die Aufklärung ganz Europa veränderte – durch die Französische Revolution. 1734 wurde der Arzt Franz Anton Mesmer in Iznang bei Konstanz geboren, 1815 starb er in Meersburg. Seine Lehre vom „animalischen Magnetismus“, die er ab den 1770er-Jahren entwickelte und auch praktisch anwandte, machte nicht nur zu seiner Zeit Furore, sondern hatte auch großen Einfluss auf die Entwicklung der Hypnose, der Psychoanalyse und der Psychosomatik über 100 Jahre später.

Schon in seiner Dissertation von 1766 stellte er Verbindungen zwischen dem Kosmos und dem Menschen her, zwischen den Sternen und Planeten und dem Inneren des Menschen. Ein „Fluidum“, das das All und alle Körper durchströme, sorge dafür. Und ein Heiler könne es benutzen, um die Blockaden in einem Menschen aufzulösen, ihn wieder zur Harmonie zurückzuführen, ihn gesund zu machen. Zunächst mit Magneten, später nur mit der ihm eigenen Suggestionskraft und durch Berührungen, zeigte Mesmer, wie ein sensibler Arzt Einfluss auf den Kranken nehmen könne.

Eine hochspannende Persönlichkeit, dieser Mesmer. Vor allem, weil er darauf bestand, dass er naturwissenschaftlich vorgehe, was ihm seine Konkurrenten, die Ärzte, und viele Naturwissenschaftler wie Georg Christoph Lichtenberg übel nahmen, denn sein „Fluidum“ konnte er nur behaupten, seine Existenz aber nicht beweisen. So feierte er immer wieder spektakuläre Erfolge, wenn er Menschen heilen konnte, musste aber auch immer wieder heftige Zurückweisungen erleben, die ihn von Wien nach Paris trieben, von dort nach Karlsruhe, wo der Verleger Macklot eines seiner Bücher publiziert hatte, und später in die Schweiz.

Der Kulturwissenschaftler Thomas Knubben, der ein wundervolles Buch über Friedrich Hölderlins Reise nach Bordeaux geschrieben hat, hat jetzt eine erzählende Biografie dieses Heilers publiziert und macht damit zu Recht noch einmal auf dieses seltsame Genie aufmerksam. Leider ist sie nicht so stringent und durchsichtig geschrieben, wie Mesmer es verdient hätte. Zu oft etwas ungenau, zeitlich immer wieder hin und her springend, in den Schlüssen und Begründungen manchmal unsicher und schwammig. Mit etlichen viel zu langen Zitaten, die über mehrere Seiten gehen, fehlt vor allem die präzise Einbettung in die Medizin-, Kultur- und Geistesgeschichte, die Knubben häufig nur andeutet. Der heutige Leser vermisst zudem manche erklärenden Anklänge an die Orgontherapie Wilhelm Reichs, die Psychoanalyse, die Psychosomatik und sogar esoterische „Therapien“ wie Reiki. So bleibt Knubbens in vielen Passagen lesbarem Buch vor allem das Verdienst, in spannender Weise diese herausragende Gestalt wieder einmal der Vergessenheit entrissen zu haben.

Titelbild

Thomas Knubben: Mesmer oder Die Erkundung der dunklen Seite des Mondes.
Klöpfer, Narr Verlag, Tübingen 2015.
231 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783863510947

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