Des Dichters Muedersproch

Alemannisch-Andalusisches aus Hausach von José F.A. Oliver

Von Klaus HübnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hübner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Ich bin in einem Haus aufgewachsen, das zwei Stockwerke hatte. Im ersten Stock wurde alemannisch gesprochen, also annähernd deutsch, und im zweiten andalusisch, also annähernd spanisch“. Das schreibt José F.A. Oliver, der 1961 als Sohn spanischer Gastarbeiter in Hausach im Kinzigtal geboren wurde und dort aufgewachsen ist – und der auch heute, als ein mit vielen Preisen bedachter Lyriker und Essayist sowie als Gastgeber des immer wieder mit renommierten Autorennamen glänzenden Literatentreffens „Hausacher LeseLenz“, in diesem vertrauten Ambiente lebt. Oliver-Lesern ist Hausach als Mein andalusisches Schwarzwalddorf bekannt. Diesem 2007 publizierten schönen Band lässt der Autor nun zwölf Texte folgen, zwischen die aussagekräftige Fotos gestreut sind: Fremdenzimmer. Sie als „Essays“ zu bezeichnen, klingt viel zu gelehrt. Eher sind es herzerwärmende Prosaetüden.

Wie er in der deutschen Sprache ankam, skizziert Oliver in Zwei Mütter. Auch in seiner Kindheit fanden „Räuberspiele im Wald“ oder „Gruppenstunden in der Katholischen Jugend“ ihren Ort – und das Gymnasium, das ihm klar machte, „dass die deutsche Sprache auch mir gehörte und ein Gastarbeiterkind nicht zwangsläufig der Gastarbeiter von morgen zu sein hatte“. Kein Wunder, dass dieses Kind von Anfang an sprachsensibel durch die Welt ging. Eher schon ein Wunder, wie seine „insgeheime und experimentelle Auseinandersetzung mit den Sprachen“ zur allmählichen Herausbildung eines deutschen Dichters führte.

Welch wichtige Rolle der Dialekt dabei spielte, kann man in d Hoimet isch au d Sproch nachlesen. Auch wer wissen möchte, was es mit der in der „W:ortenau“ beheimateten Literatur auf sich hat, wird bestens bedient – Grimmelshausen kommt vor und natürlich Johann Peter Hebel, Joseph Victor von Scheffel und Bertolt Brecht und Ernest Hemingway. Dass man über das Warten und den Tod etwas lernt – „Vater starb am Heimwehfieber“ –, auch über den Flamenco und das Selbstverständnis des Dichters von heute, sei nur nebenbei erwähnt. Wer Fremdenzimmer liest, lernt überhaupt viel. Und hat große Freude an einer Prosa, die funkelt wie die Kinzig am frühen Morgen.

Titelbild

Jose F.A. Oliver: Fremdenzimmer. 11 Essays und ein Postscriptum.
Weissbooks, Frankfurt am Main 2015.
125 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783863370756

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