Sofies Entscheidung

Hans Traxler lässt ein kleines Mädchen zur Alphorn-Virtuosin werden

Von Wieland SchwanebeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Wieland Schwanebeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Loriots „Pappa ante Portas“ (1991) schließt mit einem Happy End, an dem sich außer den beiden Hauptfiguren niemand recht erfreuen kann: Das entfremdete Ehepaar Lohse findet da in der letzten Szene durch gemeinsames Musizieren wieder zueinander und traktiert die restliche Familie mit einem Blockflötenduett. Das Publikum hat keine Schwierigkeiten, sich einzufühlen, kennt doch wohl jeder das Dilemma, von ambitioniertem beziehungsweise zum Üben verdonnerten Nachwuchs im Freundes- und Bekanntenkreis mit Blockflötenrezitationen gefoltert worden zu sein.

Wie sich gerade Blockflötenalpträume auf diesem Weg in tausende bundesrepublikanische Biographien einschreiben konnten und weshalb dem Instrument ein Stigma anhaftet, das wohl nur noch von der Ostfriesen-Aura in den Schatten gestellt wird, die man Bratschisten nachsagt, verdiente in einer eigenen Kulturgeschichte erörtert zu werden. Hans Traxler eruiert in seinem amüsanten Kinderbuch „Sofie mit dem großen Horn“ dagegen, welchen Schaden ein Kind nehmen kann, wenn es zu einem Instrument verdonnert wird, das ihm fremd bleibt.

Im Mittelpunkt steht das aus einer regelrechten Blockflötendynastie stammende Nesthäkchen Sofie, für das der musikalische Weg vorgezeichnet ist. In Traxlers raffinierter Konstellation erweist sie sich sogar als Blockflöten-Wunderkind, das sich ungeachtet aller Belehrungsversuche seiner Umwelt dagegen verwehrt, an sein vermeintliches natürliches Talent gekettet zu werden. Als ihr die unverzagt flötende Familie bereits die ganze Lust aufs Musikmachen vergällt hat, macht Sofie im Urlaub bei ihrer Großmutter die Bekanntschaft des Alphorn-Spielers Alois und entdeckt ihre Leidenschaft für dessen Instrument. Das genre-obligatorische Mentoring gibt es aber nicht ohne Hürden, denn Alois weist Sofie zunächst als Schülerin zurück. Wie sie es schafft, den liebenswerten Zausel dennoch von ihrer Lungenkapazität und Eignung für die Alphorn-Tradition zu überzeugen, und wie schließlich ein Alphornkonzert aus der Taufe gehoben wird, von dem „die Leute vom Füchsliberg noch heute“ reden und das auch Sofie wieder ihren (familiären und musikalischen) Frieden finden lässt, ist es wert, vom Leser selbst erkundet zu werden.

Hans Traxler hat diese originelle Mischung aus vertrauten Gattungsmotiven, die ein wenig „Hässliches Entlein“ mit „Pippi Langstrumpf“-Feminismus und bildungsemanzipatorischer Fabel aussöhnt, und die für Kinder ersonnene Alpentrilogie des Künstlers abrundet, mit der von ihm gewohnten Liebe zum Detail und derart feinem Humor gezeichnet, dass das Buch auch Traxlers älteren Fans einiges zu bieten hat. Kinder erfahren nebenbei ohne erhobenen Zeigefinger Wichtiges über elterliche Erwartung, Rollendruck und Geschlechterbilder.

Zudem bestätigt Traxler seinen sympathisch-vorurteilslosen Blick auf die Tradition der Volkskunst, die er gekonnt gegen ihr stereotyp-dumpfes Erscheinungsbild im Unterhaltungsmainstream in Schutz nimmt. Auch dies kennt man von ihm: Wie sich etwa Traxlers vergnüglichem „Teufelsbuch“ (2004) entnehmen lässt, blüht den „Musikantenstadler(n), die die eigentlich schöne Volksmusik in Grund und Boden gejodelt und gedudelt haben“, in der Hölle das Los, in alle Ewigkeit mit einer tonnenschweren Kuhglocke durch den Hades zu marschieren. Mit Sofie hat Traxler jetzt eine famose Heldin ersonnen, die ihnen problemlos den Marsch blasen kann.

Titelbild

Hans Traxler: Sofie mit dem großen Horn.
Carl Hanser Verlag, München 2015.
32 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-13: 9783446249882

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