Die große Familiensaga aus dem amerikanischen Süden

William Faulkners „Absalom, Absolom!“ in einer neuen Übersetzung

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im deutschsprachigen Raum werden die Werke des Literatur-Nobelpreisträgers William Faulkner seit Jahren durch den Rowohlt Verlag (Hardcover-Ausgaben) und den Diogenes Verlag (Taschenbuchausgaben) bekannt gemacht. Trotzdem mussten die Leser lange auf Faulkners große Familiensaga „Absalom, Absalom!“ warten, obwohl der Roman aus dem Jahr 1936 zu seinen Hauptwerken gehört. Nun liegt „Absalom, Absalom!“ in einer neuen Übersetzung von Nikolaus Stingl im Rowohlt Verlag vor, die einer Ausgabe von 1993 folgt.

Thema des Romans ist die Geschichte des US-amerikanischen Südens während und nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, die Faulkner in zwei Erzählsträngen verfolgt. Hauptprotagonist ist der Emporkömmling Thomas Sutpen, der im Sommer 1833 in dem kleinen Städtchen Jefferson in Begleitung eines französischen Architekten und mit einer Anzahl schwarzer Sklaven eintrifft. Wie ein Fremder kommt er scheinbar aus dem Nichts, erwirbt Land, um dort nicht nur ein Herrenhaus („Sutpen’s Hundred“), sondern eine Familiendynastie zu errichten. Nach Fertigstellung des Hauses heiratet er Ellen Coldfield, die Tochter eines Methodisten und angesehenen Ladenbesitzers, mit der er zwei Kinder haben wird – den Sohn Henry und die etwas jüngere Tochter Judith.

Jahre später bringt Henry seinen Studienfreund Charles Bon mit nach Hause, der sich in Judith verliebt. Sutpen verbietet jedoch die Heirat, denn dieser Charles Bon ist, was niemand weiß, sein Sohn aus erster Ehe, die er früher auf Haiti mit der Tochter eines reichen Plantagenbesitzers eingegangen war. Henry verlässt das Elternhaus und zieht mit Charles in den Bürgerkrieg. Als sie später wieder auf „Sutpen’s Hundred“ eintreffen, erschießt Henry seinen Halbbruder Charles.

Der Zerfall der Familie ist nicht mehr aufzuhalten: Henry verschwindet spurlos, die Mutter Ellen stirbt nach Jahren der Einsamkeit und Sutpen steht ohne männlichen Erben da. Fast aus Verzweiflung heiratet er Milly Jones, die 15-jährige Enkelin eines Gelegenheitsarbeiters. Als diese jedoch nur ein Mädchen zur Welt bringt, verstößt sie Sutpen. Daraufhin bringt der aufgebrachte Großvater seine Enkelin, das Neugeborene und Sutpen mit einer Sense um.

Jahrzehnte später, im Jahr 1909, wird der bislang verschollene Henry todkrank in „Sutpen’s Hundred“ gefunden. Aus einem Missverständnis heraus steckt die schwarze Hausangestellte das Haus in Brand. Am Ende bleibt von Sutpens hochsteckenden Familienplänen nur der pechschwarze und schwachsinnige Mulatte Jim Bon(d) übrig. Thomas Sutpen, der Rassenfanatiker, bekommt am Ende nachträglich das, was er am meisten gehasst hat. Neben dem Rassenthema beleuchtet Faulkner aber auch die Motive von Inzest und Bigamie.

Die verbindenden Erzählfiguren in der äußerst komplexen Familiensaga sind der Harvardstudent Quentin Compson, den Faulkner bereits in seinem Roman „Schall und Wahn“ (1929) einführte, und Rosa Coldfield, Ellens Schwester, der der verwitwete Sutpen auch einmal den Hof gemacht hatte. Die erzählenden Personen sind bei ihren Schilderungen jedoch von eigenen Interessen und Verstrickungen gefangen. Das Schicksal der Familie ist charakteristisch für das historische Verhängnis der Südstaaten, wobei die beiden Jahreszahlen 1865 (Niederlage der Südstaaten) und 1909 die Eckdaten der Familiengeschichte markieren.

Der biblische Titel des Romans geht auf den Klageruf des jüdischen König Davids über den Tod seines abtrünnigen und aufständigen Sohnes Abschalom zurück. Dieser Bezug wird im Roman aber nicht erwähnt. Durch die nichtlineare Erzählweise und die Verschmelzung von Dialogen und inneren Monologen stellt die Lektüre große Ansprüche an die Aufmerksamkeit des Lesers, weshalb die Rowohlt-Ausgabe mit einem Plan der Örtlichkeiten, einem Familienstammbaum, einer Genealogie und einer Chronologie vervollständigt wurde.

Titelbild

William Faulkner: Absalom, Absalom! Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Nikolaus Stingl.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2015.
478 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783498021344

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